7. Juni 2011
Dienstelistungen, Vergaberichtlinien
Arbeitsrecht

Zeitreisen mit dem Arbeitsgericht Berlin

…oder wie man aus einer Mücke einen Elefanten macht. Mit Beschluss vom 30.05.2011 hat das ArbG Berlin (Az. 29 BV 13947/11) festgestellt, dass die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) auch in der Vergangenheit, nämlich am 29.11.2004, am 19.06.2006 und am 09.07.2008 nicht tariffähig war.

Die 29. Kammer schloss sich dabei der Begründung des BAG an, das bereits am 14.12.2010 entschieden hat, dass die CGZP gegenwartsbezogen nicht tariffähig ist.  Die CGZP sei keine Spitzenorganisation nach § 2 Abs. 3 TVG, weil sich ihre Mitgliedsgewerkschaften nicht im Umfang ihrer Tariffähigkeit zusammengeschlossen haben. Außerdem gehe der in der Satzung der CGZP festgelegte Organisationsbereich für die gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung über den ihrer Mitgliedsgewerkschaften hinaus.

Der Beschluss der 29. Kammer war vor allem in der Zeitarbeitsbranche insbesondere wegen der vermuteten Auswirkungen auf equal pay-Ansprüche der Leiharbeitnehmer  mit Spannung erwartet worden, enthält in der Sache aber keine wesentlich neuen Erkenntnisse und ist zumindest im Ergebnis alles andere als überraschend, wenn man bedenkt, dass das ArbG Berlin als Vorinstanz zum Beschluss des BAG vom 14.12.2010 bereits im Jahr 2009 der CGZP – wenn auch mit abweichender Begründung – die Tariffähigkeit abgesprochen hat. Gegen die Entscheidung des ArbG Berlin werden nach entsprechenden Ankündigungen Rechtsmittel eingelegt. Solange aber nicht rechtskräftig feststeht, dass die CGZP tatsächlich tarifunfähig war, sind die von den Leiharbeitnehmern im Hinblick auf vermeintlich bestehende equal pay-Ansprüche bereits angerufenen Arbeitsgerichte nach wie vor gehalten, diese Verfahren auszusetzen (§ 97 Abs. 5 ArbGG).  Über entsprechende Nachforderungsansprüche kann nämlich nach der überwiegenden Ansicht der Arbeitsgerichte  erst entschieden werden, wenn die Tarifunfähigkeit der CGZP abschließend festgestellt wurde.

Anders als teilweise suggeriert wird, hat das ArbG Berlin mit Aberkennung der Tariffähigkeit der CGZP für die Vergangenheit nicht gleichzeitig deren Tarifverträge als unwirksam qualifiziert. Dies war nicht Gegenstand des Verfahrens, sondern muss von den Arbeitsgerichten, die von den einzelnen Leiharbeitnehmern wegen ihrer vermeintlichen equal pay-Ansprüche angerufen werden müssen, in eigener Zuständigkeit geprüft werden.

Selbst wenn zukünftig rechtskräftig feststehen sollte, dass die CGZP auch in der Vergangenheit nicht tariffähig war, können sich in Anspruch genommene Zeitarbeitsunternehmen mit guten Gründen auf Vertrauensschutzaspekte berufen, die gegen eine rückwirkende Unwirksamkeit der Tarifverträge angeführt werden können.

Sollte das Vertrauen der Leiharbeitgeber in die Wirksamkeit der Tarifverträge nicht schutzwürdig sein, kann ein Leiharbeitnehmer dennoch nicht ohne weiteres den equal pay-Grundsatz durchsetzen. Zum einen muss er darlegen und im Zweifel beweisen, dass die vom Entleiher jeweils eingesetzten Stammarbeitnehmer auf Grundlage von besseren Arbeitskonditionen (z.B. höheres Entgelt) tätig werden. Da dem Leiharbeitnehmer regelmäßig diese Informationen nicht zur Verfügung stehen, muss dieser zunächst den jeweiligen Entleiher auf Auskunft in Anspruch nehmen und diesen – sollte sich dieser weigern – verklagen, um mit den entsprechenden Informationen aus diesem Rechtsstreit seinen Zahlungsanspruch gegen den Verleiher überhaupt quantifizieren zu können. Zum anderen können sich die Zeitarbeitsunternehmen auf die regelmäßig in den Arbeitsverträgen mit den Leiharbeitnehmern vorgesehenen Ausschlussfristen, die das finanzielle Risiko erheblich beschränken, sowie auf die Einrede der Verjährung berufen.

Die Durchsetzung eines equal pay-Anspruchs ist auch nach der Entscheidung des ArbG Berlin für den jeweiligen Leiharbeitnehmer kein Selbstläufer – wie dies teilweise suggeriert wird, sondern vielmehr ein sehr steiniger Weg, der mit Zeit, Mühe und nicht unerheblichen Kosten verbunden ist.

Tags: CGZP equal pay Leiharbeit Rechtsprechung Tariffähigkeit Unwirksamkeit von Tarifverträgen vergangenheitsbezogen Zeitarbeit