26. Oktober 2022
Preisanpassungsklausel Inflation Lieferkette
Commercial

Inflation in der Lieferkette – Rettung durch Preisanpassungsklauseln?

Durch die allgegenwärtigen Preisanstiege werden viele Lieferverträge plötzlich unrentabel. Können Preisanpassungsklauseln hiervor zukünftig schützen?

Die Corona-Krise und der Angriff Russlands auf die Ukraine haben globale Lieferketten so stark belastet wie nur wenige andere Ereignisse in den letzten Jahrzehnten. Der dadurch verursachte Preisanstieg – insbesondere für Rohstoffe, Energie und Logistik – führt zu einer massiven Störung der Äquivalenzgefüge bestehender Verträge.

Zugleich löst er Handlungsbedarf in verschiedener Hinsicht aus, da höhere Preise allenfalls dann akzeptiert werden, wenn sie anschließend „entlang der Kette“ weitergereicht werden können. Nicht selten ist deswegen der Einkauf mit der Abwehr von Preiserhöhungsverlangen des Lieferanten beschäftigt, während der Vertrieb gleichzeitig darum bemüht ist, höhere Preise gegenüber den eigenen Kunden* durchzusetzen. Es ist nicht schwer zu erkennen, dass die globalen Lieferketten vor diesem Hintergrund erneut vor einer Zerreißprobe stehen.

Wir richten den Blick in die Zukunft: Wie kann schon bei Vertragsschluss sichergestellt werden, dass steigende Kosten nicht die Gewinnmarge abschmelzen, sondern rechtssicher an den Vertragspartner weitergeleitet werden können? Im Mittelpunkt der Überlegungen stehen dabei die verschiedenen Spielarten von Preisanpassungsklauseln. Diese sollen dazu dienen, dem Verwender das Risiko langfristiger Kalkulationen abzunehmen und gleichzeitig das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung auch bei Vertragsbeziehungen mit längeren Laufzeiten zu bewahren.  

Preisanpassungsklauseln sind in aktuellen Verträgen eher selten

Eine Bestandsaufnahme zeigt, dass Preisanpassungsklauseln in bestehenden Lieferverträgen – selbst bei sehr langen Laufzeiten – nur vergleichsweise selten anzutreffen sind. Dies dürfte einerseits darauf zurückzuführen sein, dass die Preise in der letzten Dekade relativ stabil waren. Zugleich sind Preisanpassungsklauseln inhaltlich komplex, verhandlungsintensiv und mit erheblichen Rechtsunsicherheiten verbunden. Dies hat zu einem „rationalen Desinteresse“ der Parteien an derartigen Klauseln geführt, da der durch sie verursachte Aufwand und ihre Komplexität häufig in keinem angemessenen Verhältnis zu ihrem Nutzen standen. 

Aufgrund der starken Preisanstiege hat sich dies zwischenzeitlich schlagartig geändert. Unternehmen erkennen zunehmend, wie schwer sich erhebliche Äquivalenzstörungen – verursacht durch Krieg und Pandemie – nachträglich noch korrigieren lassen. Um dies zumindest für die Zukunft zu vermeiden, haben Preisanpassungsklauseln in letzter Zeit stark an Bedeutung gewonnen. Wie zu sehen sein wird, sind die Wirksamkeitsanforderungen an solche Klauseln wegen ihrer inflationsfördernden Wirkung und vor dem Hintergrund des notorisch strengen deutschen AGB-Rechts im unternehmerischen Verkehr aber sehr hoch. Doch die Mühe lohnt sich: Preisanpassungsklauseln sind ein wichtiger Baustein für ein effektiveres Krisenmanagement in der Lieferkette für die Zukunft. 

Das PrKlG als äußerer Rahmen für Preisanpassungsklauseln

Den äußeren rechtlichen Rahmen für Preisanpassungsklauseln gibt das in der Praxis weitgehend unbekannte Preisklauselgesetz (PrKlG) vor. In § 1 Abs. 1 PrKlG findet sich das grundsätzliche Verbot, den Betrag von Geldschulden unmittelbar durch den Preis oder Wert von anderen Gütern oder Leistungen zu bestimmen, die mit den vereinbarten Gütern oder Leistungen nicht vergleichbar sind. In § 1 Abs. 2 PrKlG werden sodann – neben Klauseln, die nur zu einer Preissenkung führen und deswegen nicht inflationsfördernd wirken – nur drei Varianten von Preisanpassungsklauseln von diesem Verbot ausgenommen: Preisvorbehaltsklauseln, Spannungsklauseln und Kostenelementeklauseln (zu den einzelnen Klauseltypen sogleich).

Zum weitgehend stumpfen Schwert wird das PrKlG indes durch die in § 8 PrKlG angeordnete Rechtsfolge von Verstößen: Die Nichtigkeit einer gegen das Verbot in § 1 Abs. 1 PrKlG verstoßenden Klausel tritt erst mit der rechtskräftigen Feststellung der Unwirksamkeit ein. Die allgemeine Regel des § 134 BGB, wonach jedes gegen ein gesetzliches Verbot verstoßende Rechtsgeschäft unmittelbar nichtig ist, findet keine Anwendung. Zur Beseitigung einer gegen das PrKlG verstoßenden Klausel bedarf es somit erst eines womöglich jahrelangen Klageverfahrens. Die praktische Bedeutung des Gesetzes ist vor diesem Hintergrund eher gering geblieben. 

Die hohen Anforderungen des AGB-Rechts als eigentliche Hürde

Während das PrKlG den allgemeinen regulatorischen Rahmen vorgibt, liegt die eigentliche Hürde für die wirksame Vereinbarung von Preisanpassungsklauseln im AGB-Recht. Die AGB-Kontrolle findet grds. Anwendung, da Preisanpassungsklauseln als sog. Preisnebenabreden – anders als der Preis selbst – vom AGB-Recht erfasst werden. Klauseln, deren Unwirksamkeit (noch) nicht nach dem PrKlG festgestellt wurde, können deswegen (unmittelbar) nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sein. Allerdings besteht insofern kein Automatismus: Klauseln, die gegen das Verbot aus § 1 PrKlG verstoßen, sind nicht automatisch AGB-rechtlich unwirksam. 

Spannungsklauseln für komplexe Produkte häufig ungeeignet

Spannungsklauseln stellen den „Idealtyp“ einer Preisanpassungsklausel dar. Sie knüpfen die Entwicklung des Vertragspreises an die Preisentwicklung eines anderen Gutes, das im Wesentlichen gleichartig oder zumindest vergleichbar ist (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 PrKlG). Klassisches Beispiel ist die Knüpfung des für Bauleistungen geschuldeten Preises an den allgemeinen Baupreisindex. Ändert sich der Preis für das Referenzprodukt, so führt dies zu einer entsprechenden Anpassung des Preises für das laut Vertrag gelieferte Produkt. Die Anpassung erfolgt dabei automatisch, ohne dass eine der Parteien etwas unternehmen muss. Auf diese Weise lässt sich im Ergebnis gewährleisten, dass der Vertragspreis stets dem Marktpreis entspricht.

In der Praxis kommen Spannungsklauseln gleichwohl nur selten zum Zug, da es für die AGB-rechtliche Wirksamkeit nach der Rechtsprechung des BGH erforderlich ist, dass die Klausel dazu bestimmt und geeignet ist, den geschuldeten Preis mit dem jeweiligen Marktpreis tatsächlich in Übereinstimmung zu bringen. Dies setzt eine belastbare Prognose voraus, dass sich der Marktpreis für das verkaufte Produkt typischerweise ähnlich wie der Marktpreis für das Referenzgut entwickelt. Bei komplexen Industrie- und Konsumgütern steht ein solcher „Referenzindex“ für vergleichbare Güter aber nur selten zur Verfügung. So wäre etwa bei einem aus Kunststoff gefertigten Produkt die Anknüpfung an die Preisentwicklung für Kunststoff voraussichtlich unzulässig, da sich der Preis für das Endprodukt unterschiedlich entwickeln dürfte. Vergleichbare Erwägungen gelten für die häufiger anzutreffende Anknüpfung an den Verbraucherpreisindex. Sofern allerdings ein geeigneter Referenzindex zur Verfügung steht, dürfte es sich bei einer Spannungsklausel in aller Regel „um die Klausel der Wahl“ handeln.

Kostenelementeklauseln erfordern weitgehende Offenlegung der Kalkulation

Kostenelementeklauseln sind demgegenüber etwas komplexer. Bei ihnen wird der Vertragspreis proportional zu der Änderung der Selbstkosten eines Kostenelements angepasst. Anders als bei der Spannungsklausel wird die Kostensteigerung also nicht an ein Referenzprodukt, sondern unmittelbar an eine Erhöhung der Selbstkosten geknüpft. Auch hier stößt sich der BGH aber an dem Automatismus der Preiserhöhung und stellt deswegen sehr hohe Anforderungen an die AGB-rechtliche Wirksamkeit derartiger Klauseln.

Bei den Kostenelementeklauseln steht dabei die Erwägung im Vordergrund, dass eine Preisanpassung nicht zu einer versteckten Erhöhung der Gewinnmarge führen darf. Deswegen verlangt der BGH, dass sich die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung aus der Klausel selbst ergeben. Der Verwender muss also im Ergebnis alle Kostenelemente sowie deren Gewichtung offenlegen, damit nur tatsächliche Steigerungen der Gesamtkosten weitergegeben werden und der Kunde in die Lage versetzt wird, den Umfang eventuell auf ihn zukommender Preisanpassungen einzuschätzen. Dies widerspricht offensichtlich den regelmäßig vorliegenden unternehmerischen Geheimhaltungsinteressen hinsichtlich der Preiskalkulationsgrundlagen. Eine kleine Tür lässt der BGH hier aber offen: Für den Fall, dass eine vollständige Offenlegung der Kalkulation wegen der Besonderheiten der Vertragsbeziehung auf „unüberwindbare Schwierigkeiten“ stößt, soll ein angemessener Interessenausgleich auch dadurch erreicht werden können, dass dem Vertragspartner ein Recht zur Kündigung eingeräumt wird. Der BGH hat aber noch nicht konkretisiert, wann derartige „unüberwindbare Schwierigkeiten“ in der Praxis vorliegen. Je nach Sensibilität und Komplexität der Kalkulationsgrundlage können Kostenelementeklauseln aber eine durchaus sinnvolle Lösung sein. 

Zuweilen trifft man in der Praxis auch auf eine Kombination aus Spannungs- und Kostenelementeklausel. Hier wird zwar an einzelne Kostenelemente angeknüpft, die Preiserhöhung aber nicht an die Erhöhung der Selbstkosten, sondern an die Steigerung des Referenzindexes für die einzelnen Kostenelemente geknüpft. Derartige Klauseln können zwar einen praktikablen Mittelweg bieten. Hier besteht aber in besonderer Weise das Risiko, dass es zu einer – wenn auch unbeabsichtigten – Erhöhung der Gewinnmarge kommt. Da sich der BGH gerade an diesem Aspekt häufig stößt, muss darauf für eine AGB-rechtliche Wirksamkeit besonderes Augenmerk gerichtet werden. 

Preisvorbehaltsklauseln in der Praxis nur schwer vermittelbar 

Preisvorbehaltsklauseln – die dritte und letzte „echte“ Spielart von Preisanpassungsklauseln – erlauben es einer der Parteien (oder einem Dritten), den vereinbarten Preis bei Eintritt bestimmter Voraussetzungen einseitig anzupassen. Das Ausmaß der Änderung wird dabei durch die Klausel nicht konkret vorgegeben. Dem Bestimmungsberechtigten steht vielmehr ein Ermessen zu, die Preisanpassung nach Billigkeitsgrundsätzen vorzunehmen. Hält die Gegenseite die Ausübung im Einzelfall für unbillig, kann sie dies gerichtlich überprüfen lassen (§ 315 Abs. 3 S. 2 BGB).

Da Preisvorbehaltsklauseln – anders als Spannungs- und Kostenelementeklauseln – nicht zu einer automatischen Preisanpassung führen, stellt der BGH an ihre Wirksamkeit geringere Anforderungen. Zwar müssen – trotz der Möglichkeit einer nachträglichen Kontrolle – auch hier die Voraussetzungen und der Umfang der Preisänderung bereits in der Klausel selbst hinreichend konkretisiert werden. Allerdings stellt der BGH wegen der Möglichkeit der nachträglichen Überprüfung deutlich geringere Anforderungen an die Offenlegung der Kalkulationsgrundlage. In der Praxis spielen Preisvorbehaltsklauseln gleichwohl kaum eine Rolle, was vor allem an dem konfliktträchtigen Umsetzungsermessen und der eingeschränkten Vorhersehbarkeit der Preisanpassungen liegt. Die Parteien wollen vertraglich Rechtssicherheit für die Zukunft schaffen, was sich mit einer Preisvorbehaltsklausel nur eingeschränkt erreichen lässt.

Das (stumpfe) Schwert der Verhandlungsklausel als Ausweg?

In der Praxis häufiger anzutreffen ist die vertraglich festgelegte Pflicht zur Neuverhandlung der Preise (Verhandlungsklausel). Diese Pflicht kann entweder in bestimmten Abständen oder bei Eintreten spezifischer Voraussetzungen (etwa einer genauer festgelegten Erhöhung der Beschaffungskosten) greifen. Aus rechtlicher Sicht sind solche Klauseln – bei denen es sich nicht um „echte“ Preisanpassungsklauseln handelt – unproblematisch, da die Preisanpassung nur auf Grundlage eines beiderseitigen Einverständnisses erfolgt.

Die Verhandlungsklausel nimmt somit eine Sonderstellung ein, da der Fokus nicht auf einer Anpassung der Preise, sondern auf der Durchführung der Verhandlungen liegt. Daraus ergibt sich zugleich aber auch ihr größter Nachteil, denn „eine Einigung, sich zu einigen“ ist in der Praxis oft wirkungslos. Zudem sind die Parteien ohnehin jederzeit dazu berechtigt, die vertraglich vereinbarten Preise durch Vereinbarung nachträglich anzupassen. Im Einzelfall kann aus einer solchen Klausel aber zumindest ein Leistungsverweigerungsrecht folgen, wenn der Vertragspartner entsprechende Verhandlungen treuwidrig verweigert. Zuweilen hat die Rechtsprechung auch (ausnahmsweise) angenommen, dass eine ergänzende Vertragsauslegung die Bestimmung neuer Preise durch das Gericht erlaubt.

In der Praxis wird hier zudem oft übersehen, dass in einer solchen Klausel zwingend geregelt werden muss, was im Falle der Nichteinigung gilt. Möglich ist insofern etwa die Fortgeltung der alten Preise oder auch ein Kündigungsrecht im Falle der Nichteinigung. Zuweilen wird für den Fall der Nichteinigung auch die verbindliche Festsetzung durch einen Dritten – etwa einen Sachverständigen – vorgesehen. Da sich die Parteien durch diese Regelung (eine Art „Anleihe“ bei der Preisvorbehaltsklausel) aber letztlich mittelbar doch wieder einem automatischen Preisanpassungsmechanismus unterwerfen, stellen sich insofern erneut die bereits angesprochenen Fragen der AGB-rechtlichen Zulässigkeit. 

In der Praxis sind individuelle Lösungen erforderlich

Preisanpassungsklauseln können – weniger noch als andere Regelungen – nicht „von der Stange“ bzw. „aus dem Formularbuch“ in einen Vertrag übernommen werden. Denn eine gute Preisanpassungsklausel muss zweierlei leisten: In wirtschaftlicher Hinsicht muss sie dazu geeignet sein, das kommerzielle Gleichgewicht des Vertrags über viele Jahre auch in unsicheren Zeiten fortzuschreiben. In rechtlicher Hinsicht muss sie den strengen Wirksamkeitsanforderungen genügen und insbesondere hinreichend transparent formuliert werden. Für eine solche auf den Einzelfall zugeschnittene Preisanpassungsklausel ist eine enge Abstimmung zwischen Anwalt und Mandant unabdingbar, da der Anwalt hier – mehr noch als sonst – auf den Input des Mandanten angewiesen ist. Werden diese Voraussetzungen eingehalten, so können Preisanpassungsklauseln aber einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass die nächste Krise die Lieferketten nicht wieder vor eine Zerreißprobe stellt.

In unserem zweiten Beitrag gehen wir auf die Frage ein, wie mit den krisenbedingten Verwerfungen in bestehenden Vertragsverhältnissen umgegangen werden kann.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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