Damit ein Umzug von Finanzinstituten nach Deutschland gelingt, müssen Erlaubnisverfahren frühzeitig vorbereitet werden.
171 Finanztechnologie-Startups (Fintechs) sind im Jahr 2017 in Deutschland nach einer Erhebung der comdirect („Fintech-Hub-Ranking″) neu gegründet worden. Ein ganz erheblicher Anteil dieser neuen Unternehmen hat seinen Sitz in Berlin.
Laut comdirect-Umfrage sind 228 von insgesamt 699 deutschen Fintechs in der deutschen Hauptstadt angesiedelt. Obwohl Frankfurt – auch für neu gegründete Finanzunternehmen – in Deutschland nach wie vor stärkster Standort ist, scheint Berlin eine immer größere Rolle zu spielen. Die Anziehungskraft Berlins, die sicherlich auch durch die vergleichsweise niedrigen Personal- und Lebenshaltungskosten bedingt ist, hat sich auch durch die Brexit-Entscheidung noch einmal spürbar erhöht.
Europäischer Pass für Finanzinstitute
Seit der Brexit-Abstimmung vom 23. Juni 2016 ist zu beobachten, dass zahlreiche in London ansässige Finanzinstitute und Unternehmen ihren Hauptgeschäftssitz für den europäischen Markt nach Deutschland verlagern oder dies wenigstens planen. Dafür stehen verschiedene Wege offen – z.B. die Gründung einer neuen Gesellschaft in Deutschland oder die Verlagerung der Geschäftsaktivitäten auf eine bereits bestehende deutsche Gesellschaft.
Zwar können auch Finanzinstitute aus Nicht-EU-Staaten eine Zweigniederlassung in Deutschland errichten: Nur über eine Tochtergesellschaft als Lizenznehmer haben sie aber die Möglichkeit, über den „EU-Pass″ in anderen EU-Staaten ihre Dienstleistungen anzubieten. Im Falle eines sogenannten „harten Brexits″ wird den im Vereinigten Königreich von der Financial Conduct Authority (FCA) zugelassenen Finanzinstituten mit hoher Wahrscheinlichkeit diese Möglichkeit somit nicht mehr offenstehen.
Endgültiger Austritt aus dem Binnenmarkt voraussichtlich nach Ablauf der zweijährigen Übergangsphase
Ein harter Brexit ist auch nach den jüngsten Verhandlungsfortschritten zwischen der EU und Großbritannien noch nicht vom Tisch. Die nun erzielte Einigung ermöglicht zwar den Übergang in die nächste Verhandlungsphase, sie bezieht sich aber nur auf die drängendsten Austrittsfragen, während das für die zukünftigen Wirtschaftsbeziehungen relevantere zukünftige Verhältnis zwischen der EU und Großbritannien noch ausgehandelt werden muss.
Die vom Europäischen Rat am 15. Dezember 2017 veröffentlichten „Verhandlungsleitlinien″ deuten darauf hin, dass das Vereinigte Königreich nach Ablauf einer zweijährigen Übergangsphase endgültig aus dem EU-Binnenmarkt ausscheiden wird. Die europäischen Grundfreiheiten würden damit für in Großbritannien ansässige Unternehmen nicht mehr gelten.
Nicht zuletzt die knappe parlamentarische Mehrheit von Theresa May erschwert zuverlässige Prognosen in dieser Angelegenheit: Noch in der vergangenen Woche ließ sich das Parlament gegen den Willen der Premierministerin ein Abstimmungsrecht über das Austrittsabkommen einräumen. Unternehmen müssen sich daher weiterhin auf das worst case scenario eines harten Brexits einstellen.
Umzug nach Deutschland frühzeitig planen
Die Regulierung durch die BaFin genießt international ein hohes Ansehen. Auch wir haben bisher durchaus positive Erfahrungen im Zusammenhang mit entsprechenden Erlaubnisverfahren gemacht. Zum einen hat die Verfahrensdauer sich nach unserer Beobachtung spürbar verkürzt und zum anderen zeigt die BaFin sich im Zusammenhang mit „einwandernden″ Finanzdienstleistungsinstituten im Allgemeinen sehr kooperativ und hilfsbereit.
Auch hat sich die BaFin offenbar gezielt auf die besonderen Belange ausländischer Unternehmen vorbereitet: Neben einer an ausländische Unternehmen gerichteten Website, kann beispielsweise auch ein Großteil der Antragsunterlagen in englischer Sprache eingereicht werden.
Da Erlaubnisverfahren für Finanzdienstleister naturgemäß zeitaufwendig sind, sollten diese natürlich dennoch sorgfältig und frühzeitig vorbereitet werden. Insbesondere in Großbritannien bereits etablierte und unter der FCA lizenzierte Finanzunternehmen haben aber nach unserer Erfahrung im Hinblick auf die zeitlichen und inhaltlichen Anforderungen eines Erlaubnisverfahrens in Deutschland von vornherein sehr realistische Erwartungen. Hintergrund hierfür dürfte die Ähnlichkeit mit dem bisherigen FCA-Lizenzverfahren sein, da sowohl das deutsche und als auch das britische Bankaufsichtsrecht letztlich auf denselben europäischen Rechtsgrundlagen beruhen.
Durch die bevorstehende Umsetzung der MiFID II in das deutsche Recht treten allerdings einige neue rechtliche Aspekte hinzu, die in einem Erlaubnisverfahren bei der BaFin bereits jetzt berücksichtigt werden müssen.
In eigener Sache: CMS betreut derzeit mehrere BaFin-Erlaubnisverfahren von bisher in England ansässigen Finanzdienstleistern, die sich durch Gründung (und Lizensierung) von Tochtergesellschaften in Deutschland die Möglichkeit erhalten wollen, über den EU-Pass ihre Dienstleistungen im gesamten EWR anzubieten.