Corporate Venture Capital bietet einen strategisch langfristigen Lösungsansatz für den digitalen Wandel für Automobilunternehmen.
Das Verständnis von Mobilität verändert sich rasant: shared mobility, Elektromobilität, autonomes Fahren und Konnektivität sind nur einige der Stichworte, die Automobilunternehmen vor Herausforderung stellen. Sie sind angehalten, schnell innovative Konzepte zu entwickeln und bis zur Marktreife zu bringen.
Der personelle Ausbau der eigenen Entwicklungsabteilungen ist dabei ein Baustein, um mit der Digitalisierung Schritt zu halten. Die Automobilunternehmen haben aber auch erkannt, dass externes Know-how erforderlich ist, um langfristig auf dem digitalen Markt bestehen zu können.
Die Bedeutung strategischer Partnerschaften mit digitalen Startups nimmt immer mehr zu. Mit Corporate Venture Capital können Automobilunternehmen das hochtechnologische Know-how und die Innovationskraft digitaler Startups für sich nutzen.
Industrieunternehmen treten als Venture Capital Investoren auf
Der Begriff Corporate Venture Capital bezeichnet das Bereitstellen von Eigenkapital oder eigenkapitalähnlichen Mitteln durch Industrieunternehmen an Startup Unternehmen. Die Industrieunternehmen beteiligen sich in der Regel bei Finanzierungsrunden als Minderheitsgesellschafter an den digitalen Startups.
Die digitalen Startups sind zu diesem Zeitpunkt zwar über die Seed-Phase hinaus, benötigen aber für die Entwicklung marktreifer Produkte und Anwendungen nicht nur Kapital. Sie benötigen insbesondere auch das Know-how, die Infrastruktur, den Marktzugang und die (komplementären) Technologien der großen Industrieunternehmen.
Der wesentliche Unterschied zum klassischen Venture Capital ist der strategische und langfristige Ansatz, den die Industrieunternehmen mit Corporate Venture Capital verfolgen. Klassische Venture Capital Investoren haben primär das Ziel, die größtmögliche Rendite zu erwirtschaften und nach fünf bis sieben Jahren den Exit zu vollziehen.
Bei Corporate Venture Capital Investments steht die Renditeerwartung hingegen nicht an erster Stelle. Die Zusammenarbeit mit den digitalen Startups ist auf eine längere Zeit angelegt. Auch das eingesetzte Kapital stammt nicht wie beim klassischen Venture Capital von externen Investoren, sondern aus dem Konzernbudget.
Alternative Innovationsinstrumente – Acqui-Hire, Know-how Joint Venture, Inkubatoren und Accelerator
Abzugrenzen ist das Corporate Venture Capital von anderen Innovationsinstrumenten, die im Zuge der Digitalisierung zunehmend an Bedeutung gewinnen. Neben klassischem M&A, auch in Form von Acqui-Hire, kann die Gründung von Know-how Joint Ventures Teil der Innovationsstrategie sein. Dabei können solche Know-how Joint Ventures nicht nur zwischen Automobilunternehmen und digitalen Startups, sondern auch zwischen den Automobilunternehmen Sinn machen.
Die Förderung digitaler Startup Unternehmen über sogenannte Inkubatoren, Accelerator oder Innovation Labs geht, im Gegensatz zum Corporate Venture Capital, nicht mit einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung am Startup Unternehmen einher. Hinter diesen Konzepten verbirgt sich meist nicht nur die gezielte und projektbezogene Förderung von Startup Unternehmen, sondern häufig auch die Förderung von künftigen Gründern im Rahmen von festgelegten Programmen über weniger Wochen (Accelerator) oder langfristig über mehrere Monate hinweg (Inkubator).
Automobilunternehmen bei Corporate Venture Capital noch zurückhaltend
Die Bedeutung von Corporate Venture Capital als Innovationsinstrument hat über alle Branchen hinweg in den letzten fünf Jahren stark zugenommen. Das aktive und gezielte Suchen und Investieren in die Technologien der Zukunft hat Hochkonjunktur. Die Automobilunternehmen gehören dabei zwar zu den aktiven, aber nicht den aktivsten Akteuren.
Diese Zurückhaltung mag vor allem an dem personellen und finanziellen Aufwand liegen, den das Aufsetzen eines Corporate Venture Capital mit sich bringt. Oftmals stößt die Planung und Umsetzung der Corporate Venture Capital Strategie aus diesem Grund in den eigenen Reihen auf Widerstände.
Chancen von Corporate Venture Capital für die Automobilunternehmen
Dabei kann eine gezielt eingesetzte Corporate Venture Capital Strategie den Automobilunternehmen den frühzeitigen Zugang zu neuen und innovativen Technologien, Geschäftsmodellen und Märkten ermöglichen. So können sie diese ausgiebig testen und gegebenenfalls zur Marktreife führen.
Als strategischer Minderheitsinvestor erhalten Automobilunternehmen Mitspracherechte und können die künftige Ausrichtung des Startup Unternehmens mitbestimmen. Durch den Aufbau von neuen Geschäftsmodellen kann zudem die Nachfrage nach den eigenen komplementären Produkten geschaffen werden.
Neben diesen strategischen Vorteilen können Corporate Venture Capital Investments aber auch positive Auswirkungen auf die Unternehmensorganisation haben. Oft sind die Prozesse in großen Konzernen langsam, wenig flexibel und von großem Sicherheitsdenken geprägt. Die Zusammenarbeit mit digitalen Startups mit ihrer schnellen Reaktionsgeschwindigkeit, Innovationskraft und Flexibilität kann als Anstoß dienen, verfestigte Unternehmensstrukturen zu überdenken.
Ist das Startup Unternehmen erfolgreich, bietet Corporate Venture Capital den Automobilunternehmen eine unmittelbare Beteiligung am Erfolg: Der Wert des Corporate Venture Capital Investments steigt und es besteht die Möglichkeit das Engagement in folgenden Finanzierungsrunden bis hin zu einer Mehrheitsbeteiligung zu erhöhen.
Doch auch wenn der finanzielle Erfolg eines Corporate Venture Capital Investments ausbleibt, erhalten Automobilunternehmen über Corporate Venture Capital tiefe Einblicke in die aktuellen Technologie- und Marktentwicklungen. Die meist global ausgerichtete Suche nach Kandidaten eröffnet ein „window on technology″. Damit können Automobilunternehmen frühzeitig auf Entwicklungen im Markt reagieren und vielversprechende Automotive Startups an Bord holen.
Chancen und Risiken von Corporate Venture Capital für die Startup Unternehmen
Auch Startup-Unternehmen profitieren bei einer CVC Beteiligung. Die finanziellen Ressourcen und der klangvolle Name des Investors erleichtern den Gründern die Geschäftsentwicklung. Auch der Zugang über den Corporate Venture Capital Investor zu technologischem Know-how, geschärften Prozessen, Vertriebskanälen und Kooperationspartnern kann die Entwicklung des Startup Unternehmens stark vorantreiben.
Zu beachten ist jedoch, dass die Beteiligung eines strategisch orientierten Partners in der Regel auch eine Festlegung auf dessen Interessen bedeutet. Dies kann den Handlungsspielraum des digitalen Startups und anderweitige Kooperationsmöglichkeiten einschränken.
Corporate Venture Capital als Baustein der Innovationsstrategie
Bevor eine Corporate Venture Capital Strategie aufgesetzt wird, sollten Strategieverantwortliche eine genaue Analyse durchführen und prüfen. Warum begeben sie sich extern auf die Suche nach Innovation? Welche konkreten Forschungsfelder ziehen sie in Betracht? Und wie wollen sie Wertschöpfung erreichen?
Auch sollte geklärt werden, ob eine eigene Corporate Venture Capital Gesellschaft am Markt auftreten, oder die CVC Strategie nur als Teil einer internen Abteilung umgesetzt werden soll. Für eine eigene Corporate Venture Capital Gesellschaft spricht eine klarere Zuordnung der Verantwortlichkeiten innerhalb des Konzerns und im Auftritt nach außen, sowie die Haftungsabgrenzung.
Mit klar definierten Antworten auf diese Fragen ist eine realistische Beurteilung möglich, ob Corporate Venture Capital alleine, oder in Kombination mit anderen Innovationsinstrumenten dem Automobilunternehmen, bei der Bewältigung der Herausforderungen der Digitalisierung nutzen kann.
Unsere Beitragsreihe stellt wichtige Aspekte rund um das Thema „M&A Strategien im digitalen Wandel der Automobilindustrie″ dar. Hier zeigen wir Ziele und Konzepte auf, berichten von aktuellen Trends, schildern Herausforderungen und skizzieren die ein oder andere Lösungsidee. Bereits erschienen ist ein Beitrag zur Gründung von Joint Ventures zum Erwerb digitalen Knowhow und zur russischen Autoindustrie in der Krise sowie zu Smart Mobility in Russland. Zuletzt befassten wir uns mit der Digital Compliance bei M&A in der Automobilindustrie, dem Einfluss des Brexits auf die Automobilindustrie und den Desinvestitionen in der Automobilindustrie.
Allgemeinere rechtliche Aspekte der Digitalisierung sind Gegenstand der Studie „Digital Economy & Recht″, die wir gemeinsam mit dem Bundesverband der Unternehmensjuristen (BUJ) erstellt haben.