Das BPatG hat sich erneut mit der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr bei Einwortzeichen beschäftigt.
Ein besonderes Merkmal der deutschen Sprache ist die Möglichkeit, verschiedene einzelne Wörter zu einem neuen Wort zusammenzufügen. Derartige Komposita sind aufgrund ihrer Vielseitigkeit in der Werbung und bei der Benennung von Produkten sehr beliebt. Markenrechtlich ergeben sich jedoch dann Probleme, wenn einzelne Begriffe eines als Marke eingetragenen Kompositums bereits Markenschutz genießen.
So musste sich das Bundespatentgericht (BPatG) in seinem Beschluss vom 4. Mai 2021 (29 W (pat) 36/18) mit der Frage auseinandersetzen, ob zwischen der Marke „Tiger″ und der neu eingetragenen Marke „Tigerkraft″ aufgrund des gemeinsamen Wortbestandteils eine Verwechslungsgefahr besteht.
Auseinandersetzung zwischen zwei Biermarken
Gegenstand des Rechtsstreits war ein Widerspruchsverfahren gegen die unter anderem für Biere und andere alkoholische Getränke neu eingetragene deutsche Marke „Tigerkraft″. Die Beschwerdeführerin, Inhaberin der größten asiatischen Biermarke „Tiger″, befürchtete eine Verwechslungsgefahr der beiden Marken und legte Widerspruch ein. Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) wies den Widerspruch zunächst zurück, weil eine Benutzung der Marke „Tiger″ in Deutschland auf die Einrede der Nichtbenutzung nicht hinreichend dargelegt worden sei. Nachdem eine Erinnerung gegen diese Entscheidung erfolglos geblieben war, zog die Beschwerdeführerin vor das BPatG.
Marke „Tiger″ besitzt nur durchschnittliche Kennzeichnungskraft
Trotz ihrer Bekanntheit im asiatischen Raum beurteilte das BPatG die Kennzeichnungskraft der Marke „Tiger″ in Deutschland nur als durchschnittlich. So werde die Bezeichnung „Tiger″ im Lebensmittelbereich häufig im Rahmen der Werbung verwendet. Darüber hinaus sei im maßgeblichen deutschen Markt keine Steigerung der Kennzeichnungskraft durch eine intensive Benutzung festzustellen.
Nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin würden innerhalb der EU jährlich 100.000 Hektoliter Tiger-Bier verkauft. Im Jahr 2015 entfielen davon 2.750 Hektoliter auf den deutschen Markt. Im gleichen Jahr betrug das Absatzvolumen deutscher Brauereien jedoch 95,7 Mio. Hektoliter. Ähnlich deutliche Unterschiede stellte das BPatG auch in Bezug auf die Werbeausgaben fest und resümierte:
Selbst wenn es sich bei der Widerspruchsmarke um eine der bekanntesten und größten Biermarken Asiens handeln mag, die mittlerweile in über 70 Ländern erhältlich ist, ist von einer starken Markenpräsenz im Ausland auf eine gesteigerte Verkehrsbekanntheit im Inland nur zu schließen, sofern sich diese konkret feststellen lässt.
Das war hier nicht der Fall, weshalb es bei einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft blieb.
Wortbestandteil „Tiger″ besitzt keine prägende Funktion
Zur Feststellung einer möglichen Ähnlichkeit der Zeichen „Tiger″ und „Tigerkraft″ in klanglicher, schriftbildlicher und begrifflicher Hinsicht betonte das BPatG, dass jeweils der Gesamteindruck der Marken zu vergleichen sei, ohne sie in einzelne Bestandteile zu zerlegen. Insofern würden sich die Zeichen sowohl klanglich wie auch schriftbildlich aufgrund des Zusatzes „Kraft″ voneinander unterscheiden. Begrifflich ändere der Zusatz „Kraft″ die Wortbedeutung, sodass nicht davon auszugehen sei, dass das angesprochene Publikum die Bedeutung der beiden Begriffe gleichsetzen würde.
Eine Ähnlichkeit ergebe sich auch nicht dadurch, dass beide Zeichen den Bestandteil „Tiger″ enthielten. Insbesondere komme diesem Bestandteil im Rahmen des Wortes „Tigerkraft″ als „sprachüblich gebildetes deutsches Einwortzeichen″ keine prägende Funktion zu. Grammatikalisch beziehe sich „Tiger″ auf „Kraft″, welches als Bezugswort nicht vernachlässigt werde. Insofern sei auch irrelevant, dass sich „Tiger″ am Anfang des Wortes befinde. Diese Stellung sei bei Einwortzeichen weniger relevant als bei Marken, die aus mehreren einzelnen Wörtern bestünden.
„Kraft″ hat für Biere keine rein beschreibende Bedeutung
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin sei der Zusatz „Kraft″ im Kontext der maßgeblichen Ware „Bier″ nicht aufgrund einer bloß beschreibenden Bedeutung zu vernachlässigen. Zwar existiere die Bezeichnung „Kraftbier″, dabei handele es sich aber nicht um eine gängige Definition einer Biersorte wie etwa dem Weizen- oder Dunkelbier. Im Gegensatz zu einem „Weizen″ oder einem „Dunklen″ könne im Lokal kein „Kraft″ bestellt werden. Darüber hinaus sei „Kraft″ in der Marke „Tigerkraft″ auch nicht als werblicher Hinweis auf die stärkende Wirkung oder den hohen Kohlenhydratgehalt zu verstehen, zumal diese Eigenschaften mittlerweile und insbesondere in Zeiten von „Light-Bieren″ an Bedeutung verloren hätten.
Die Existenz von „Craft Beer″ lässt nach Auffassung des BPatG keine andere Beurteilung zu. Inhaltliche Übereinstimmungen zwischen „Kraftbier″ und „Craft Beer″ seien allenfalls fehlerhaften Übersetzungen aus dem Englischen oder aber bewussten und damit erkennbaren Wortspielen geschuldet. Es sei aber nicht damit zu rechnen, dass die angesprochenen Verkehrskreise „Tigerkraft″ oder auch nur „Kraft″ als Hinweis auf ein Craft Beer wahrnehmen würden.
Keine Verwechslungsgefahr aufgrund gedanklicher Verbindung
Abschließend widmete sich das BPatG der Frage, ob die beiden Zeichen zumindest gedanklich in Verbindung gebracht werden könnten. Aufgrund der gesamtbegrifflichen Bedeutung von „Tigerkraft″ lehnte das Gericht eine solche mögliche Verbindung jedoch ab. Dafür komme dem Bestandteil „Tiger″ im Rahmen der Wortzusammensetzung keine hinreichend selbständige Stellung zu:
Dass ein Zeichen geeignet ist, bloße Assoziationen an ein fremdes Kennzeichen zu wecken, reicht nicht aus. Es müssen vielmehr weitere besondere Umstände vorliegen, die dem Verkehr die Annahme von wirtschaftlichen oder organisatorischen Beziehungen nahelegen.
Solche Annahmen waren weder ersichtlich noch von der Beschwerdeführerin vorgetragen.
Keine Übertragung der Entscheidung auf das Parallelverfahren „Tigercraft″
Im Ergebnis wies das BPatG die Beschwerde ab. Die ursprünglich von der Beschwerdeführerin geforderte Zurückverweisung an das DPMA zur einheitlichen Entscheidung mit einem Parallelverfahren zur Marke „Tigercraft″ lehnte das BPatG ab. Diesbezüglich mache die Diskussion um Craft Beer eine eigenständige Beurteilung der Verwechslungsgefahr erforderlich.
Letzteres ist nachvollziehbar, zumal bereits die gerichtliche Interpretation der Verkehrsauffassung im Fall von „Tigerkraft″ und Craft Beer sehr oberflächlich geblieben ist. Die Andeutung des Gerichts kann wohl so aufgefasst werden, dass im Falle von „Tigercraft″ wahrscheinlich anders entschieden worden wäre. Jedenfalls verdeutlicht der Beschluss die Stärke von Einwortzeichen bzw. deutschen Wortkomposita. Diese in der Werbung beliebten Zusammensetzungen sind also auch im Markenrecht nicht zu vernachlässigen.