16. September 2016
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Arbeitsrecht

Zulässigkeit vertraglicher Ausschlussklauseln bei Spartenmindestlohn

BAG: Arbeitsvertragliche Ausschlussklauseln unwirksam, wenn diese auch Ansprüche auf einen Spartenmindestlohn nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz erfassen.

Ob die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 24.08.2016 – 5 AZR 703/15, bislang noch nicht veröffentlicht) auch für Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn (MiLoG) gilt, ist weiter offen.

Arbeitgeber verweigerte Entgeltfortzahlung

Die Klägerin war bei einem ambulanten Pflegedienst als Pflegehilfskraft beschäftigt. Für Pflegebetriebe gilt die Zweite Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (2. PflegeArbbV), wonach gemäß § 8 Abs. 1 Arbeitnehmerentsendegesetz (AentG) von den Arbeitgebern bestimmte Mindestentgelte zu zahlen sind. Der Arbeitsvertrag enthielt eine zweistufige Verfallsklausel, nach der alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit außergerichtlich (1. Stufe) und bei Ablehnung oder Nichtäußerung innerhalb von weiteren drei Monaten gerichtlich (2. Stufe) geltend gemacht werden.

Die Klägerin war in der Zeit vom 19. November bis 15. Dezember 2013 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Die Beklagte hatte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit und zahlte das Gehalt nicht weiter. Daraufhin machte die Klägerin den gesetzlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung zunächst am 20. Januar 2014 schriftlich, dann aber erst am 02. Juni 2014 gerichtlich geltend. Der Beklagte berief sich darauf, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung von der Ausschlussklausel erfasst und wegen nicht rechtzeitiger Geltendmachung verfallen sei.

Das BAG und die Vorinstanzen gaben der Klägerin Recht. Sie habe nach § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Die vertragliche Ausschlussklausel war nach Ansicht der Gerichte insgesamt unwirksam.

Vertragliche Ausschlussklausel bei Mindestentgelten

Im Zusammenhang mit gesetzlich angeordneten Mindestlöhnen oder Mindestentgelten stellt sich regelmäßig die Frage, inwieweit ein Verfall dieser Ansprüche durch Ausschlussfristen möglich ist.

Im Anwendungsbereich der PflegeArbbV ist nach Auffassung des BAG eine vertragliche Ausschlussklausel unwirksam, wenn sie den Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV erfasst. Denn eine solche Klausel verstoße gegen § 9 S. 3 AEntG, wonach Ausschlussfristen für die Geltendmachung des Anspruchs auf Mindestentgelt ausschließlich in Tarifverträgen geregelt werden können. Die Unwirksamkeit der Klausel folge dann schon aus § 134 BGB.

Im vorliegenden Fall bestand die Besonderheit darin, dass mit der Klage kein Anspruch auf Mindestentgelt, sondern auf Entgeltfortzahlung nach dem EFZG geltend gemacht wurde. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung selbst ist aber kein Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV (so ausdrücklich die Vorinstanz: LAG Niedersachsen, Urteil vom 17.09.2015 – 6 Sa 1328/14).

Das BAG und die Vorinstanzen kamen gleichwohl zu dem Ergebnis, dass die vertragliche Ausschlussfrist dann auch nicht für sonstige Ansprüche – wie den gesetzlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung – aufrechterhalten werden konnte. Dies erfordere das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und verstoße gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion.

Vertragliche Ausschlussklausel bei Mindestlohn

Für den Anwendungsbereich des MiLoG wurde dies bislang überwiegend anders gesehen. § 3 S. 1 MiLoG schreibt vor, dass Vereinbarungen insoweit unwirksam sind, wenn sie den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen. Dabei wird wegen des Wortes insoweit überwiegend davon ausgegangen, dass es sich bei der Vorschrift um einen gesetzlich geregelten Fall einer geltungserhaltenden Reduktion handelt, also undifferenzierte Klauseln, die nicht zwischen Mindestlohn und sonstigen Ansprüchen differenzieren, AGB-rechtlich wirksam seien. Es wird aber auch vertreten, dass entsprechende Ausschlussklauseln insgesamt unwirksam seien. Eine Klärung durch das BAG steht noch aus.

Folgen für die Praxis: Arbeitsvertragliche Ausschlussfristen anpassen

Bei der Formulierung von arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen ist darauf zu achten, dass Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn und Mindestentgelte vom Anwendungsbereich der Ausschlussfristen ausdrücklich ausgenommen werden.

Zwar betraf das aktuelle Urteil des BAG nur Ansprüche auf Mindestentgelte nach der PflegeArbbV, doch Überraschungen aus Erfurt sind nicht ausgeschlossen. Ferner sollte ab 1. Oktober 2016 wegen der in Kraft getretenen Neufassung des § 309 Nr. 13 BGB in Ausschluss- und Verfallklauseln nur noch die Textform (und nicht Schriftform) verlangt werden.

Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass Arbeitsverträge regelmäßig überprüft und aktualisiert werden sollten.

Tags: Abschlussklausel Arbeitsrecht Zulässigkeit