17. November 2017
Irreführung Hinweis Verjährung
Wettbewerbsrecht (UWG)

BGH: Irreführende Angaben zur Verjährung sind wettbewerbswidrig

Eine aktuelle Entscheidung des BGH zeigt die Risiken eines irreführenden rechtlichen „Hinweises“ an Verbraucher auf.  

Bei Massengeschäften gegenüber Verbrauchern schließen Unternehmen eine Vielzahl von ähnlich gelagerten Verträgen. Unternehmen sind daher häufig versucht, bereits im Vorfeld rechtlicher Auseinandersetzungen einen für sie in Verbraucherverträgen günstigen Rechtsstandpunkt zu betonen. Gegenüber ihren Kunden werden diese Standpunkte z.B. in der Form von allgemeinen Anschreiben als selbstverständlich richtig dargestellt.

Unlauter ist, Verbraucher über ihre Rechte in die Irre zu führen

Das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) schützt Marktteilnehmer und Wettbewerber vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Was welcher Marktgruppe gegenüber unlauter ist, wird in zahlreichen Spezialtatbeständen durch den Gesetzgeber ausdifferenziert.

Gegenüber Verbrauchern ist es explizit unlauter, unwahre oder zur Täuschung geeignete Angaben über deren Rechte zu machen (§ 5 Abs. 1 S.2 Nr. 7 UWG). Eine kostenpflichtige Abmahnung, mit welcher der Unternehmer zum Unterlassen einer bestimmten unlauteren Informationsweise aufgefordert wird, erfordert kein Verschulden oder gar vorsätzliches Handeln. Selbst wenn der Unternehmer also aus Unkenntnis oder nur fahrlässig die Rechtslage falsch eingeschätzt hat, ist er zur Unterlassung verpflichtet.

Falschangabe über Verjährungsfristen von Reisewertguthaben

Im konkret vom BGH entschiedenen Fall (Urteil v. 04. Mai 2017 – I ZR 113/16)  ging es um die Verjährung eines sogenannten Reisewertguthabens. Verbraucher konnten bei der Beklagten monatliche Zahlungen leisten und sich so ein Wertguthaben ansparen, das sie gegen Reiseleistungen einlösen konnten.

Die Beklagte teilte ihren Kunden in den allgemeinen Geschäftsbedingungen in Form eines „Hinweises″ mit, dass die Reisewertguthaben drei Jahre ab dem Ende desjenigen Jahres, in welchem sie erworben wurden, geltend zu machen seien. Andernfalls würden sie verjähren.

Der BGH trat dieser Auffassung entgegen und entschied, dass die dreijährige Verjährungsfrist erst mit dem Ende desjenigen Jahres beginne, in dem der Kunde die Einlösung seines Guthabens begehre. Die Ausführungen des BGH sind dabei durchaus komplex und unterscheiden sich in der Begründung stark von den Entscheidungen, welche Oberlandesgerichte zu gleichlautenden Klauseln in der Vergangenheit getroffen haben. Dies macht deutlich, dass selbst bei Angaben zu unklaren und umstrittenen Rechtsfragen das volle Risiko beim Unternehmer liegt, der gegenüber seinen Kunden eine bestimmte Rechtsauffassung kommuniziert.

Das Vertreten von Rechtsansichten im Prozess bleibt zulässig

In konkreten Rechtsstreitigkeiten sind Unternehmen demgegenüber nicht gehindert, für sie günstige Rechtsstandpunkte zu vertreten. Nur das Gebot der prozessualen Wahrheitspflicht und der Betrugsstrafbarkeit setzen Grenzen: Das wahrheitswidrige, auch implizite, Behaupten falscher Tatsachen kann zum Verlust des Prozesses oder sogar zu strafrechtlichen Konsequenzen führen.

Das Vertreten von Rechtsansichten, ist hingegen in weitem Ausmaß zulässig. Im Interesse einer wirksamen Rechtsverteidigung ist es dem Unternehmen ohne Weiteres gestattet, beliebige Rechtsstandpunkte einzunehmen, auch wenn sie von dem abweichen, was Gerichte in vergleichbaren Fällen bereits entschieden haben.

Bei der Anwendung des geltenden Rechts gibt es häufig keine eindeutig richtigen Standpunkte. Gerade im Bereich der strengen deutschen Rechtsprechung zu allgemeinen Geschäftsbedingungen ist in vielen noch nicht von höchsten Gerichten geklärten Fällen nicht mit letzter Sicherheit vorherzusehen, ob im Streitfall Gerichte eine Klausel für unwirksam erklären werden oder nicht. Ein Streit um solche Klauseln ist dann entweder im individuellen Vertragsverhältnis auszutragen oder Gegenstand einer Abmahnung durch Wettbewerber oder Verbraucherschutzverbände.

Fazit: Risiken auch bei „Hinweisen“

Die Flucht in die scheinbar weichere Form des „Hinweises″ auf die vermeintliche Rechtslage befreit die Unternehmen aus rechtlicher Sicht nicht von dem Risiko eines Rechtsstreits. Bei einem Streit im einzelnen Vertragsverhältnis entscheiden Gerichte über die „richtige″ Rechtslage und schaffen auf diesem Wege faktisch Präjudizien für eine Vielzahl von Vertragsverhältnissen.

Macht ein Unternehmer in allgemeinen Anschreiben an Verbraucher Angaben zur Rechtslage, müssen diese inhaltlich korrekt sein. Andernfalls drohen kostenpflichtige Abmahnungen.

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