10. Januar 2023
Produktsicherheitsverordnung
Commercial

Reform des europäischen Produktsicherheitsrechts auf der Zielstrecke

Produktsicherheitsverordnung: EU beschließt neue Regelungen über die Sicherheit von Verbraucherprodukten. Wir zeigen die wesentlichen Änderungen auf.

Am 29. November 2022 teilte die EU in einer Pressemitteilung mit, dass sich der Europäische Rat, das Europäische Parlament und die EU-Kommission in den sogenannten „Trilog-Verhandlungen“ auf eine Verordnung über die Allgemeine Produktsicherheit geeinigt haben. Seit dem 21. Dezember 2022 liegt auch der „finale“ Text der Verordnung in englischer Sprache vor. Die Änderungen sind teilweise grundlegender Natur und werden für viele in der EU tätige Wirtschaftsakteure umfassende Veränderungen bedeuten.

Neue Produktsicherheitsverordnung löst „RaPS“ ab

Die neue Produktsicherheitsverordnung löst die über 20 Jahre alte Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit aus dem Jahr 2001 (2001/95/EG, sogenannte RaPS) ab. Diskussionen über eine Modernisierung des Rechtsrahmens für die Produktsicherheit für Non-Food-Verbraucherprodukte gibt es schon seit vielen Jahren.

Durch die Änderung der Rechtsnatur von Richtlinie zu Verordnung werden die neuen Regelungen einheitlich in allen Mitgliedsstaaten unmittelbar gelten. Die EU verspricht sich durch die Vorgabe von klaren und detaillierten Regeln, die keinen Raum für eine abweichende Umsetzung durch die Mitgliedstaaten lassen, eine einheitlichere Anwendung der Vorschriften. Ungenauigkeiten bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht (in Deutschland z.B. in das Produktsicherheitsgesetz) können künftig vermieden werden. 

Die Produktsicherheitsverordnung modernisiert das europäische Produktsicherheitsrecht und bringt es auf einen den modernen Herausforderungen entsprechenden Stand. Z.B. soll der mittlerweile immens wichtige, in der RaPS aber noch nicht thematisierte, Onlinehandel erfasst werden. Derartige Bestrebungen sind auch schon in der im Jahr 2021 in Kraft getretenen Europäischen Marktüberwachungsverordnung (EU/2019/1020) zu sehen gewesen. Entsprechendes gilt für Plattformbetreiber und Fulfillment-Dienstleister. Daneben sollen Gefahren im Zusammenhang mit dem Thema „Cybersecurity“ erfasst werden; generell werden im Rahmen der Beurteilung, wann ein Produkt sicher ist, viele moderne(re) Aspekte einbezogen.

Erweiterung der Beurteilungskriterien für das „sichere Produkt“

Wie schon bisher dürfen Wirtschaftsakteure Produkte auf dem europäischen Markt nur dann bereitstellen, wenn diese Produkte sicher sind. Die Aspekte, die bei der Beurteilung, wann ein Produkt sicher ist, herangezogen werden sollen, werden dabei durch die Produktsicherheitsverordnung deutlich ausgeweitet und geschärft. 

Relevant sind zum Beispiel künftig 

  • die Auswirkungen geschlechtsspezifischer Unterschiede auf Gesundheit und Sicherheit von Verbrauchern; ein besonderer Fokus liegt auch auf der Gefährdung von Kindern, insbesondere in Bezug auf Produkte, bei denen es wahrscheinlich ist, dass die Produkte einen Spielwert haben,
  • die Auswirkungen des Produktes auf andere Produkte, wenn dies vernünftigerweise vorhersehbar ist,
  • die mögliche Einwirkung anderer Produkte auf das zu beurteilende Produkt, einschließlich nicht inbegriffener Gegenstände, die geeignet sind, seine Funktionsweise zu beeinflussen, zu verändern oder zu vervollständigen,
  • Cybersicherheitsmerkmale, um das Produkt vor äußeren Einflüssen, einschließlich böswilliger Dritter, zu schützen, sofern sich ein solcher Einfluss auf die Sicherheit des Produkts auswirken könnte; dabei dürfte durchaus interessant sein, ob die Datensicherheit als solche zur „Sicherheit des Produktes“ zu zählen ist, oder ob es allein um Sicherheitsaspekte im engeren Sinne geht; generell wird hier die Abgrenzung zur Verordnung über horizontale Cybersicherheitsanforderungen für digitale Produkte relevant werden, siehe dazu den Blogbeitrag: Cyber Resilience Act: Cybersicherheitsvorgaben.
  • sich ändernde, sich entwickelnde und prädiktive Funktionen eines Produkts, sprich selbstlernende, KI-ähnliche Aspekte.

Interessant ist, dass die nach den Vorgänger-Entwürfen noch zu berücksichtigende missbräuchliche Verwendung des Produktes im finalen Trilog-Entwurf nicht mehr in der Definition des sicheren Produktes enthalten ist.

Neue Pflichten für nicht-harmonisierte Produkte

Die Produktsicherheitsverordnung soll grundsätzlich insoweit gelten, als es im Rahmen von Rechtsvorschriften der Union keine spezifischen Bestimmungen über die Sicherheit der betreffenden Produkte gibt. Insbesondere eine Vielzahl von Pflichten, die die Produktsicherheitsverordnung vorsieht (zum Beispiel die Erstellung einer Risikobewertung und von technischer Unterlagen für alle möglichen Produkte) gilt nur für sogenannte nicht-harmonisierte Produkte, d. h. solche Produkte, die nicht einer Harmonisierungsrechtsvorschrift aus Annex I zur Europäischen Marktüberwachungsverordnung (EU/2019/1020) unterliegen. Für eine Vielzahl von Produkten, wie Maschinen, Spielzeug, elektrische Produkte, persönliche Schutzausrüstung etc. finden die Pflichten der Produktsicherheitsverordnung in einigen zentralen Teilen (Kapitel III Abschnitt 1, Kapitel V und VII sowie die Kapitel IX-XI) daher keine Anwendung.

Für nicht-harmonisierte Produkte (der Klassiker ist der einfache Tisch oder Stuhl oder das einfache Bücherregal) kommen durch die Produktsicherheitsverordnung aber Pflichten auf die Wirtschaftsakteure zu, die bislang so nicht bestanden, z.B.:

  • Neu: Durchführung einer internen Risikobewertung.
  • Neu: Aufstellung technischer Dokumentation (jedoch im Vergleich zu umfangreichen Anforderungen in bestimmten Harmonisierungsrechtsvorschriften wie z.B. nach der Maschinenrichtlinie oder der PSA-Verordnung, in abgeschwächter Form).
  • Neu: Vorhaltepflicht für die technische Dokumentation für 10 Jahre; bislang gab es diesbezüglich keine Pflicht.
  • Strenger: Regelungen für Kennzeichnungen und Rückverfolgbarkeit (z.B. Typen-, Chargen- oder Seriennummer etc.).
  • Neu: Sicherstellung, dass im Unternehmen Prozesse aufgesetzt sind, die sicherstellen, dass die Anforderungen der Produktsicherheitsverordnung eingehalten werden, insbesondere Serienprodukte immer entsprechend den Sicherheitsanforderungen der Produktsicherheitsverordnung hergestellt werden; diese Neuerung, konkrete Verfahren vorzuhalten, wird den Marktaufsichtsbehörden Möglichkeiten geben, letztlich Einzelprodukt-unabhängig Überprüfungen in Unternehmen vorzunehmen.
  • Strenger: „Sofortige“ Vornahme von Korrekturmaßnahmen und Meldepflichten im Fall des Vorliegens von gefährlichen Produkten; in den bisherigen Entwürfen war hier von „unverzüglich“ die Rede, sodass „sofort“ eine deutliche Verschärfung bedeutet.
  • Neu: Pflicht zum Vorhalten eines Beschwerde-Portals, zum Beispiel telefonisch, per E-Mail, per Website etc.
  • Neu: Pflicht zum Vorhalten eines internen Beschwerderegisters.
  • Neu: Pflicht, einen in der EU niedergelassenen Wirtschaftsakteur zu haben; diese Verpflichtung ist für harmonisierte Produkte bereits durch die Europäische Marktüberwachungsverordnung (EU/2019/1020) flächendeckend eingeführt worden.

Auch die Pflichten von Bevollmächtigten, Einführern oder Händlern werden entsprechend der oben genannten weitergehenden Pflichten des Herstellers erweitert.

Interessant ist an diesen Pflichten vor allem, dass sie Anforderungen an Hersteller von nicht-harmonisierten Produkten stellen, die in den Harmonisierungsrechtsvorschriften für andere Hersteller so, jedenfalls in der konkreten Ausgestaltung, nicht gelten (z.B. Errichtung und Aufrechterhaltung von Compliance-Prozessen). Inwieweit die Ausweitung von Pflichten für Produkte, die keiner Harmonisierung unterliegen, sachgerecht ist, darf hinterfragt werden. Jedenfalls aber sind die neuen Pflichten von den entsprechenden Wirtschaftsakteuren schon sehr bald zu beachten.

Produktsicherheitsverordnung bringt zusätzliche Pflichten für Onlinehandel

Erklärtes Ziel der Produktsicherheitsverordnung ist, strengere Regelungen für den Onlinehandel festzulegen. Bereits die Europäische Marktüberwachungsverordnung (EU/2019/1020) hatte hier deutliche Verschärfungen für den Zugriff durch die Behörden gebracht. Dementsprechend finden sich einige Pflichten, die von Wirtschaftsakteuren beim Bereitstellen von Produkten online oder über eine andere Form des Fernabsatzes einzuhalten sind, zum Beispiel:

  • eindeutige und gut sichtbare Angabe einer Postanschrift und einer E-Mail-Adresse, des Herstellers, – im Fall, dass der Hersteller nicht in der Europäischen Union ansässig ist, des in der EU niedergelassenen Wirtschaftsakteurs,
  • eindeutige und gut sichtbare Angabe von Informationen zur Identifikation des Produktes, insbesondere einer Abbildung,
  • eindeutige und gut sichtbare Angabe von Warnungen und Sicherheitshinweisen, die auf dem Produkt anzubringen oder ihm beizufügen sind.

Elektronische Produktinformationen?

Nicht vorgesehen ist ein elektronischer Produktpass, wie er zum Beispiel im Entwurf für die Ökodesignverordnung angedacht ist. Die Produktsicherheitsverordnung ermöglicht es aber, zusätzlich (!) bestimmte Informationen in digitalem Format zur Verfügung zu stellen, insbesondere bezüglich der Produktidentifikation, der Herstellerinformationen, Anleitungen, Angaben zum Wirtschaftsakteur etc. Einen Durchbruch im Hinblick auf die Entbehrlichkeit von Angaben, Informationen und Hinweisen in Papierform stellt dies jedoch nicht dar. Entsprechend des aktuellen Diskussionsstandes muss weiterhin davon ausgegangen werden, dass zum Beispiel die Bedienungsanleitung im Hinblick auf Sicherheitshinweise in physischer Form beizufügen ist. Eine Produktsicherheitsverordnung 2023 hätte hier deutlich progressiver sein können, wahrscheinlich sogar müssen.

Neue Meldepflichten bei Unfällen

Der Hersteller ist künftig verpflichtet, durch das Safety Business Gateway Unfälle zu melden, die durch ein Produkt verursacht worden sind. Das ist neu, denn bislang mussten lediglich Gefahren, die von einem Produkt ausgehen und erkannt worden sind, gemeldet werden. Der Begriff des „Unfalls“ ist hingegen neu und natürlich interpretationsbedürftig. Erfreulich ist, dass in den Trilog-Verhandlungen nun eine Ergänzung dahingehend aufgenommen wurde, dass Meldungen nur dann erforderlich sind, wenn ein Unfall zum Tod oder zu ernsten nachteiligen Auswirkungen geführt hat. In den bisherigen Entwürfen war diese Begrenzung nicht vorgesehen, sodass letztlich alle noch so banalen Unfälle zu melden gewesen wären. 

Die Meldung muss unverzüglich erfolgen. Auch dies ist gegenüber den bisherigen Entwürfen eine Erleichterung. Denn darin war bislang eine feste Frist von zwei Arbeitstagen vorgesehen. Wer bereits einen produktbezogenen Sicherheitsvorfall betreut hat, weiß, dass innerhalb von zwei Arbeitstagen keinerlei sinnvolle Information abgegeben werden kann. Ergebnis wäre gewesen, dass allerlei unausgegorene Informationen gemeldet worden wären. Dass die Trilog-Verhandlungen hier zu einer Abmilderung geführt haben, ist sehr zu begrüßen.

Was aber weiterhin eine Herausforderung darstellen dürfte, ist die Frage, wie die Verursachung auszulegen sein wird. Muss jeder Unfall gemeldet werden oder nur ein Unfall, der auf ein unsicheres, sprich gefährliches Produkt zurückzuführen ist? Sind alle Unfälle zu melden, die nur bei Nutzung des Produktes, nicht aber wegen des Produktes eingetreten sind? 

Einführer und Händler sind ebenfalls verpflichtet, Unfälle zu melden, jedoch muss diese Meldung gegenüber dem Hersteller erfolgen. Dieser hat dann entweder die Unfälle selbst zu melden oder er kann den Einführer oder einen der Händler anweisen, diese Meldung für ihn vorzunehmen. Das Gesetz sieht keine Möglichkeit vor, dass der Einführer oder der Händler diese Anweisung zurückweisen könnte. Mit den neuen Regelungen kommen mithin auf Einführer und Händler Pflichten zu, für die sie aktuell möglicherweise gar keine internen Verfahren bereithalten. 

Online-Marktplätze wiederum haben eine eigene Meldepflicht. Es wird zu klären sein, wie sich diese Meldepflicht mit den voran genannten Pflichten des Herstellers und/oder Einführers oder Händlers harmonisieren lassen. Es steht zu befürchten, dass hinsichtlich eines Vorfalls künftig mehrere Meldungen an die Behörden gehen, unabgestimmt und damit die Marktaufsicht nicht ent-, sondern eher belastend.

Umfangreiche Pflichten für Online-Marktplätze aufgrund der Produktsicherheitsverordnung

Auch für Betreiber von Online-Marktplätzen sieht die Produktsicherheitsverordnung Pflichten vor. So sind z.B. zu nennen:

  • Pflicht, eine zentrale Kontaktstelle (single point of contact) für die Marktüberwachungsbehörden und für Verbraucher vorzuhalten, über die direkt und schnell in Bezug auf Produktsicherheitsrisiken kommuniziert werden kann,
  • Pflicht zur Registrierung im Safety Gate,
  • Pflicht, interne Prozesse in Bezug auf die Einhaltung der Anforderungen nach der Produktsicherheitsverordnung einzurichten,
  • Pflicht, auf Anweisungen der Marktüberwachung innerhalb von zwei Arbeitstagen zu reagieren,
  • Pflicht, Meldungen im Rapid Alert System (vormals RAPEX) zu überwachen und zu berücksichtigen,
  • Pflicht zur Einrichtung einer Schnittstelle, über die Händler notwendige Informationen einstellen können,
  • Pflicht, Kunden über Produktrückrufe zu informieren, 
  • Pflicht zur Kooperation mit den Marktüberwachungsbehörden,
  • Pflicht, die Marktüberwachungsbehörden über gefährliche Produkte zu informieren und Pflicht, Unfälle zu melden (siehe oben).

Neue Vorgaben für die Durchführung von Produktrückrufen

Auch im Hinblick auf die Durchführung von Produktrückrufen sieht die Produktsicherheitsverordnung einige neue Pflichten vor. 

Ein Rückrufhinweis muss in der/den Sprache(n) des Mitgliedsstaates/der Mitgliedstaaten verfügbar sein, in dem das Produkt in Verkehr gebracht wurde. Das war auch bislang gelebte Praxis. Der Rückrufhinweis muss leicht verständlich sein, muss die Überschrift „Rückruf zur Produktsicherheit“, eine klare Beschreibung des zurückgerufenen Produktes, einschließlich einer Abbildung, des Namens und der Marke des Produktes sowie Angaben dazu, wann und wo das Produkt verkauft wurde, enthalten. Dabei gibt der Gesetzgeber dem Wirtschaftsakteur nun tatsächlich auch vor, dass bestimmte Elemente in dem Rückrufhinweis zu vermeiden sind. So dürfen Formulierungen wie „freiwillig“, „vorsorglich“, „im Ermessen“, „in seltenen/spezifischen Situationen“ sowie der Hinweis, dass bislang noch keine Unfälle gemeldet wurden, nicht mehr verwendet werden. Insbesondere letzteres ist eine in Rückrufhinweisen häufig gewählte Formulierung, die aus Sicht des Wirtschaftsakteures nachvollziehbar ist, die aber auch das Risiko in sich trägt, dass bestehende Risiko (denn nur weil ein solches Risiko besteht, erfolgt ein Rückruf) unangemessen zu verharmlosen. Dies abzustellen ist Ziel der neuen Regelungen. 

Rückrufe haben unverzüglich zu erfolgen, Kundenbindungsprogramme und andere Informationen bezüglich der konkret zu benachrichtigenden Verbraucher sind zu nutzen. Der Wirtschaftsakteur hat angemessene Kanäle zu nutzen, wie zum Beispiel die Unternehmens-Website, Social-Media-Kanäle, Newsletter, Massenmedien oder andere Kommunikationskanäle.

„Nachbesserung“ als Folge eines Rückrufs

Bereits in den bisherigen Entwürfen starker Kritik ausgesetzt ist die Regelung der Produktsicherheitsverordnung, wonach der Wirtschaftsakteur dem Verbraucher im Fall eines Rückrufs eine effektive, kostenfreie und zeitnahe Abhilfemaßnahme anbieten muss. Konkret angesprochen ist dabei die Reparatur des zurückgerufenen Produktes, der Ersatz des zurückgerufenen Produktes sowie die Erstattung des Wertes des zurückgerufenen Produktes. 

Diese Formen der Abhilfe kennt die Rechtsordnung bislang lediglich im Bereich des Vertragsrechts. So ist es normal, dass der Verkäufer dem Käufer im Falle eines Mangels eine entsprechende Nachbesserung gewähren muss. Die Produktsicherheitsverordnung hat jedoch die Vermeidung von gefährlichen Produkten im Markt zum Ziel. Nach Auffassung vieler Stimmen im Vorfeld des aktuellen Entwurfes geht die Verordnung weit über dieses Ziel hinaus und verwischt die Grenzen zwischen produktsicherheitsrechtlichen Konsequenzen aufgrund Gefährlichkeit und vertraglicher Haftung.

Insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die Pflicht zur Abhilfe an alle Wirtschaftsakteure richtet, kann es hier zur Dopplung von Ansprüchen kommen, jedenfalls aber zur Entkopplung von Abhilfemaßnahmen von tatsächlichen Vertragsbeziehungen.

Verbandsklageverfahren auch im Bereich der Produktsicherheit 

Die Richtlinie (EU) 2020/1828 gilt für Verbandsklagen gegen Verstöße von Wirtschaftsakteuren und Anbietern von Online-Marktplätzen gegen Bestimmungen dieser Verordnung, die die Kollektivinteressen der Verbraucher schädigen oder schädigen können. Damit wird auch die Möglichkeit eingeräumt, dass künftig im Wege von Massenverfahren produktsicherheitsrechtliche Aspekte geltend gemacht werden können.

Ausblick: Ab wann gilt die Produktsicherheitsverordnung und wie ist sie einzuschätzen?

Zwar ist der Trilog-Verhandlungsstand noch formal vom Europäischen Parlament und Europäischen Rat zu verabschieden. Es wird davon ausgegangen, dass dies Ende März 2023 erfolgen wird. Und es ist nicht auszuschließen, dass der Entwurf auch noch kleinere Änderungen erfährt. Im Kern dürften sich aber die vorgenannten Regelungen nicht mehr wesentlich ändern. 

Nach Inkrafttreten wird es noch einen Übergangszeitraum von 18 Monaten geben. Danach ist die Produktsicherheitsverordnung unmittelbar anzuwenden. Mit Geltung der Produktsicherheitsverordnung wird das deutsche Produktsicherheitsgesetz letztlich obsolet. Es hatte bereits im Jahr 2021 eine wesentliche Beschränkung erfahren, als das gesamte Thema Marktüberwachung durch die Europäische Marktüberwachungsverordnung (EU/2019/1020) und deren Flankierung durch das deutsche Marktüberwachungsgesetz aus dem Produktsicherheitsgesetz herausgenommen wurde. Mit der Produktsicherheitsverordnung dürfte nicht mehr viel für das Produktsicherheitsgesetz übrigbleiben. Wie üblich werden wohl hauptsächlich nationale Durchsetzungsmaßnahmen geregelt werden, wie z.B. das Ordnungswidrigkeitenrecht.

Insgesamt ist die Modernisierung des europäischen Produktsicherheitsrecht sehr zu begrüßen. Die RaPS konnte mit vielen modernen Anforderungen nicht mehr Schritt halten. Die Produktsicherheitsverordnung in ihrer aktuellen Fassung hinterlässt jedoch auch viele Fragezeichen. Der „große Wurf“, durch den eine Zusammenführung von Produktanforderungen für harmonisierte und nicht-harmonisierte, Verbraucherprodukte und Nicht-Verbraucherprodukte erzielt worden wäre, ist bedauerlicherweise wieder nicht erfolgt. Die Produktsicherheitsverordnung trägt weiter dazu bei, dass europäische Produktrecht zu zersplittern und für den Wirtschaftsakteur (noch) unübersichtlich(er) zu machen. Es bleibt beim Nebeneinander von Anforderungen aus verschiedensten Rechtsvorschriften. Es ist nur jedem Unternehmen anzuraten, möglichst schnell die für ihre Produkte und ihre Stellung als Wirtschaftsakteure relevanten Anforderungen zu prüfen und umzusetzen. Die Übergangsfrist von 18 Monaten ist schnell verstrichen. Die Marktüberwachungsverordnung hat den Marktaufsichtsbehörden die Möglichkeit gegeben, Verstöße schnell zu verfolgen. Es dürfte davon auszugehen sein, dass die Marktaufsicht auch nicht lange mit dem Vollzug der neuen Produktsicherheitsverordnung auf sich warten lässt.

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