Die Vorbereitungen für die Einführung eines digitalen Euros schreiten weiter voran – wie positionieren sich Gesetzgeber und Marktteilnehmer?
Neben der EZB und den Zentralbanken des Eurosystems ist mittlerweile auch der EU-Gesetzgeber aktiv geworden. Auch die Finanzindustrie befasst sich vertieft mit möglichen Use Cases eines digitalen Euros und der Integration in bestehende Systeme. Wir geben einen Überblick zum aktuellen Stand, möglichen Anwendungsbereichen und noch offenen Fragen rund um den digitalen Euro.
Einführung eines digitalen Euros: Die Vorbereitungsphase
Nach Abschluss der vorausgegangenen Untersuchungsphase befindet sich der digitale Euro aktuell in der sog. Vorbereitungsphase, die am 1. November 2023 begonnen hat. Diese Vorbereitungsphase wird in zwei Teile unterteilt: Der erste, bereits begonnene Teil, soll etwa zwei beziehungsweise nach Aussage des Europäischen Rates drei Jahre dauern. In diesem Rahmen sollen die Grundlagen für die mögliche Ausgabe eines digitalen Euros geschaffen werden, wie die Schaffung einer entsprechenden Regelungsgrundlage und einer Ausgabestrategie. Daneben sollen in dieser Phase Tests und Versuche durchgeführt werden, um den digitalen Euro möglichst weit an die Bedürfnisse der Nutzer anzupassen und trotzdem den Anforderungen des Eurosystems gerecht zu werden. Wichtige Aspekte für diesen Prozess sind neben dem Nutzungserlebnis und dem Datenschutz auch die finanzielle Inklusion und der ökologische Fußabdruck. Grundlage hierfür sind die Gestaltungsmerkmale und technischen Anforderungen, die als Ergebnisse der vorausgegangenen Untersuchungsphase festgelegt wurden.
Am Ende der ersten Teilphase soll über die Einleitung der zweiten Phase entschieden werden. Erst in dieser zweiten Phase wird dann über die Ausgabe des digitalen Euros entschieden, nachdem der Gesetzgebungsprozess der Europäischen Union abgeschlossen ist. So kann der digitale Euro an gesetzliche und technische Anforderungen, die sich im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses ergeben, angepasst werden. Inzwischen wird mit der Einführung des digitalen Euros erst im Jahr 2028 gerechnet, sofern die gesetzliche Grundlage bis dahin gegeben ist. Derzeit berät der Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments über den Entwurf für eine Verordnung zur Einführung eines digitalen Euros, bevor die erste Lesung im Plenum Ende April 2024 stattfinden soll.
Nutzung durch App – online und offline
Nach den Ergebnissen der vorangegangenen Untersuchungsphase soll der digitale Euro durch beaufsichtigte Intermediäre, wie Banken oder Zahlungsdienstleister, bereitgestellt werden und dadurch für natürliche wie juristische Personen allgemein zugänglich und nutzbar sein. Derzeit werden für die Bereitstellung mehrere (kumulativ in Betracht kommende) Möglichkeiten diskutiert: Neben der Nutzung im digitalen Raum durch eine eigene App und Online-Schnittstelle des jeweiligen persönlichen Zahlungsdienstleisters oder eine „Digitaler-Euro-App“ des Eurosystems ist, um die finanzielle Inklusion zu gewährleisten, auch eine analoge Nutzungsmöglichkeit vorgesehen. Angedacht hierfür ist die Speicherung auf einer Karte, um hiermit bezahlen oder den digitalen Euro in Bargeld tauschen zu können.
Single Currency Package als rechtliche Grundlage veröffentlicht
Vor Einleitung der sog. Vorbereitungsphase hatte die Kommission am 28. Juni 2023 das zugehörige Gesetzgebungspaket, das sog. Single Currency Package, veröffentlicht. Bestehend aus drei Verordnungsvorschlägen regeln diese Entwürfe die Einführung des digitalen Euros, den Status von Euro-Banknoten und -Münzen als gesetzliches Zahlungsmittel und die Anforderungen bei Erbringung von Diensten im Zusammenhang mit dem digitalen Euro durch EU-Zahlungsdienstleister mit Sitz außerhalb der Eurozone.
Übersicht Regelungen des Verordnungsentwurfs vom 28. Juni 2023 – COM (2023) 369 final
Der Entwurf der Verordnung zur Einführung eines digitalen Euros (VO-E-DE) soll den Euro durch die neue Form als digitalen Euro an den technologischen Wandel anpassen und die Nutzung als einheitliche Währung gewährleisten, vgl. Art. 1 VO-E-DE.
Die Definition des digitalen Euros in Art. 2 Nr. 1 VO-E-DE als digitale Form der einheitlichen Währung gibt wenig Aufschluss über seine tatsächliche, insbesondere technische, Ausgestaltung, jedoch lässt sich aus den folgenden Vorschriften ein genaueres Bild herstellen. Im Unterschied zu den auf Blockchain-basierenden Kryptowährungen in Form von sog. Currency Token, stellt der digitale Euro ausweislich Art. 4 Abs. 2 VO-E-DE eine direkte Verbindlichkeit gegenüber der EZB dar. Damit ist der digitale Euro als sog. Retail CBDC anzusehen, dessen Nutzerkreis jedoch durch die Bestimmungen des Art. 13 Abs. 1 VO-E-DE beschränkt ist.
Der digitale Euro soll gesetzliches Zahlungsmittel sein – inklusive Annahmezwang
Um die Einheitlichkeit der Währung, d.h. die Gleichstellung und die gleiche Werthaltigkeit des digitalen Euros mit den übrigen Euro-Noten, zu wahren, wird der digitale Euro als gesetzliches Zahlungsmittel anerkannt, womit eine grundsätzliche Annahmepflicht und die Erfüllungswirkung einhergeht, vgl. Art. 7 VO-E-DE. Diese gilt jedoch in den eng umgrenzten Ausnahmefälle der Artt. 9 und 11 VO-E-DE nicht, wie beispielsweise bei Kleinstunternehmen, die auch keine vergleichbaren digitalen Zahlungsmittel akzeptieren. Vergleichbare digitale Zahlungsmittel sind nach Art. 2 Nr. 25 VO-E-DE digitale Zahlungsmittel, einschließlich Debitkartenzahlungen und Sofortzahlungen am Interaktionspunkt, aber ohne Überweisungen und Lastschriften, die nicht am Interaktionspunkt ausgelöst werden. Weiterhin vorgesehen ist auch die Möglichkeit, ein anderes Zahlungsmittel im Rahmen der Privatautonomie zu bestimmen. Nicht möglich ist die Vereinbarung eines anderen Zahlungsmittels und damit der Ausschluss des digitalen Euros durch die Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, was sich aus Art. 10 VO-E-DE ergibt.
Zahlungsdienstleister müssen Systeme für digitalen Euro bereitstellen
Die Bereitstellung durch die Zahlungsdienstleister ist in den Artt. 13 und 14 VO-E-DE geregelt. Hierbei sind neben der Bereitstellung von Funktionen zur Aufladung und Auszahlung des digitalen-Euro-Kontos (DE-Konto) insbesondere die Funktionen für den sog. Waterfall- bzw. reverse-waterfall-Effekt relevant. Dabei handelt es sich um automatische Umbuchungen von/auf das mit dem DE-Konto verbundenen „gewöhnlichen“ Zahlungskonto für den Fall, dass die Haltegrenze überschritten werden.
Art. 14 VO-E-DE verpflichtet die zahlungskontenführenden Kreditinstitute, Kunden auf deren Antrag hin, alle grundlegenden Zahlungsdienste im Zusammenhang mit dem digitalen Euro anzubieten, sofern diese in einem Euro-Staat wohnhaft sind. Zudem sind hier Obliegenheiten („sollten“) hinsichtlich der digitalen und finanziellen Inklusion vorgesehen.
Art. 17 VO-E-DE sieht enge Vorgaben für die Höhe der Gebühren für Zahlungsdienste vor. Von zwei alternativen Berechnungsmethoden ist jeweils der niedrige Betrag als Obergrenze für die Gebührenfestlegung entscheidend. Bezugspunkte sind entweder die dem Zahlungsdienstleister entstandenen Kosten oder die für vergleichbare Zahlungsmittel verlangten Gebühren/Entgelte.
Haltegrenzen für digitale Euros – Vorsicht vor Banken-Run und Geldwäsche
Nach Art. 15 und 16 VO-DE sind Vorgaben zur Begrenzung der Wertaufbewahrungsfunktion vorgesehen, u.a. soll der digitale Euro unverzinst sein. Hierfür sind insbesondere auch die intensiv diskutierten Haltegrenzen gedacht, die einen ungeregelten Abfluss von Einlagen verhindern und so die Finanzmarktstabilität absichern sollen. Insbesondere deutsche Institutionen plädieren hier für niedrige Grenzen in Höhe weniger hundert Euro, ähnlich dem was die meisten „auch jetzt bar im Portemonnaie“ haben. Die EZB hält hier dagegen, dass durch direkte Verbindung zum jeweiligen Girokonto (s.o. „Waterfall-Effekt“) gar kein Bedürfnis bestehe hohe Summen als digitalen Euro vorzuhalten.
Einzelheiten zu Zugang, technischen Anforderungen und Schutz der daten
Der Zugang und die Nutzung des digitalen Euros außerhalb des Euro-Währungsgebiet sind in den Artt. 18-21 VO-E-DE geregelt und unterscheiden sich danach, ob es sich bei dem betreffenden Staat um einen EU-Mitgliedstaat, aber keinen Eurostaat, handelt oder um einen Drittstaat.
Die Anforderungen an die technischen Anforderungen ergeben sich aus den Art. 22-24 VO-E-DE und nehmen neben der Nutzerfreundlichkeit insbesondere auch die finanzielle Inklusion in den Fokus. Der digitale Euro soll daher online wie offline, mit oder ohne angeschlossenes Zahlungskonto nutzbar und vollständig fungibel sein. Zudem soll er möglichst weit mit den privaten digitalen Zahlungslösungen kompatibel sein. Benutzeroberflächen können sowohl durch die EZB als auch durch die einzelnen Zahlungsdienstleister bereitgestellt werden. Im Gegensatz zu den dezentral organisierten privaten Kryptowährungen wie Bitcoin, Ether, etc. wurde hier ein zentralisiertes System gewählt.
Art. 34-36 VO-E-DE sieht Regelungen zum Schutz der Privatsphäre und der Daten vor, die von den Regelungen zur Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung des Art. 37 VO-E-DE flankiert werden. Die Verarbeitung der festgelegten personenbezogenen Daten wird als öffentliche Aufgaben eingeordnet und soll unter Verwendung modernster Sicherheits- und Datenschutzmaßnahmen stattfinden. Im Rahmen der Geldwäsche-Verfolgung werden insbesondere die Offline-Zahlungen in Betracht genommen, bei denen die Zahlungsdienstleister die Daten über Aufladung oder Auszahlung bei einem entsprechenden Verdacht übermitteln müssen. Hinsichtlich des Spannungsfelds zwischen Datenschutz und Geldwäschebekämpfung ist die Situation im Wesentlichen dieselbe wie bei der Verwendung von Bar- und Buchgeld.
Die Schlussbestimmungen legen der EZB regelmäßige Berichtspflichten auf und geben an, wann die Verordnung in Kraft tritt. Zudem wird klargestellt, dass der EZB die Entscheidungsbefugnis über die Einführung eines digitalen Euros und deren Höhe zukommt, was sich bereits aus den europäischen Verträgen und deren Kompetenzgefüge ergibt.
Mögliche Anwendungsbereiche / Use Cases eines digitalen Euros
Als mögliche und vor allem notwendige Anwendungsfelder, um dem digitalen Euro eine zukunftsträchtige Grundlage zu bieten, wird vielfach die Möglichkeit von sog. bedingten Zahlungen durch die Verbindung des digitalen Euros mit sog. Smart Contracts gefordert. Smart Contracts sind keine Verträge nach klassischem juristischen Verständnis, sondern bezeichnen Anwendungen beziehungsweise Computerprogramme, die in einem Distributed-Ledger-Technologie (DLT)-System gespeichert sind und durch entsprechende Programmierung bei einem auslösenden Ereignis (Bedingung) eine bereits vorher festgelegte rechtliche Bindung begründet. Dadurch sollen automatische Zahlungen von Maschine zu Maschine möglich werden, zum Beispiel könnte ein entsprechend programmiertes Auto, das mit einem digitalem Euro-Konto verbunden ist, die Tankfüllung selbstständig bezahlen ohne dass es einer zahlungsauslösenden Aktivität des Nutzers bedarf.
Wichtig ist hierbei zwischen sog. programmierbaren Zahlungen und dem sog. programmierbaren Geld zu unterscheidend. Programmierbare Zahlungen meinen Überträge von Geld, bei denen Zeitpunkt, Betragshöhe und/oder Art des Übertrags durch vorher vorgegebene Bedingungen bestimmt werden (d.h. nicht ad hoc beim Zahlungsvorgang). Diese können die geldseitige Abwicklung von komplizierten Geschäftsprozessen unter Berücksichtigung der Erfüllung vorgegebener Bedingungen ermöglichen. Auslöser einer Zahlung kann jedes messbare Ereignis sein, wie beispielsweise die Erbringung einer Dienstleistung. Programmierbares Geld hingegen meint Konstellationen, in dem die Bedingung unmittelbar in dem digitalen Geldstück hinterlegt ist. Als Beispiele für solche programmierbaren Zahlungen können hier z. B. automatisch ausgelöste Zahlungen für die Bestellung eigener Ersatzteile von Maschinen (Internet of Things, IoT), für das Laden und Bezahlen von Strom zu den günstigsten Marktbedingungen oder für die Bezahlung von Versicherungen und Leasing- und Wartungsgebühren auf Basis der Nutzung (Pay-per-Use) genannt werden.
Daneben wird selbstverständlich auch die Nutzung „als digitales Bargeld“ in Betracht gezogen, d.h. die Nutzung durch Verbraucher z.B. im Ladengeschäft oder E-Commerce oder zwischen privaten und staatlichen Stellen. Dies folgt auch aus der Ausgestaltung als staatliche Währung mit allgemein geltendem Annahmezwang. Hier ist, insbesondere als Vorteil gegenüber einer Girokarte, auch die Problematik über den Zugang zu Bargeld im (EU-) Ausland, der bisher i.d.R. mit recht hohen Gebühren verbunden ist, zu berücksichtigen. Dies wäre durch den digitalen Euro nicht mehr nötig.
Sollte sich eine flächendeckende Nutzung durchsetzen, ist für die Unternehmen besonders die Unmittelbarkeit der Zahlung mit digitalen Euros gleich einer Zahlung mit Bargeld vorteilhaft. Im Gegensatz zu Zahlungen mit Giro- oder Kreditkarten, bei denen die Wertstellung erst nach einiger Zeit erfolgt, würde die entsprechende Summe bei einer Zahlung mit digitalen Euros augenblicklich dem Konto bzw. der Wallet des Unternehmens gutgeschrieben werden. Damit ist die Zahlung mit digitalen Euros ähnlich unmittelbar wie die Übergabe von Bargeld.
Wirtschaft sieht Einführung des digitalen Euros überwiegend positiv
Für einen Wholesale-CBDC werden Use Cases vor allem auch im kommerziellen Interbankenhandel gesehen, wenn dieser programmierfähig durch die EZB ausgestaltet wird. Insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ist der digitale Euro als preisgünstige Alternative zur Entgeltabfuhr an kartenbasierte Bezahlsysteme interessant. Diese Einsatzmöglichkeit begründet auch die starke Nachfrage der deutschen Wirtschaft nach der Einführung eines digitalen Euros. In einer kürzlich erfolgten Umfrage haben sich über achtzig Prozent der Befragten aus der deutschen Wirtschaft für die Einführung eines digitalen Euros ausgesprochen. Allerdings sollen die Haltegrenzen auch für Unternehmen gelten und so die Einlagenbasis der Banken schützen. Somit kann der digitale Euro von Unternehmen zwar genutzt werden, um Transaktionen durchzuführen, jedoch muss dies stets mit der Anbindung an ein Zahlungskonto stattfinden, um durch die (reverse) Waterfall Effekte ohne größeren Aufwand zahlungsfähig zu bleiben bzw. weiterhin Zahlungen empfangen zu können.
Details über Ausgabe noch unklar – Verschiedene europäische Beispiele bereits im Einsatz
Nach dem bisher verfolgten Modell würden die Zentralbanken des Eurosystems die digitalen Euros ausgeben, jedoch Banken und Zahlungsdienstleister diese an die Bevölkerung verteilen. Insofern ist eine Verzahnung mit bestehenden Marktteilnehmern elementar und auch ausdrücklichen vorgesehen.
So gibt es in den einzelnen Mitgliedstaaten bereits verschiedene Systeme mit ähnlichem Hintergrund. Beispielsweise in Belgien und Luxemburg vertreten ist die App Payconiq, die von Privatkundenbanken betrieben wird und den Nutzern ermöglicht, kostenlos Geld von ihren Bankkonten zu überweisen. Ähnlich der Planung für den digitalen Euro ist Payconiq sowohl im Einzelhandel als auch im Online-Handel einsetzbar, kann aber auch dazu genutzt werden Rechnungen zu begleichen oder schnell Zahlungen an Bekannte vorzunehmen. In Spanien hat sich die Bezahl-App Bizum durchgesetzt, bei der allein die Mitteilung der Handynummer ausreicht, um eine Zahlung empfangen zu können, die dann lediglich durch Öffnung eines Links bestätigt werden muss. Die App wird überwiegend zwischen Privaten genutzt, findet jedoch inzwischen auch Anklang bei Freiberuflern und kleineren Unternehmen. Allerdings ist der Nutzbarkeit von Bizum im wahrsten Sinne eine Grenze gesetzt: Transaktionen sind nur zwischen spanischen Konten möglich, da es sich um eine Organisation der größten spanischen Banken handelt. Über Bizum sollen vor allem kleinere Beträge übertragen werden, was durch eine Höchstgrenze des Transaktionsvolumen pro Monat von 1.000 Euro sichergestellt wird. Ein grenzüberschreitender Zahlungsverkehr wie es der digitale Euro ermöglichen soll ist weder durch Bizum noch durch Payconiq möglich. Auch handelt es sich hierbei nur um Zahlungsauslöser, d.h. die jeweilige Transaktion wird dann per gewöhnlicher Überweisung vorgenommen. Der digitale Euro hingegen wird unmittelbar übertragen, vergleichbar mit der unmittelbaren persönlichen Übergabe einer Euro-Banknote.
Digitaler Euro und „Wero“ könnten kombiniert werden
Parallel zu den Plänen der Europäischen Union hat im Rahmen der European Payment Initiative (EPI) ein Zusammenschluss europäischer Banken und Zahlungsdienstleister einen eigenen Zahlungsdienst entwickelt. „Wero“ soll als digitale Wallet-Lösung Zahlungen zwischen den teilnehmenden Unternehmen schnell und unkompliziert möglich machen und dabei „beispiellose Transparenz und Kontrolle“ bieten. In Zukunft soll Wero durch weitere Funktionen erweitert werden wie buy-now-pay-later-Möglichkeiten, digitale Identifikationsprogramme und der Integration von Treueprogrammen. Ebenso so wie der digitale Euro ist Wero als Alternative zu den (vorwiegend amerikanischen) am Markt bereits etablierten Zahlungssystemen wie Paypal, Visa oder Mastercard gedacht. Auf dem Weg zu einem einheitlichen europäischen Zahlungssystem hat EPI auch die dänische Bezahllösung iDeal sowie das luxemburgische Payconiq (s.o.) einbezogen.
Bisher sind jedoch nur Zahlungsdienstleister und Banken aus Deutschland, Belgien, Frankreich und den Niederlanden am EPI beteiligt. Eine gesamteuropäische Zahlungsmöglichkeit stellt Wero somit noch nicht da. Starten soll die Nutzung von Wero im Juni 2024 zunächst mit Handy-zu-Handy-Zahlungen, bevor schrittweise auch die Zahlung im Online- und dann ab 2025 auch im stationären Handel möglich sein soll. Aufgrund der zunehmenden Anzahl teilnehmender Zahlungsdienstleister und Banken wird das Verhältnis zum digitalen Euro kontrovers gesehen. Wo manche eine Doppelstruktur und damit einhergehenden Innovationsverlust befürchten, sehen andere komplementäre Strukturen. So könnte der digitale Euro beispielsweise über Wero genutzt und so eine Integration in die bestehenden Strukturen vorgenommen werden.
Mögliche Marktverzerrungen gegenüber bestehenden Zahlungsdiensten?
Die digitalen Euros müssen, im Unterschied zu den normalen Banknoten, die ohne einen Intermediär direkt übertragen werden können, im Rahmen von Zahlungsdiensten übertragen werden. Die jeweiligen Zahlungsdienstleister übernehmen diese Zahlungsdienste mit dem digitalen Euro auf eigene Rechnung im Auftrag ihrer Kunden, womit faktisch ein kontobasiertes Intermediär-Modell eingeführt wird, welches als alternatives Zahlungssystemen in direkter Konkurrenz zu den bereits am Markt etablierten Zahlungssystemen steht. Dies wird von verschiedenen Interessenverbänden insbesondere hinsichtlich der strengen Vorgaben für die Festlegung der (voraussichtlich niedrigen) Gebühren als wettbewerbsverzerrend gesehen. Als mögliche nachteilige Folgen werden eine Schwächung des europäischen Bankensektors und eine Hemmung der privatwirtschaftlichen Innovationen befürchtet. Statt einer Ausgestaltung des digitalen Euros mit einem vollständig integrierten, hoheitlichen Zahlungsverfahren, soll dieser demnach ausschließlich als Zahlungsmittel ausgestaltet werden, um nicht mit dem bereits etablierten privatwirtschaftlichen Zahlungssystem zu konkurrieren. Als Zahlungsmittel soll der digitale Euro dann nur grundlegende Bezahlfunktionen sowie Ein- und Auszahlungen aus der digitalen Kunden-Wallet umfassen und durch ein niedriges dreistelliges Haltelimit begrenzt sein. Zudem soll die Vergütung der Finanzintermediäre vollständig dem Markt überlassen werden, damit in zusätzliche innovative Zahlungsdienste investiert werden kann.
„Sicheres“ digitales Zentralbankgeld fördert Gefahr eines Bank Runs
Bemängelt wird zudem die erhöhte Gefahr eines Bank Runs, der zu erheblichen Abzügen des Kapitals bei den Banken führen würde. Kunden würden dann große Mengen Geld von ihren Konten auf digitaler-Euro-Konten schieben und so den Banken das Kapital entziehen. Dies würde wiederrum zu höheren Kreditzinsen für alle führen bzw. einen sog. Credit Crunch nach sich ziehen und wäre somit grundsätzlich eher nachteilig für die Wirtschaft. Daher werden insbesondere aus der deutschen Bankengemeinschaft sehr niedrig angesetzte Haltegrenzen gefordert. Allerdings wird insbesondere von Seiten der EZB dagegengehalten, dass dies die Nutzbarkeit des digitalen Euros unverhältnismäßig einschränken würde. Dass der digitale Euro gerade nicht als eine zusätzliche Möglichkeit der Wertanlage genutzt werden soll, zeige sich daran, dass die digitale-Euro-Wallet unverzinst bleiben soll. Hierdurch soll das Halten größerer Mengen an digitalen Euros wirtschaftlich unattraktiv sein, um den befürchteten Abzug größerer Summen zu vermeiden. Zudem bestehe durch die Reverse-Waterfall-Effekte auch nicht die Notwenigkeit größere Summen vorzuhalten, da hierdurch wie automatisch die Konten neu aufgefüllt werden können.
Die Gefahr, dass im Falle einer akuten Bankenkrise eine erhebliche Umschichtung von Bankguthaben in „sicheres Zentralbankgeld“ in Form von digitalen Euros stattfindet, bestehe jedoch nicht nur im Zusammenhang mit dem digitalen Euro, sondern kann im gleichen Maß mit Bargeld vorgenommen werden. Für das Halten von Bargeld sind jedoch keine Obergrenzen vorgesehen und trotzdem haben die Erfahrungen aus der Finanzkrise 2008 gezeigt, dass es wahrscheinlicher ist, dass die Kontoinhaber ihr Geld auf Konten bei „sicheren/stabilen“ Banken transferieren, anstatt erhebliche Mengen Zentralbankgeld abzuziehen. Letztlich ist zu bedenken, dass die Zentralbanken in Finanzkrisen auch die Banken stützen und somit die Auswirkungen eines Bank Runs abfedern können. In der Summe aus eventuellen Halteobergrenzen, der fehlenden Verzinsung, dem reverse Waterfall Effekt und der fehlenden Möglichkeit für Unternehmen größere Mengen vorzuhalten ist daher aus Sicht des EU-Gesetzgebers zu erwarten, dass die Volumina an gehaltenen digitalen Euros moderat sein werden.
Digitalisierungs-Dauerbrenner Datenschutz
Wie so oft im Rahmen von Digitalisierungsprojekten ist auch hinsichtlich des digitalen Euros der Datenschutz diskussionsbedürftig und das sowohl in Deutschland als auch auf internationaler Ebene. Insbesondere die angestrebte Online-Nutzung stößt auf Bedenken. Allerdings ist festzustellen, dass sich nur wenige Unterschiede zur jetzigen Lage ergeben würden. Die Online-Transaktionen mit dem digitalen Euro würden ähnlich dokumentiert wie Überweisungen, bei Offline-Zahlungen würden nur Auf- und Entladungen des jeweiligen Kontos erfasst, ähnlich wie jetzt auch Bargeldein- und Auszahlungen bei Konten erfasst werden. Ein erheblicher Informationszuwachs besteht somit nicht.
Als Vorteile wurden in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages unter anderem aufgeführt, dass bei Zahlungen des Staates an den Bürger diese nun direkt an den Bürger erfolgen könnten, beispielsweise Bürgergeld oder Kindergeld. Somit könnten Zwischenschritte bei der Auszahlung von Hilfsleistungen und sonstigen staatlichen Geldern, den jeweils berechtigten Bürgern schneller und unkomplizierter zur Verfügung gestellt werden. Hierbei sollte indes berücksichtigt werden, dass hinsichtlich staatlicher Subventionen Vorsicht an den Tag zu legen ist und die direkte Möglichkeit der Leistungszuwendung sich nicht auf den Umfang der Leistungen auswirkt.
Digitaler Euro: Wie geht es weiter?
Zwar wird eine Einführung des digitalen Euros zum ursprünglichen Termin 2026 inzwischen für unwahrscheinlich gehalten, jedoch ist mit der Einführung spätestens 2028 zu rechnen. Gerade im Hinblick auf den Schutz europäischer Kundendaten und der Zukunftsfähigkeit des Euros als einheitliche Währung , sind die europäischen Gesetzgebungsorgane besonders interessiert daran dem digitalen Euro zu einem baldigen und erfolgreichen Start zu verhelfen. Welche Folgen dies für Zahlungsdienstleister, Unternehmen und Verbraucher im Einzelnen bedeutet, bleibt noch abzuwarten. In jedem Fall ist davon auszugehen, dass mit dem digitalen Euro zahlreiche Erleichterungen im Alltag aller einhergehen werden.
Zudem bedarf ein digitaler Euro eines entsprechenden Rückhalts in der Gesellschaft, was angesichts eher zögerlicher Umfragewerte noch abzuwarten bleibt und letztlich davon abhängt, ob der digitale Euro für den Verbraucher tatsächliche Vorteile mit sich bringt. Einen solchen Vorteil für die Verbraucher könnte der digitale Euro insbesondere in der Verbindung mit den erläuterten smart contracts mit sich bringen, um wiederkehrende, vorhersehbare Zahlungen ohne weiteren Input durch den Benutzer auszulösen und so alltägliche Abläufe einfacherer und schneller zu gestalten.