Hiobsbotschaft für das europäische Einheitspatent: das BVerfG hat den Bundespräsidenten gebeten, die Umsetzungsgesetze nicht auszufertigen.
Die deutsche Gesetzgebung zum europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung (nachfolgend: europäisches Einheitspatent) einschließlich des einheitlichen Patentgerichts hat bereits Bundestag und Bundesrat passiert. Die noch ausstehende Ausfertigung durch den Bundespräsidenten sollte eigentlich ohne große Verzögerung erfolgen, wobei die Bundesregierung stets betont hat, mit der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde bis zur Ratifikation durch das Vereinigte Königreich abwarten zu wollen.
Wie nun aus einem Bericht der FAZ bekannt wurde, ist bereits Anfang April das Bundesverfassungsgericht mit der Bitte an den Bundespräsidenten herangetreten, die Ausfertigung nicht vorzunehmen. Hintergrund ist, dass gegen die Gesetze zum europäischen Einheitspatent eine Verfassungsbeschwerde sowie ein Eilantrag anhängig sein sollen. Das Bundesverfassungsgericht vermeidet durch diese Bitte, dem Bundespräsidenten aus Zeitnot die Ausfertigung formal zu untersagen.
Bedenken gegen Rechtsstaatlichkeit der Verfahren vor dem Europäischen Patentamt?
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde und des korrespondierenden Eilantrags dürften Bedenken gegen die Rechtsstaatlichkeit der Verfahren vor dem Europäischen Patentamt (EPA) sein. Das EPA wird auch für die Erteilung der europäischen Einheitspatente und hiergegen eingelegte Einsprüche zuständig sein. Indem die EU-Verordnungen zum europäischen Einheitspatent, das Übereinkommen über das einheitliche Patentgericht und die deutschen Ausführungsgesetze an die Organisation des EPA anknüpfen, setzen sie sich derselben verfassungsrechtlichen Kritik aus, die bereits Gegenstand mehrerer Verfassungsbeschwerden ist: Es gebe keinen effektiven Rechtsschutz gegen Einspruchsentscheidungen des EPA, mit denen europäische Patente für nichtig erklärt werden und die für Einspruchsverfahren zuständigen Beschwerdekammern seien nicht hinreichend unabhängig von der Verwaltungsspitze des EPA.
Gefahr der Verzögerung des Starts des europäischen Einheitspatentsystems auf unbestimmte Zeit
Die Bitte des Bundesverfassungsgerichts lässt erkennen, dass es den gestellten Eilantrag nicht für von vornherein völlig aussichtslos hält. Im Rahmen des Eilverfahrens wird das Bundesverfassungsgericht eine Interessenabwägung vornehmen, bei der auch die Validität der vorgebrachten Argumente eine Rolle spielen wird. Sollte das Bundesverfassungsgericht dem Eilantrag stattgeben, wäre auch die Ratifizierung des Abkommens durch Deutschland bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache oder zumindest bis zur Durchführung eines Reformprozesses beim EPA nicht möglich. Der bisher trotz aller durch den Brexit bedingten Verzögerungen noch greifbare Start des europäischen Einheitspatentsystems wäre in eine unbestimmte Zukunft verschoben.
Dies ist neben der Verunsicherung durch den Brexit, die durch das Ergebnis der Neuwahlen zum britischen Unterhaus am 08. Juni 2017 noch weiter gesteigert worden ist, ein weiterer Rückschlag auf der Zielgeraden zum europäischen Einheitspatent und einheitlichen Patentgericht. Erst in der vergangenen Woche, am 07. Juni 2017, hatte des Preparatory Committee für das einheitliche Patentgericht bekannt gegeben, dass der eigentlich für Dezember 2017 vorgesehene Starttermin nochmals verschoben werden müsse. Ein neuer Termin wurde bislang noch nicht bekannt gegeben.