Ein Ziel der am 30. Oktober 2023 verabschiedeten Neufassung der europäischen Verbraucherkreditrichtlinie (Richtlinie (EU) 2023/2225) ist der verbesserte Schutz von Verbrauchern* vor Ver- und Überschuldung durch die Aufnahme kurzfristiger Kredite. Dabei berücksichtigt die Überarbeitung der Vorgängerrichtlinie deutlich stärker die Digitalisierung, die auch bei Abschluss von Verbraucherkrediten, vor allem bei jungen Marktteilnehmern, Einzug gehalten hat. Der elektronische Abschluss kurzfristiger Kredite spiegelte sich in der 15 Jahre alten Vorversion aus dem Jahre 2008 nicht ausreichend wider. Eine Ausweitung der Schutzregelungen in diesem Bereich soll dem nun Rechnung tragen.
Häufung von „Buy now, pay later“-Zahlungen
Ein Trend im Zeitalter der Digitalisierung ist die Aufnahme sogenannter Mikrokredite, meist im Zuge von „Buy now, pay later“-Zahlungsoptionen. „Buy now, pay later“ (im Folgenden BNPL) beschreibt die Möglichkeit, einen Kauf zu tätigen, die Zahlung aber erst später zu leisten zu können. Im Rahmen dieser Bezahlvariante werden meist unterschiedliche Modelle angeboten, die dem klassischen Kauf auf Rechnung oder der Ratenzahlung ähnlich sind, mit dem Unterschied, dass ein Dritter die Kreditierung der Kaufpreisforderung übernimmt. Auf diese Art werden auch geringe Beträge einer Finanzierung zugänglich gemacht. Darüber hinaus ist kein formeller Kreditantrag notwendig. Im Zuge weniger Schritte bzw. Klicks schließt der Verbraucher seinen Onlinekauf ab und schiebt seine Zahlung zeitlich hinaus. Allerdings kann gerade bei häufiger Nutzung von BNPL-Modellen bei unterschiedlichen Anbietern der Überblick über die noch ausstehenden Zahlungen verloren gehen. Durch das Angebot diverser Zusatzfunktionen verschwimmen die Grenzen zwischen Rechnungskauf und Ratenfinanzierung. Die Unterschiede sollen nachfolgend erläutert werden.
Der Kauf auf Rechnung wird im Regelfall durch den Online-Shop selbst angeboten. Mit Lieferung der Ware erhält der Verbraucher eine Rechnung, die innerhalb einer Frist von oft 14 Tagen vollständig zu begleichen ist. Erfolgt die Zahlung rechtzeitig, fallen keine weiteren Kosten an.
BNPL dagegen ist ein Service, der von externen Zahlungsdienstleistern, wie beispielsweise PayPal, Klarna oder Afterpay angeboten wird. Die Abwicklung der Zahlung erfolgt hierbei nicht über den Verkäufer, also den Online-Shop, sondern über den jeweiligen Dienstleister.
Üblich sind folgende Zahlungsmodelle:
- Der zu zahlende Betrag ist innerhalb einer bestimmten Frist von beispielsweise 30 Tagen vom Käufer an den Zahlungsdienstleister zu begleichen. Zusatzkosten entstehen nur dann, wenn die Zahlung nicht innerhalb des vereinbarten Zeitraums erfolgt.
- Das Ratenzahlungsmodell dagegen führt zum Abschluss eines Darlehensvertrags. Dieser Vertrag kommt mit dem Zahlungsdienstleister zustande, der für die Zahlungsabwicklung verantwortlich ist. Der Kaufpreis wird an den Zahlungsdienstleister in vorab festgelegten Raten über einen fest vereinbarten Zeitraum gezahlt. Zuzüglich können Zinsen und Gebühren anfallen.
- Außerdem werden unentgeltliche Darlehen unter dem geläufigen Begriff der „Nullprozentfinanzierung“ angeboten. Es handelt sich hierbei um einen klassischen Ratenkredit mit fester Laufzeit und Ratenhöhe, jedoch ohne Zinsbelastung für den Kreditnehmer. Diese Bezahloption wird von Partnerbanken angeboten, an welche die jeweiligen Raten im festgelegten Zeitraum direkt zu zahlen sind.
Neue Schutzregelungen
Die Neufassung der Verbraucherkreditrichtlinie erweitert den Kreis der Verbraucherdarlehen. Zu diesen zählen künftig auch Kreditverträge unter 200 Euro, zins- und gebührenfrei gewährte Kredite, die bei Zahlungsverzug nur geringe durch den Verbraucher zu zahlende Kosten nach sich ziehen, sowie Kurzzeit-Kredite, die binnen drei Monaten zurückzuzahlen sind. Ausgeweitet wurde der Anwendungsbereich der Richtlinie auch in Bezug auf Leasingverträge. Sie sind zukünftig erfasst, wenn sie dem Leasingnehmer eine Option zum Erwerb der ihm überlassenen Sache einräumen.Die Aufnahme von BNPL und Leasing-Produkten in den Anwendungsbereich der Richtlinie und die damit einhergehende Einstufung als Verbraucherdarlehen dient aus Sicht des Gesetzgebers der Vereinheitlichung des Verbraucherschutzniveaus in den Mitgliedstaaten sowie einer höheren Transparenz für die Verbraucher. Weiterhin nicht als Verbraucherdarlehen eingestuft wird lediglich der von Onlinehändlern angebotene Kauf auf Rechnung, bei dem kein Dritter als Zahlungsdienstleister involviert ist und bei dem der Verbraucher einen maximalen Zahlungsaufschub von 50 Tagen erhält. Begründet wird dies damit, dass die Möglichkeit der Kaufpreisstundung bis zu 50 Tagen ausschließlich vorteilhaft für den Verbraucher ist.
Des Weiteren umfassen die neuen Regelungen die folgenden Themengebiete:
Da den Verbrauchern für alle BNPL-Varianten künftig ein zweiwöchiges Widerrufsrecht eingeräumt werden muss, ist über dieses entsprechend zu belehren. Die Widerrufsfrist ist aus Gründen der Rechtssicherheit auch bei fehlerhaften Pflichtinformationen auf zwölf Monate und 14 Tage nach Abschluss des Kreditvertrags begrenzt. Die Widerrufsfrist läuft jedoch nicht an, wenn der Verbraucher nicht über sein Widerrufsrecht belehrt wurde.
Die Reform führt außerdem eine weitere Ebene der Informationsversorgung des Verbrauchers bei Verbraucherdarlehen ein. Neben den schon bisher vorgeschriebenen Pflichtangaben in den vorvertraglichen Informationen und den dazugehörigen Erläuterungen sowie den vertraglichen Pflichtangaben müssen künftig zusätzlich allgemeine Informationen bereitgestellt werden. Die Europäischen Standardinformationen für Verbraucherkredite sind außerdem umgegliedert und ausgebaut worden. Neu ist außerdem, dass der Verbraucher die vorvertraglichen Informationen mindestens einen Tag vor Vertragsschluss erhalten muss. Ist dies nicht der Fall, muss er ein bis sieben Tage nach seiner Vertragserklärung noch einmal an sein Widerrufsrecht erinnert werden.
Auch die Werbung für Kredite erfährt eine wesentliche Einschränkung. Während momentan noch weitreichend für die Kreditaufnahme geworben werden darf, sind einige Arten der Werbung künftig verboten. So legt die überarbeitete Richtlinie das Verbot von Werbung fest, in welcher
a) Verbraucher zur Kreditaufnahme ermutigt werden, indem suggeriert wird, ein Kredit würde ihre finanzielle Situation verbessern;
b) angegeben wird, dass laufende Kreditverträge oder in Datenbanken eingetragene Kredite geringen oder keinen Einfluss auf die Bewertung eines Kreditantrags hätten;
c) fälschlicherweise suggeriert wird, dass ein Kredit die Finanzmittel erhöhen, einen Ersatz für Ersparnisse darstellen oder den Lebensstandard eines Verbrauchers anheben würde.
(Art. 8 Abs. 7 VerbraucherkreditRL n.F.)
Den Mitgliedstaaten wird freigestellt, auch andere risikoreiche Kreditwerbung zu verbieten, zum Beispiel Werbung, die die schnelle Erhältlichkeit von Krediten hervorhebt. Soweit Werbung erlaubt ist, muss ein klarer und auffallender Warnhinweis enthalten sein, zum Beispiel durch den Hinweis „Achtung! Kreditaufnahme kostet Geld“. Die Lesbarkeit muss auf allen relevanten Medien gewährleistet sein, ggfs. auch auf dem Bildschirm eines Mobiltelefons.
Aufgrund der Klassifizierung von BNPL als Verbraucherdarlehen ist zukünftig die Kreditwürdigkeit jedes Verbrauchers bei Anfrage einer BNPL-Bezahlvariante durch den Zahlungsdienstleister zu prüfen, bevor die entsprechende Finanzierung zugesagt wird. Bisher standen regelmäßig lediglich die Anfragen auf Ratenzahlung unter dem Vorbehalt einer solchen Prüfung. Nun hat die Bonitätsprüfung auch bei allen BNPL-Optionen und auch bei Kleinstkrediten unter 200 Euro zu erfolgen. Der Kreditvertrag darf nur genehmigt werden, wenn es nach Überprüfung der finanziellen und wirtschaftlichen Situation des Kreditnehmers wahrscheinlich ist, dass er seine Verpflichtungen aus dem Kreditvertrag erfüllen kann. Während die Bewertung der Kreditwürdigkeit bisher nur anhand ausreichender Informationen erfolgte, verlangt die neugefasste Richtlinie zukünftig eine „eingehende Prüfung der Kreditwürdigkeit des Verbrauchers“. Der Umfang der Prüfung soll jedoch unter Berücksichtigung von Art, Laufzeit, Höhe und Risiken des Kredits für den jeweiligen Verbraucher verhältnismäßig ausgestaltet sein. Außerdem stellt der Richtlinientext klar, dass die Kreditwürdigkeitsprüfung im Interesse des Verbrauchers zu erfolgen hat, um unverantwortliche Kreditvergabepraktiken und Überschuldung zu verhindern.
BNPL-Finanzierungen müssen zukünftig außerdem schriftlich abgeschlossen werden und der Verbraucher muss eine Vertragsabschrift „auf Papier oder einem anderen dauerhaften Datenträger“ erhalten. Dies soll dem Verbraucher die leichtere Aufbewahrung von Kreditinformationen ermöglichen und eine dauerhafte Lesbarkeit von Informationen gewährleisten. Die Wahl des dauerhaften Datenträgers soll dem Verbraucher überlassen werden, soweit er sich für eine gängige Art von Datenträger entscheidet.
Im Hinblick auf die neu in den Anwendungsbereich aufgenommenen Kreditverträge überlässt die Richtlinie den Mitgliedstaaten die Entscheidung, bestimmte Regelungen in Bezug auf die Werbung, die vorvertraglichen und vertraglichen Informationen auszuschließen, um eine unnötige Belastung der Kreditinstitute zu vermeiden.
Umsetzung in deutsches Recht
Der nationale Gesetzgeber hat bis zum 20. November 2025 Zeit, die überarbeitete Verbraucherkreditrichtlinie in deutsches Recht umzusetzen. Änderungen dürften sich primär in den entsprechenden Regelungen des BGB und EGBGB ergeben. Die Vorlage eines entsprechenden Referentenentwurfs einschließlich einer Regulierung der BNPL-Varianten ist laut dem zuständigen Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (BMUV) noch im Spätsommer 2024 geplant. Die Anwendung des entsprechenden Gesetzes ist laut Richtlinie (spätestens) ab dem 20. November 2026 vorgesehen, wobei es den EU-Staaten freisteht, das Gesetz bereits zu einem früheren Zeitpunkt gelten zu lassen. Inwiefern der deutsche Gesetzgeber davon Gebrauch machen wird, bleibt abzuwarten.
Für Anbieter der BNPL-Bezahloption bedeutet dies, dass sie ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens deutlich strengere Regeln in Bezug auf vorvertragliche Informationen, Werbung, Kreditwürdigkeitsprüfung, Vertragsinhalt, Formvorschriften und Widerrufsregeln beachten müssen. Die betroffenen Unternehmen, die BNPL-Optionen im Verhältnis B2C anbieten, sollten sich bereits frühzeitig mit den damit verbundenen Veränderungen auseinandersetzen. Gerne sind wir hierbei behilflich!
* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.