Der EuGH hat entschieden, dass die Informationen im Transparenzregister von der breiten Öffentlichkeit nicht uneingeschränkt eingesehen werden dürfen.
In einer sehr relevanten Entscheidung hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) am 22. November 2022 (Rs. C‑37/20 und C‑601/20) klargestellt, dass der uneingeschränkte Zugang der Mitglieder der Öffentlichkeit zu den personenbezogenen Daten von wirtschaftlich Berechtigten in den europäischen Transparenzregistern gegen die EU-Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten nach Art. 7 bzw. 8 der Charta der Grundrechte der EU verstößt.
Am 12. Dezember 2022 wurde bekanntgegeben, dass aufgrund dieser Entscheidung die registerführende Stelle in Gestalt der Bundesanzeiger Verlag GmbH den Anträgen der Mitglieder der Öffentlichkeit auf Einsichtnahme in das Transparenzregister nur stattgebe, wenn ein berechtigtes Interesse an einer Einsichtnahme dargelegt wird. Ein berechtigtes Interesse können bspw. Recherchen von Fachjournalisten* zu Themen der Wirtschaftskriminalität darstellen.
Im Transparenzregister hinterlegte personenbezogene Informationen seit Umsetzung der 5. EU-Geldwäscherichtlinie uneingeschränkt einsehbar
In Deutschland und vielen weiteren EU-Mitgliedsstaaten können im Transparenzregister hinterlegte personenbezogene Informationen zu wirtschaftlich Berechtigten seit der Umsetzung der 5. EU-Geldwäscherichtlinie von allen Mitgliedern der Öffentlichkeit, d.h. von jedermann, ohne Zugangsbeschränkung eingesehen werden. Gem. der EU-Richtlinie und den nationalen Gesetzen haben wirtschaftlich Berechtigte jedoch auch die Möglichkeit, den Zugang der breiten Öffentlichkeit zu ihren persönlichen Daten im Transparenzregister auf Antrag in bestimmten Fällen zu beschränken.
In Luxemburg klagten eine Gesellschaft sowie deren wirtschaftlich Berechtigter gegen die Entscheidung der registerführenden Stelle, den Zugang zu den sie betreffenden Informationen nicht zu beschränken. Das mit der Sache befasste Gericht hatte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verbreitung der personenbezogenen Daten über das luxemburgische Register und reichte beim EuGH eine Reihe von Vorlagefragen ein.
EuGH erklärt Regelungen in der 5. EU-Geldwäscherichtlinie zur Offenlegung der Daten im Transparenzregister für unvereinbar mit Art. 7 bzw. 8 der Charta der Grundrechte
Die Luxemburger Richter stellten fest, dass der Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu den Informationen über wirtschaftlich Berechtigte im Luxemburger Transparenzregister unverhältnismäßig ist und einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten nach Art. 7 bzw. 8 der Charta der Grundrechte der EU darstellt. Die entsprechende Regelung in der 5. EU-Geldwäscherichtlinie ist daher ungültig.
Die Regelung der Geldwäscherichtlinie kann zwar grds. die schwerwiegenden Eingriffe in die Grundrechte rechtfertigen, da sie mittels erhöhter Transparenz ein Umfeld schafft, das weniger leicht für Zwecke der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung genutzt werden kann und einer dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung, der Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, dient.
Allerdings machten die Richter des EuGH deutlich, dass der Eingriff, den diese Maßnahme mit sich bringt, weder auf das absolut Erforderliche beschränkt ist noch in einem angemessenen Verhältnis zur verfolgten Zielsetzung steht. Dafür zogen sie die Vorgängerregelung in der 4. EU-Geldwäscherichtlinie in Gestalt der Zugangsbeschränkung heran, die bis zum 31. Dezember 2019 auch in Deutschland galt und wonach Mitglieder der Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse vorweisen mussten, um Zugang zu den Daten im Transparenzregister zu erhalten.
Die europäischen Richter sahen aufgrund der Abschaffung dieser Zugangsbeschränkung einen erheblich schwereren Eingriff in die EU-Grundrechte, ohne dass diese zusätzliche Schwere durch etwaige Vorteile kompensiert würde, die sich aus der neuen Regelung im Vergleich zur Vorgängerregelung ergeben könnten.
Aktuelle Regelungen aus datenschutzrechtlicher Sicht unzureichend
Dieser schwere Eingriff in die EU-Grundrechte kann nach Auffassung des EuGH auch weder durch eine erforderliche Online-Registrierung vor einer Einsichtnahme noch durch die Möglichkeit, Ausnahmen vom Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu den Informationen im Transparenzregister zu beantragen, gerechtfertigt werden.
Diese fakultativen Bestimmungen der EU-Geldwäscherichtlinien, die in Deutschland im GwG und in den Verordnungen zum Transparenzregister umgesetzt wurden, sind als solche weder geeignet zu belegen, dass eine ausgewogene Gewichtung der dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung und der in den Art. 7 und 8 der Charta der EU-Grundrechte verankerten Grundrechte vorgenommen wurde, noch bestehen hinreichende Garantien, die es den betroffenen Personen ermöglichen, ihre personenbezogenen Daten wirksam gegen Missbrauchsrisiken zu schützen.
EU-Mitgliedsstaaten sperren Einsichtnahme in ihre Register
Die Verfassungsmäßigkeit des Transparenzregisters an sich sowie auch des Zugangs der breiten Öffentlichkeit zu personenbezogenen Daten der wirtschaftlich Berechtigten wurde seit der Einführung des Registers bezweifelt und war in jedem Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der Geldwäscherichtlinien Gegenstand von Diskussionen. Nun haben die Luxemburger Richter eine klare Linie gezogen, indem sie feststellen, dass die Öffentlichkeit ohne berechtigtes Interesse keinen Zugang zu den Daten der wirtschaftlich Berechtigten erhalten darf.
In Luxemburg und in der Folge auch in weiteren EU-Mitgliedsstaaten ist es seit der Veröffentlichung des Urteils am 22. November 2022 für Mitglieder der Öffentlichkeit nicht mehr möglich, uneingeschränkt auf das Register zuzugreifen. Auch in Deutschland wird das Urteil dergestalt umgesetzt, dass der Bundesanzeiger Verlag zur Herstellung eines unionsrechtskonformen Zustands den Zugang für die Öffentlichkeit bis auf Weiteres unter die Bedingung eines „berechtigten Interesses“ gestellt hat.
*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.