4. Januar 2016
ADSp 2016
Commercial Maritime Wirtschaft

ADSp 2016: Pünktlich zum neuen Jahr

Ab 1. Januar 2016 wird die Verwendung der neuen Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen ("ADSp 2016") empfohlen.

Der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) hat Mitte Dezember seine Neufassung der ADSp 2016 veröffentlicht.

Die ADSp 2016 sollen ein seit Jahren etabliertes Bedingungswerk (″ADSp 2003″) ersetzen, das – trotz zunehmender Verbreitung von Rahmenverträgen – derzeit von großer Bedeutung für den deutschen Transport- und Logistikmarkt ist. Es bildet die vertragliche Grundlage für zahllose Beförderungs- und Lagerverträge.

Die grundsätzlich gelungene Neufassung enthält möglicherweise unbeabsichtigte Stolpersteine und Falltüren. Betroffene Unternehmen sollten sich daher trotz der Empfehlung des DSLV zur Umsetzung ab Jahresanfang vertieft mit dem neuen Bedingungswerk und dessen Risiken auseinandersetzen.

Einbeziehung der ADSp als Handelsbrauch?

Veranlasst durch die nahezu flächendeckende Verbreitung früherer Fassungen der ADSp und die gemeinsame Urheberschaft von Verbänden der Transportbranche und von deren Kunden, hatte der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit die Einbeziehung der ADSp als Handelsbrauch eingestuft.

Die ADSp 2016 brechen in gewisser Hinsicht mit dieser Tradition: Erstmals wird die Neufassung allein vom DSLV verantwortet, bisher ohne Empfehlung der Verbände der Verlader. Letztere verließen im Laufe des Jahres 2015 die schon lange andauernden Verhandlungen über den neuen Text.

Bereits im September 2015 legte der BDI gemeinsam mit weiteren Verbänden der Verladerseite ein völlig neues Bedingungswerk vor, die Deutschen Transport- und Lagerbedingungen („DTLB″).  Trotz dieser neuen Entwicklung darf man derzeit damit rechnen, dass auch die ADSp 2016 eine hohe Marktdurchdringung erreichen werden, jedenfalls in Bereichen, in denen die Verhandlung individueller Rahmenvereinbarungen wirtschaftlich nicht sinnvoll ist.

Aktuell wird man hingegen kaum mit einer nennenswerten „Konkurrenz″ durch die DTLB rechnen müssen; ein wesentlicher Grund dafür ist, dass deren Vereinbarung in der Regel nicht von den standardmäßigen Haftpflichtpolicen der Logistikbranche abgedeckt sein wird.

Haftung – Wegfall der Begrenzung auf EUR 5,00 je kg

Kernstück der ADSp 2016 sind weiterhin die Regelungen zur Haftung des Spediteurs (Ziffern 22 ff.). Zu den Neuerungen gehören folgende Punkte:

Gänzlich abgelöst worden ist der in der Vorgängerversion „zentrale″ Haftungshöchstbetrag von EUR 5,00 je Kilogramm. An dessen Stelle ist für Güterschäden weitestgehend (auch jenseits von Transporten) die in § 431 Abs. 1 HGB gesetzlich vorgesehene Grenze von 8,33 Sonderziehungsrechten je Kilogramm getreten. Die Berechnung der Haftungslimits wird dadurch für die Praxis vereinfacht.

Multimodales Seefrachtgeschäft: Unabhängig vom Schadensort gilt das Haftungsrecht des allgemeinen Frachtrechts

Seefrachtgeschäft betrifft im üblichen Anwendungsbereich der ADSp meist Verträge über Multimodaltransporte. Der Spediteur wird sich darum bemühen, auch Vor- und/oder Nachlauftransporte durchzuführen. Für dieses multimodale Seefrachtgeschäft gab es schon in den Haftungsbestimmungen der ADSp 2003 eine Ausnahme, die richtigerweise dann anzuwenden war und ist, wenn §§ 452, 452a HGB auf das allgemeine Frachtrecht und damit auch § 449 HGB verweisen, der eine Absenkung des Haftungslimits in AGB auf 2 Sonderziehungsrechte je Kilogramm gestattet (sog. „Haftungskorridor″). Von dieser Möglichkeit machten die ADSp 2003 Gebrauch (alte Ziffer 23.1.3).

Erst kürzlich wurde von namhaften Stimmen in der transportrechtlichen Literatur die Ansicht postuliert, die bisherige Ziffer 23.1.3 sei unwirksam, vor allem weil sie nicht im Einklang mit § 452d HGB stehen soll. Diese neue Auffassung ist abzulehnen und fußt nach Ansicht der Verfasser dieses Beitrags auf einem unzutreffenden Verständnis der zuletzt genannten Norm, wobei die Diskussion dieser Thematik den Rahmen eines Blogbeitrags sprengen würde.

Entscheidend ist hier, dass die Verfasser der ADSp 2016 offenbar versuchten, diese neuen Einwände zu umschiffen: Es wurde die neue Ziffer 22.4 ADSp 2016 eingeführt, die getreu dem Wortlaut von § 452d Abs. 2 Nr. 1 HGB bestimmt, dass unabhängig vom Schadensort stets das Haftungsrecht des allgemeinen Frachtrechts (§§ 425 bis 439 HGB) anwendbar sein soll, wenn ein Multimodaltransport mit Seestrecke vereinbart wurde. In der neuen Ziffer 23.1.2 ist genau für diesen Fall ein Haftungslimit von 2 Sonderziehungsrechten je Kilogramm geregelt.

Ob dieser Versuch geeignet ist, die Anwendung des Limits von 2 Sonderziehungsrechten sicherzustellen, bleibt abzuwarten: Auch gegen die neue Regelungs- und Verweisungstechnik lassen sich ggf. Einwände finden.

Neuregelung in der ADSp mit Nebenwirkungen: Versteckte Falltür im Seefrachtgeschäft?

Potentiell dramatisch dürften hingegen die sicherlich nicht vom DSLV beabsichtigen „Nebenwirkungen″ der neuen Ziffer 22.4 sein: Denn diese besagt, dass auch bei bekanntem Schadensort, beispielsweise an Bord eines See- oder Binnenschiffs, der Spediteur seinem Kunden immer nach „Landfrachtrecht″ haftet. Kann der vom Spediteur eingesetzte Unterfrachtführer für Binnenschiffs- oder Seestrecke sich beispielsweise auf fehlendes Verschulden oder Haftungsausschlüsse wegen Feuer oder nautischem Verschulden stützen, droht dem Spediteur eine massive Regresslücke: Er haftet stets nach Landfrachtrecht, das eine weitgehend verschuldensunabhängige Haftung vorsieht und keine Haftungsausschlüsse für Feuer oder nautisches Verschulden kennt.

Auch bei der stets wiederkehrenden Debatte um qualifiziertes Verschulden und unbeschränkte Haftung wird Ziffer 22.4 eine große Bedeutung zukommen: Sobald ein Multimodaltransport vorliegt, kommt nach Ziffer 22.4 ADSp die Regelung in § 435 HGB zur Anwendung. Danach schadet auch das schwere Verschulden eines jeden Gehilfen. Wenn der Unterfrachtführer nach Seehandelsrecht oder CMNI haftet, gelten andere Grundsätze. Auch hier droht also eine massive Regresslücke in alltäglichen Schadensfällen.

Sicherlich bleibt abzuwarten, wie Praxis und Gerichte mit der neuen Ziffer 22.4 ADSp umgehen. Allerdings sehen wir die Gefahr, dass hier sprichwörtlich das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wurde: Offenbar in dem Bemühen, den recht neuen Streit zur Auslegung von § 452d HGB zu umschiffen wurde eine Regelung aufgenommen, die den Spediteur in vielen Fällen erheblich schlechterstellen dürfte, selbst im Vergleich zur gesetzlichen Haftung.

Erfreulich: E-Mail Footer und Einbeziehungsklauseln können verkürzt werden

Aufgrund einer eher eigenwilligen Auslegung von Ziffer 27 ADSp 2003 durch den BGH und wegen gesetzlicher Änderungen im Rahmen der Seerechtsreform waren die ADSp 2003 nicht mehr auf dem aktuellen Rechtsstand.

Diese Punkte wurden nun in die ADSp 2016 aufgenommen (Ziffern 27.2 und 27.3 sowie 25), was zur Folge hat, dass entsprechende Zusätze in Vertragsunterlagen, E-Mail-Footern etc. hierzu sich vorerst erübrigt haben.

Das Thema „nautisches Verschulden und Feuer″ hat sich mit der neuen Ziffer 25 allerdings nur teilweise erledigt. Die dort anzutreffenden Vertragsklauseln sind nach Seehandelsrecht und CMNI ausdrücklich zulässig. Da aber Ziffer 22.4 den Anwendungsbereich des Seehandelsrechts erheblich einschränkt (nämlich auf reine Schiffstransporte), bleibt die Regelung in Ziffer 25 weit hinter dem zurück, was die meisten Spediteure bisher versuchten, durch Ergänzung der ADSp 2003 zu regeln. Gleiches gilt für den Anwendungsbereich der CMNI, soweit es um Vor- oder Nachlauf per Barge im Kontext einer Seebeförderung geht. Wenn nämlich die Haftung sich einheitlich nach „Landfrachtrecht″ richtet (so Ziffer 22.4 ADSp 2016), fehlt es an einer einschlägigen gesetzlichen Regelung, die Haftungsausschlüsse für nautisches Verschulden oder Feuer in AGB zulassen würde.

Nichteinhaltung von Ver- und Entladezeiten und Standgeld

Neben den Haftungsregelungen ist für die Praxis auch die Neuregelung von Ver- und Entladezeiten sowie möglicherweise entstehende Standgelder von besonderer Bedeutung. Hierzu sehen die ADSp 2016 neuerdings in Ziffer 11 detaillierte Regelungen vor.

Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Klausel am Markt durchsetzt. Aus Sicht der oft zu geringen Margen tätigen Unternehmen der Transportbranche mögen diese Vorgaben durchaus als sinnvoll und gerecht erscheinen, man darf aber einen erheblichen Widerstand von Verladerseite erwarten. Spätestens nachdem ein Verlader eine erste Rechnung nach Ziffer 11 erhalten hat, wird er sich Gedanken machen, ob er weiterhin vorbehaltlos der Einbeziehung der ADSp zustimmen kann. Die gleichen Überlegungen werden größere Spediteure anstellen müssen, die abweichende Regelungen zu Standzeiten mit ihren Kunden vereinbart haben und Subunternehmer auf Basis der ADSp beschäftigen.  

ADSp 2016: Ausblick

Gerade weil zu erwarten ist, dass die ADSp 2016 ebenfalls eine weite Verbreitung finden werden, darf man erwarten, dass die vorstehend skizzierten Themen Praxis und Gerichte intensiv beschäftigen werden, ebenso wie diverse weitere Neuerungen, die in diesem knappen Artikel nicht erwähnt sind. Das Beispiel von Ziffer 22.4 zeigt, dass man bereits jetzt mit der Debatte über die nächste Fassung der ADSp beginnen kann, wobei die zumindest derzeit fehlende Unterstützung durch die Verbände der Verladerseite zur Folge haben könnte, dass bis zu einer weiteren Neufassung nicht wieder 13 Jahre ins Land gehen werden.

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