19. Mai 2021
Haftung Markenrechtsverletzung Lagerung
Markenrecht

Haftung bei Lagerung markenverletzender Ware für Dritte

Am 21. Januar 2021 stellte der BGH (Az.: I ZR 20/17) klar, dass die Lagerung markenrechtsverletzender Ware für Dritte ohne Kenntnis der Markenverletzung keine Haftung begründet.

Der BGH hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die bloße Lagerung von rechtsverletzenden Waren bereits den Tatbestand des Art. 9 Abs. 3 lit. b) UMV erfüllt. Nach dieser Bestimmung kann im Fall des Vorliegens einer Verletzung der Marke insbesondere verboten werden, unter dem Zeichen Waren anzubietenin Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen.

Kläger verlangte Informationen über markenverletzende Parfümflakons

Klägerin ist Lizenznehmerin an den u.a. für „perfumery, essential oils, cosmetics″ mit Schutz für die Europäische Union eingetragenen Rechten an „DAVIDOFF″. Die Beklagten gehören beide demselben Konzern an. Sie ermöglichen es Drittanbietern auf einem online Marketplace Verkaufsangebote einzustellen und unmittelbar an Endkunden zu verkaufen. 

Im Rahmen der Option „Versand durch […]″ werden die Produkte durch Gesellschaften des Konzerns gelagert und durch externe Dienstleister versandt. Eine der Beklagten betreibt ein solches Warenlager.

Die Klägerin stellte durch einen Testkauf fest, dass auf dem online Marketplace markenverletzende Parfümflakons mit der Option „Versand durch […]″ angeboten wurden. Sie forderte die Beklagten zur Herausgabe aller betroffenen Parfums auf und erhielt daraufhin ein Paket, welches neben den rechtsverletzenden ″DAVIDOFF″ Parfums zusätzlich weitere Parfums aus dem Lagerbestand eines anderen Verkäufers enthielt. Auf die Nachfrage aus wessen Warenbestand diese weiteren Produkte stammen, teilten die Beklagten mit, dass sie dies nicht mehr aufklären können.

Die Klägerin hielt das Verhalten der Beklagten für rechtswidrig und ist gegen diese wegen des Vorwurfs der Markenrechtsverletzung vorgegangen.

Ahnungslose Warenlagerbetreiber bieten markenrechtsverletzende Waren weder an noch bringen sie diese in den Verkehr

Der BGH legte dem EuGH die Frage vor, ob Art. 9 Abs. 3 lit. b) UMV dahin auszulegen sei, dass eine Person, die für einen Dritten markenrechtsverletzende Waren lagert, ohne Kenntnis von der Markenrechtsverletzung zu haben, so anzusehen ist, dass sie diese Waren zum Zweck des Anbietens oder Inverkehrbringens im Sinne dieser Bestimmung besitzt, wenn sie selbst nicht diese Zwecke verfolgt.

Die Antwort des EuGH (Urteil v. Urt. v. 2. April 2020 – C-567/18) fiel deutlich aus. Er hat in seiner Entscheidung festgehalten, dass die in Art. 9 Abs. 3 UMV aufgezählten Benutzungsformen nicht abschließend seien. Ob das bloße Lagern diesen unterfalle, bestimme sich danach, ob dies als eine Benutzung im Sinne des Art. 9 Abs. 2 UMV und insbesondere ein Besitzen zu den in Art. 9 Abs. 3 UMV genannten Zwecken zu qualifizieren sei. 

In Übereinstimmung mit seiner bisherigen Rechtsprechung zu Betreibern von Handelsplattformen stellte er klar, dass ein Benutzen im Sinne der Norm ein aktives Verhalten und eine unmittelbare oder mittelbare Herrschaft über die Benutzungshandlung voraussetze. Ähnlich zu einem Betreiber einer Handelsplattform, sei dies bei einem Lagerinhaber nicht ohne Weiteres der Fall, da dieser ausschließlich eine Dienstleistung der Lagerung von mit der Marke eines anderen versehenen Waren erbringe. 

Zudem ziele der Art. 9 Abs. 3 lit. b) UMV nach seinem Wortlaut darauf ab, nur solche Benutzungen eines Zeichens zu erfassen, die den dort genannten Zwecken, dem Anbieten oder Inverkehrbringen dienen. Der Lagerhalter müsse demnach selbst diese Zwecke verfolgen, was dann nicht der Fall sei, wenn er die betreffenden Waren weder selbst anbietet oder in den Verkehr bringt noch eine entsprechende Absicht hegt. Ein Lagerhalter, der keine Kenntnis von der Markenrechtsverletzung hat, besitze die Waren daher nicht zum Zweck des Anbietens oder Inverkehrbringens, wenn er selbst nicht diese Zwecke verfolgt.

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs war die Entscheidung des BGH vorgezeichnet. Er entschied, dass die Beklagten nicht als Täter oder Teilnehmer einer Markenverletzung in Betracht kommen. 

Keine Klärung des Verhältnisses europäischer Intermediärhaftung zu nationaler Störerhaftung 

Trotz Ersuchen der Klägerin, ließ der EuGH aber die interessante Frage offen, inwieweit die Beklagten nach den Grundsätzen der europäischen Intermediärhaftung – die grundsätzlich weiter ausgelegt wird als die deutsche Störerhaftung und die der EuGH auch bereits auf physische Sachverhalte angewandt hat (vgl. Urteil v. 7. Juli 2016 – C-494/15) – für die etwaige Markenrechtsverletzung zur Verantwortung gezogen werden können. 

Da der BGH diese Frage selbst nicht vorgelegt hatte, konnte er uneingeschränkt seine bisher entwickelten nationalen Parameter zur Störerhaftung anwenden. Danach kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt (Störerhaftung). 

Dies setzt die Verletzung von Verhaltenspflichten voraus. Unter diese Verhaltenspflichten fallen auch zumutbare Prüfpflichten. Die Zumutbarkeit der Prüfpflichten hängt zwar davon ab, ob die Rechtsverletzung eines Dritten erst nach eingehender rechtlicher oder tatsächlicher Prüfung festgestellt werden kann oder offenkundig und unschwer zu erkennen ist. Die Auslösung der Prüfpflichten hat aber nicht zur Voraussetzung, dass die Rechtsverletzung aus dem beanstandeten Angebot selbst ersichtlich ist. Der Beklagten, die den online Marketplace betreibt, sei es möglich und zumutbar gewesen, aufgrund des Hinweises der Klägerin durch eine Nachfrage bei der Verkäuferin Informationen über die Herkunft der Ware einzuholen. Insofern sei vom Berufungsgericht erneut zu untersuchen, ob sie ihre Prüfpflichten in diesem Umfang verletzt haben.

Soweit es aber die bloße Lagerhaltung betrifft, sei eine Verletzung von Prüfpflichten zu verneinen, da die Warenlogistik durch die Annahme einer anlasslosen Prüfpflicht des Lagerhalters erheblich beeinträchtigt würde. Einem Unternehmen, das Waren für eine Vielzahl von Kunden einlagert, sei es grundsätzlich nicht zumutbar, sämtliche von ihm in Besitz genommene Waren auf mögliche Rechtsverletzungen zu überprüfen. Ob dies ausnahmsweise im Fall klar ersichtlicher Markenrechtsverletzungen anders zu beurteilen sei, ließ der Senat offen. Mangels Vorlage durch den BGH, bleibt ungeklärt, ob dies nach den europäischen Grundsätzen der Intermediärhaftung anders zu beurteilen gewesen wäre, da diese vielmehr eine „Hilfeleistungshaftung″ darstellt.

Keine Wissenszurechnung zulasten der Hilfsperson

Im Rahmen der Prüfung der Störerhaftung stellte sich ferner die Frage, ob mit Blick auf die arbeitsteilige Organisation des Vertriebs über den online Marketplace die Beklagten sich im Konzern gegenseitig ihre Kenntnis zurechnen lassen müssen.

Der BGH legte hierzu ausdrücklich fest, dass bei einer geschäftsorganisatorisch bedingten Wissensaufspaltung zwar dem Geschäftsherrn das Wissen eines Gehilfen zugerechnet werden kann, aber keinesfalls umgekehrt. Die Vorbeugung einer sachlich nicht gerechtfertigten haftungsrechtlichen Besserstellung des Geschäftsherrn rechtfertige nicht die mit der Zurechnung von Wissen des Geschäftsherrn zulasten der Hilfsperson verbundene Verschlechterung der Haftungsposition der Hilfsperson.

Anspruch auf Auskunft über die von anderen Verkäufern eingelieferten Waren

Soweit die Beklagte Lagerhalterin weder als Täter noch als Störer agiere, scheide ein Auskunftsanspruch nach § 19 Abs. 1 MarkenG aus. 

Auch liege nach den bisherigen Feststellungen keine für einen Auskunftsanspruch nach § 19 Abs. 2 Alt. 1 MarkenG notwendige Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung vor. Zwar sei nicht ausgeschlossen, dass die Frage der Erschöpfung im Falle spezifischer Kennzeichnung oder Codierung für Dritte im Einzelfall zweifelsfrei zu beantworten sein kann. Nach dem Vortrag der Klägerin zum Vertriebsweg, sei dies im konkreten Fall jedenfalls nicht möglich gewesen.

Anders verhielt sich dies mit Blick auf die Betreiberin des online Marketplace. Soweit diese als Störer hafte sei sie zur Auskunft verpflichtet. Der BGH stellte entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung hierzu klar, dass sich der Auskunftsanspruch nicht nur auf die konkrete Verletzungshandlung beschränke, sondern auf alle im Kern gleichartigen Handlungen, in denen das Charakteristische der Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt. 

Die Rechtsverletzung durch einen anderen Käufer berühre den Kern der Verletzungshandlung erstrecke. Die Beklagte sei daher auch zur Auskunft, über die von anderen Verkäufern eingelieferten Parfums verpflichtet. Ebenfalls sei sie dann auch zu einer Mitteilung über die Herstellungsnummern aller Parfums verpflichtet nach § 19a Abs. 1 MarkenG. Die Mitteilung sei ein Minus zur Besichtigung.

Die Kenntnis der Rechtsverletzung bleibt weiterhin maßgeblich für die Haftung und etwaige Prüfpflichten bleiben weiterhin einzelfallabhängig

Für eine markenrechtliche Haftung kommt es auch nach dieser Entscheidung weiter maßgeblich auf die Kenntnis der Rechtsverletzung an. Liegt eine solche nicht vor, scheidet eine Täter- oder Teilnehmerhaftung jedenfalls aus. 

Die konkreten Prüfpflichten in Bezug auf die sogenannte Störerhaftung bleiben weiterhin einzelfallabhängig. Jedenfalls ein Unternahmen, das Waren für eine Vielzahl von Kunden einlagert, ist ohne Anhaltspunkte, die auf eine etwaige Rechtsverletzung hindeuten, grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, die eingelagerten Produkte auf mögliche Rechtsverletzungen hin zu überprüfen.

Offen bleibt jedoch, ob dieses nationale Haftungsverständnis im Einklang mit den europäischen Grundsätzen der Intermediärhaftung steht.

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