16. März 2017
Joint Ventures
Mergers & Acquisitions (M&A)

Gründung von Joint Ventures zum Erwerb digitalen Knowhows

Um im digitalen Wandel konkurrenzfähig zu bleiben, bedarf es digitalen Knowhows. Die Gründung von Joint Ventures kann genau das leisten.

Vermehrt sind auch in der Automobilindustrie die Gründung von Joint Ventures zum Erwerb digitalen Knowhows zu beobachten.

Die deutsche Automobilindustrie steht vor großen Herausforderungen durch Themen wie Elektromobilität, Digitalisierung, Autonomes Fahren, Connectivity, Artificial Intelligence und neue Mobilitätskonzepte. Doch nicht nur diese Themen fordern die Automobilindustrie heraus. Zusätzlich üben auch neue Konkurrenten wie Tesla, Faraday Future, Apple iCar, Waymo und Lucid Motors Druck auf die etablierten Unternehmen aus.

Um diese neuen Herausforderungen zu meistern, bedarf es hoher Investitionen und Knowhow in Bereichen, die früher nicht primär der Automobilindustrie zugeordnet worden wären. Die Gründung von Joint Ventures ermöglicht es Knowhow und/oder Finanzierungsmittel zu bündeln. Doch was ist ein Joint Venture?

Joint Venture – wörtlich: gemeinsames Wagnis

Joint Venture ist eine Kooperationsform, bei dem sich rechtlich und wirtschaftlich voneinander unabhängige Unternehmen zusammenschließen, um ein gemeinsames Projekt umzusetzen. Hierbei gibt es zwei Arten von Joint Ventures: „Contractual Joint Venture″ und „Equity Joint Venture″.

Contractual Joint Venture

Brauchen die Unternehmen keine Gesellschaft, die nach außen handlungsfähig sein soll, so schließen sie meist nur einen schuldrechtlichen Vertrag, den Joint Venture Vertrag oder Konsortialvertrag (auch Contractual Joint Venture genannt).

Dieser beschreibt den Zweck des Zusammenschlusses, stellt die Grundlage für die gemeinsame Zusammenarbeit dar und regelt die gegenseitigen Rechte und Pflichten. Rechtlich wird hierdurch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet, auf die die §§ 705 ff. BGB anwendbar sind.

Da die Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht als Rechtsträger am Rechtsverkehr teilnehmen soll, sondern im Rechtsverkehr die eigentlichen Joint Venture Partner auftreten, wird sie auch als BGB-Innengesellschaft bezeichnet. Diese Konstruktion wird in der Praxis beispielsweise bei der gemeinsamen Anschaffung und Nutzung von Produktionsanlagen oder Arbeitsgemeinschaften gewählt.

Equity Joint Venture

Möchten hingegen die Joint Venture Partner mit ihrem Joint Venture am Rechtsverkehr teilnehmen und Rechtsgeschäfte abschließen, so gründen sie regelmäßig ein sogenanntes Gemeinschaftsunternehmen, auch als Equity Joint Venture bezeichnet. Hier bietet sich aufgrund der Haftungsbegrenzung und freien Gestaltbarkeit des Gesellschaftsvertrags vor allem die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) an.

Die Gesellschaft wird meist von den Joint Venture Partnern selbst als Gemeinschaftsunternehmen gegründet, oder als Vorrats-/Mantelgesellschaft aktiviert. Darüber hinaus wird zusätzlich ein Joint Venture Vertrag geschlossen, der die Verpflichtungen der Joint Venture Partner regelt, die nicht im Gesellschaftsvertrag aufscheinen sollen. Denn letzterer wird im Handelsregister veröffentlicht und ist damit für jedermann zugänglich.

Solche vertraulichen Verpflichtungen sind beispielsweise Förder- oder Finanzierungspflichten. Diese Konstruktion ist dem Contractual Joint Venture vorzuziehen, wenn das Joint Venture selbst operativ tätig werden soll und nicht die einzelnen Joint Venture Partner.

Beispiele für die Gründung von Joint Ventures in der Automobilindustrie

Audi, BMW und Daimler haben sich zusammengeschlossen und den Kartendienst HERE von Nokia für 2,8 Milliarden Euro übernommen. Nicht nur ein Joint Venture zum gegenseitigen Vorteil der Joint Venture Partner, sondern auch eine Strategie, Google und Apple die Stirn zu bieten. Denn detailliertes Kartenmaterial ist entscheidend für die Entwicklung des autonomen Fahrens. Ferner beinhalten auch die bei der Auswertung erzeugten Kartendaten großes Geschäftspotential.

Daimler und Bosch haben das Joint Venture EM-motive GmbH gegründet. Damit beschleunigen sie die Entwicklung von Antriebsmotoren für Hybrid- und Elektrofahrzeuge. Das Knowhow von Bosch in der Entwicklung und Produktion von Elektromotoren paart sich mit der Kompetenz von Daimler im Bereich Elektromobilität mit Brennstoffzelle und Batterie. So können beide Unternehmen ihre Vorteile aus dem Joint Venture ziehen und effektiv nutzen.

In diesem Sinne: Auf das gemeinsame Wagnis – nicht nur das Joint Venture, sondern auch die herausragenden Technologien!

Unsere Beitragsreihe stellt wichtige Aspekte rund um das Thema M&A Strategien im digitalen Wandel der Automobilindustrie″ dar. Hier zeigen wir Ziele und Konzepte auf, berichten von aktuellen Trends, schildern Herausforderungen und skizzieren die ein oder andere Lösungsidee. Bereits erschienen ist ein Beitrag zu Corporate Venture Capital und digitalen Startups als strategische Partner der Automobilindustrie, zur russischen Autoindustrie in der Krise sowie zu Smart Mobility in Russland. Zuletzt befassten wir uns mit der Digital Compliance bei M&A in der Automobilindustrie, dem Einfluss des Brexits auf die Automobilindustrie und den Desinvestitionen in der Automobilindustrie.

Allgemeinere rechtliche Aspekte der Digitalisierung sind Gegenstand der Studie „Digital Economy & Recht″, die wir gemeinsam mit dem Bundesverband der Unternehmensjuristen (BUJ) erstellt haben.

Tags: Gründung Joint Venture m&a
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Anna-Maria Cardinale-Koc