Was haben die Jahre 1998, 2003 und 2013 gemeinsam? Nun, für Russen und russische Unternehmen waren alle drei schlechte Jahre. Sie verloren viel Geld, weil entweder – wie 1998 und 2003 – der Rubel an einem dramatischen Kursverfall litt oder – wie jüngst – eine Zwangsabgabe auf Kontoguthaben in Zypern erhoben worden ist. Ein Land, in das wohlhabende Russen große Teile ihres Vermögens verbracht haben, um sie vor Transferbeschränkungen und den heimischen Zugriffsmöglichkeiten zu schützen.
Aus diesen schmerzhaften Erfahrungen haben die Russen ihre Schlussfolgerungen gezogen und werden das auch auch weiterhin tun. Sie investieren zunehmend in Sachwerte. Firmenbeteiligungen statt Festgeld, Immobilien statt Cash sind die Gebote der Stunde. Und in der Tat sind russische Investoren in letzter Zeit verstärkt auf Einkaufstour in Deutschland unterwegs gewesen. Wer die Tagespresse aufmerksam verfolgt, kann immer häufiger von Dealmeldungen russischer Investoren in Deutschland lesen. Nach einer Studie von PwC werden diese russischen Investitionen in den kommenden Jahren nach Anzahl und Volumen zunehmen und sich zu einem Trend verdichten.
Aber nicht jede auf Rubel basierte Investition in Deutschland hat ihren Grund in der Sicherung des Vermögens. Zwei weitere Wachstumstreiber sind im Spiel, gerade im Bereich strategischer Investitionen. Mit wenigen Ausnahmen sind Russlands Industrieunternehmen nicht international wettbewerbsfähig. Viele Maschinen und Anlagen sind veraltet. Teilweise befinden sie sich sogar in einem maroden Zustand. Produkte sind nicht immer auf der Höhe der Zeit und würden in internationalen Regalen liegen bleiben.
Gleiches gilt für die Organisation von Unternehmen. Betriebsstrukturen und Entscheidungswege vermitteln nicht selten den Anschein, als würden sie noch aus einer anderen Zeit stammen. Und über Kontakte und Vertriebswege nach Westeuropa verfügen meist nur die russischen Blue Chips. Um diesen technologischen und strukturellen Rückstand aufzuholen (was oft einen Quantensprung verlangt), sind die Gründung strategischer Partnerschaften mit ausländischen Unternehmen oder der Zukauf solcher Unternehmen ein probates Mittel.
Wer es sich leisten kann, wird diese Optionen ernsthaft in Erwägung ziehen, um modernes Know-how, konkurrenzfähige Produkte, leistungsstarke Technologien und funktionierende europäische Vertriebswege einzukaufen. Vorbedingung ist aber, dass es gelingt, auf beiden Seiten verbreitete Berührungsängste zu bewältigen und abzubauen. Erst dann wird man erfolgreich zueinander finden können.
In der sechsteiligen Serie Business in Russia teilt unser Autor seine Eindrücke vom Geschäftemachen in Russland, berichtet über kleine Alltagsgeschichten und persönliche Begegnungen mit Land und Leuten. Bereits erschienen sind Folge 1: Russland boomt, Folge 2: Moskau liebt Sushi, Folge 3: Wodka, Banja und Compliance, Folge 4: Stempeln, stempeln und nochmals stempeln sowie Folge 5: Eine Fahrt nach Kaluga.