Grenzüberschreitende Verschmelzungen (Cross-Border Merger) sind die Königsklasse des (internationalen) Umwandlungsrechts. Informieren Sie sich hier!
Zwar gibt das Europarecht einen einheitlichen rechtlichen Rahmen für die wesentlichen Schritte zur Umsetzung einer grenzüberschreitenden Verschmelzung vor. Es müssen dennoch für die Verschmelzung teils divergierende gesetzliche Anforderungen in sämtlichen beteiligten Jurisdiktionen eingehalten werden, was eine besondere detaillierte Projektplanung erforderlich macht.
Grenzüberschreitende Verschmelzungen teilweise nicht ausdrücklich geregelt
Verschmelzungen machen nicht zwingend an nationalen Grenzen halt. Den rechtlichen Rahmen hierfür bildet in erster Linie die Verschmelzungsrichtlinie der Europäischen Union aus dem Jahr 2005 (Richtlinie 2005/56/EG). Die ‑ zwischenzeitlich in sämtlichen Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzte ‑ Richtlinie ermöglicht grenzüberschreitende Verschmelzungen zwischen Kapitalgesellschaften in verschiedenen Mitgliedstaaten der EU oder des Europäischen Wirtschaftsraums (Island, Liechtenstein und Norwegen).
Man fragt sich sofort: Ist es daher nicht möglich, eine deutsche Personengesellschaft auf eine ausländische Gesellschaft zu verschmelzen oder umgekehrt? Und: Besteht keine Möglichkeit, eine deutsche Gesellschaft mit einer Gesellschaft außerhalb der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums zu verschmelzen?
Das deutsche Umwandlungsgesetz sieht ausdrücklich weder das eine noch das andere vor. Grenzüberschreitende Verschmelzungen unter Beteiligung von Personengesellschaften in der EU oder dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) müssen im Grundsatz zumindest dann zulässig sein, wenn die beteiligten nationalen Gesetzgeber – wie auch der deutsche Gesetzgeber – eine rein nationale Verschmelzung von Personengesellschaften ermöglichen. Hierfür sprechen die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs.
Vor dem Hintergrund der Unwägbarkeiten einer fehlenden gesetzlichen Grundlage ist diese Möglichkeit allerdings in der Praxis bislang kaum relevant geworden. Ähnliches gilt für andere Umwandlungsvorgänge (Spaltungen, Formwechsel) und grenzüberschreitende Sitzverlegungen, auch wenn deren grundsätzliche Zulässigkeit im Allgemeinen bejaht wird. Dieser Beitrag beschränkt sich daher im Folgenden auf grenzüberschreitende Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften in verschiedenen Mitgliedsstaaten der EU oder des EWR.
Ablauf einer grenzüberschreitenden Verschmelzung
Die Umsetzung einer grenzüberschreitenden Verschmelzung zwischen Gesellschaften in verschiedenen Jurisdiktionen hat zur Folge, dass sowohl die Bestimmungen des Mitgliedsstaats der Gesellschaft, die verschmolzen werden soll, als auch die Bestimmungen des Mitgliedsstaats der Gesellschaft, die diese Gesellschaft aufnehmen soll, eingehalten werden müssen. Die in nationales Recht umgesetzten Vorgaben der Verschmelzungsrichtlinie geben dabei die wesentlichen Verfahrensschritte vor, die in weiten Teilen den bereits dargestellten Schritten einer rein nationalen Verschmelzung deutscher Gesellschaften entsprechen.
Die wesentlichen Schritte zur Umsetzung einer grenzüberschreitenden Verschmelzung unter Beteiligung einer deutschen Kapitalgesellschaft:
- Die an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften stellen die Jahresabschlüsse auf, die Grundlage der Verschmelzung sind.
- Die übertragende und die übernehmende Kapitalgesellschaft vereinbaren einen Verschmelzungsplan. Der Verschmelzungsplan muss für die beteiligte deutsche Gesellschaft notariell beurkundet werden. Inwieweit der Verschmelzungsplan in der Jurisdiktion der anderen beteiligten Gesellschaft zudem weiteren Formerfordernissen unterliegt, richtet sich nach den Bestimmungen dieser Jurisdiktion.
- Der Verschmelzungsplan muss im Grundsatz durch einen Verschmelzungsprüfer geprüft werden. Insbesondere für die in der Praxis besonders relevanten konzerninternen Verschmelzungen besteht allerdings die Möglichkeit, dass sämtliche Gesellschafter der beteiligten Gesellschaften auf die Prüfung verzichten.
- Die beteiligten Vertretungsorgane müssen einen Verschmelzungsbericht aufstellen, in dem insbesondere die rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekte der Verschmelzung und deren Auswirkungen auf Arbeitnehmer und Gläubiger erläutert werden. Praktisch bedeutsam ist, dass auf die Erstellung dieses Berichts – anders als bei einer nationalen Verschmelzung deutscher Gesellschaften – nicht verzichtet werden kann und die Erstellung des Verschmelzungsberichts einen nicht zu unterschätzenden zusätzlichen Aufwand zur Folge hat.
- Der gemeinsame Verschmelzungsplan muss spätestens einen Monat vor der Gesellschafterversammlung, in der über den Verschmelzungsvertrag Beschluss gefasst wird, bekannt gemacht werden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss auch der Verschmelzungsbericht den Gesellschaftern und den Arbeitnehmern oder den Arbeitnehmervertretern zugänglich gemacht werden. Für die beteiligte deutsche Gesellschaft erfolgt die Bekanntmachung des Verschmelzungsplans, indem er zum Handelsregister eingereicht wird.
- Die Gesellschafterversammlungen der beteiligten Gesellschaften beschließen über die Zustimmung zum Abschluss des Verschmelzungsplans. Für die praktisch besonders relevante Konzernverschmelzung besteht allerdings die Vereinfachung, dass bei einer Verschmelzung einer Gesellschaft auf ihren Alleingesellschafter (so genannter Upstream-Merger) ein Gesellschafterbeschluss der Gesellschafterversammlung der übertragenden Gesellschaft nicht erforderlich ist. Wiederum gilt, dass der erforderliche Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung der deutschen Gesellschaft notariell zu beurkunden ist.
- Die übertragende Gesellschaft beantragt bei dem für sie zuständigen Gericht, Notar oder der Behörde eine Verschmelzungsbescheinigung, in der die Einhaltung der auf die übertragende Gesellschaft anwendbaren Bestimmungen für die Verschmelzung bestätigt wird. Wenn eine deutsche Gesellschaft die übertragende Gesellschaft ist, entscheidet das Handelsregister hierüber. Praktisch besonders bedeutsam ist, dass wie bei einer rein nationalen Verschmelzung zum deutschen Handelsregister eine Schlussbilanz der übertragenden deutschen Gesellschaft eingereicht werden muss, die nicht älter als acht Monate sein darf. Ob und welche Fristen für eine übertragende ausländische Gesellschaft gelten, richtet sich nach dem Recht, dem diese Gesellschaft unterliegt.
- Nachdem die Verschmelzungsbescheinigung erteilt ist, beantragt die übernehmende Gesellschaft bei dem für sie zuständigen Gericht, Notar oder der Behörde die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Verschmelzung. Nach dem Recht der übernehmenden Gesellschaft bestimmt sich, wann die Verschmelzung wirksam wird. Für eine deutsche übernehmende Gesellschaft ist dies der Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister.
Anforderungen sämtlicher involvierter Jurisdiktionen zu beachten
Die Verschmelzungsrichtlinie gibt lediglich einen einheitlichen Rahmen für die ganz wesentlichen Schritte zur Umsetzung einer grenzüberschreitenden Verschmelzung vor. Im Übrigen überlasst es die Verschmelzungsrichtlinie dem nationalen Gesetzgeber, den rechtlichen Rahmen auszufüllen. Dies betrifft insbesondere die folgenden Bereiche:
- Bestimmungen über den Schutz der Gläubiger der an der Verschmelzung beteiligten Kapitalgesellschaften, insbesondere einzuhaltende Fristen zur Geltendmachung von Sicherheitsleistungen
- Bestimmungen über den Schutz von Minderheitsgesellschaftern der an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften
- Bestimmungen über die Vorbereitung und Durchführung der Gesellschafterversammlung
- Formvorschriften für den Verschmelzungsplan und die Gesellschafterbeschlüsse
- die Zulässigkeit und die Maximaldauer der handels- und steuerrechtlichen Rückwirkung der Verschmelzung
- die für die zu erstellenden Dokumente zulässige Sprache und damit die Frage, ob Dokumente mehrsprachig für sämtliche beteiligten Jurisdiktionen erstellt werden müssen
Dies macht es erforderlich, sehr früh im Prozess einen genauen Zeitplan für die grenzüberschreitende Verschmelzung unter Berücksichtigung der Anforderungen sämtlicher involvierter Jurisdiktionen aufzustellen.
Als Daumenregel ist davon auszugehen, dass für die Umsetzung einer grenzüberschreitenden Verschmelzung vom Beginn des Projekts bis zum Wirksamwerden der Verschmelzung mit einem Zeitraum von mindestens 8 Monaten gerechnet werden muss. Dies ist insbesondere für diejenigen von besonderer Relevanz, die noch überlegen, kurz vor einem etwaigen „harten″ Brexit unter Inanspruchnahme des Rechtsrahmens der Verschmelzungsrichtlinie eine Gesellschaft aus dem Vereinigten Königreich in die verbleibende Europäische Union zu verlagern.
Eine zusätzliche Komplexität, aber auch Chancen, hat eine grenzüberschreitende Verschmelzung zudem, wenn Bestimmungen über die Mitbestimmung von Arbeitnehmervertretern in Unternehmensorganen der übernehmenden Gesellschaft einzuhalten sind.
Unsere Beitragsreihe stellt wichtige Aspekte rund um das Umwandlungsrecht nach dem UmwG vor. Hier zeigen wir die Möglichkeiten einer Unternehmensumstrukturierung auf, stellen einzelne Aspekte heraus, schildern Herausforderungen und skizzieren die ein oder andere Lösungsidee. Bisher erschienen ist ein Überblick über die umwandlungsrechtliche Verschmelzung, ein Beitrag zum Verschmelzungsvertrag sowie zum Formwechsel. Weiter haben wir die Möglichkeiten im Rahmen einer Unternehmensspaltung, die partielle Gesamtrechtsnachfolge sowie den Ablauf einer Spaltung erläutert. Zuletzt sind wir auf die Schlussbilanz, die Besteuerung von Umwandlungen und die arbeitsrechtlichen Besonderheiten bei Umwandlungen eingegangen.