26. Mai 2020
Zahlung Auslandskonto
Wettbewerbsrecht (UWG)

Online Shops müssen Zahlungen von Auslandskonten zulassen

Onlinehändler müssen Zahlungen per Lastschrift von einem Bankkonto aus einem vom Wohnsitz des Kunden verschiedenen SEPA Mitgliedstaat akzeptieren

Der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) hat mit Erfolg gegen die Weigerung des Online‑Elektronikhändlers PEARL geklagt, die Lastschriftzahlung eines deutschen Kunden von einem luxemburgischen Bankkonto zu akzeptieren. Der BGH entschied (Urteil v. 06. Februar 2020 – I ZR 93/18), dass ein Zahlungsempfänger einem Zahler unabhängig von dessen Wohnsitz nicht vorgeben dürfe, in welchem der am SEPA‑Verfahren teilnehmenden Länder er sein Zahlungskonto zu führen habe. Zu diesen Ländern zählen die Mitgliedstaaten der EU, der EFTA, Andorra, Monaco, San Marino und Vatikanstadt sowie das Vereinigte Königreich bis zum Ende der Brexit‑Übergangsphase am 31. Dezember 2020.

Die Beklagte behauptete, dass es ihr bei Kunden mit Wohnsitz in Deutschland nicht möglich sei, von einem ausländischen Bankkonto Zahlungen abzubuchen. Bei Vornahme einer entsprechenden Bestellung über den Online‑Shop erschien die Fehlermeldung „ungültige IBAN“. Die Karlsruher Richter entschieden nun im Einklang mit sämtlichen Vorinstanzen, dass dies eine unlautere geschäftliche Handlung und somit einen Verstoß gegen § 3 Abs. 1 UWG darstelle, da Art. 9 Abs. 2 SEPA‑VO (Verordnung (EU) Nr. 260/2012) eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG sei.

Verhinderung von Geldwäsche kein pauschaler Weigerungsgrund

Art. 9 Abs. 2 SEPA‑VO lautet wie folgt:

„Ein Zahlungsempfänger, der eine Überweisung annimmt oder eine Lastschrift verwendet, um Geldbeträge von einem Zahler einzuziehen, der Inhaber eines Zahlungskontos innerhalb der Union ist, gibt nicht vor, in welchem Mitgliedstaat dieses Zahlungskonto zu führen ist, sofern das Zahlungskonto gemäß Artikel 3 erreichbar ist.“

Die Beklagte argumentierte, dass nicht gegen Art. 9 Abs. 2 SEPA‑VO verstoßen werde, da grundsätzlich Überweisungen und Lastschriften akzeptiert würden, die Kunden außerhalb von Deutschland veranlassen. Nur bei Vorliegen „verschiedener intern definierter Parameter und Verdachtszeichen“, deren konkreter Inhalt von der Beklagten nicht vorgetragen wurden, würden Kunden im Einzelfall dazu aufgefordert, ein anderes Zahlungsmittel zu wählen. Dies sei zur Verhinderung einer möglichen Geldwäsche erforderlich.

Dieser Argumentation folgte der BGH nicht. Der generelle Ausschluss von Lastschriften, bei denen der Wohnsitz des Zahlenden und der Sitz des Zahlungsdienstleisters in unterschiedlichen SEPA‑Mitgliedstaaten liegen, könne weder mit der Vorbeugung gegen Geldwäsche noch mit der Sicherheit des Zahlungsverkehrs gerechtfertigt werden. Dem stehe der Zweck von Art. 9 Abs. 2 SEPA‑VO entgegen,

„nach dem Verbraucher die freie Wahl eines Zahlungsdienstleisters in einem beliebigen SEPA-Staat für alle ihre Lastschriftzahlungen im einheitlichen Euro‑Zahlungsverkehrsraum haben sollen (…). Auch das allgemeine Interesse des Zahlungsempfängers, die Bonität eines Zahlers zu prüfen, bietet keinen hinreichenden Differenzierungsgrund. Weder Art. 9 Abs. 2 noch eine sonstige Bestimmung der SEPA-Verordnung sehen eine Ausnahme von der in dieser Bestimmung normierten Verpflichtung vor, da der Unionsgesetzgeber die verschiedenen Interessen, die im Verhältnis zwischen Zahlern und Zahlungsempfängern bei Zahlungen zum Ausgleich gebracht werden müssen, beim Erlass dieser Bestimmung hinreichend berücksichtigt hat (…).“

Im Einzelfall sei eine Ausnahme durchaus denkbar, der vorliegend gewählte pauschale Ansatz sei jedoch unzulässig.

Art. 9 Abs. 2 SEPA‑VO ist Marktverhaltensregelung i.S.d. § 3a UWG

Im Ergebnis bestätigte der BGH den Tenor des Landgerichts, wonach die Beklagte es unterlassen muss, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern, deren Wohnsitz in Deutschland ist, beim Bankeinzug Bankkonten aus Luxemburg nicht zu akzeptieren. Anspruchsgrundlage für den so tenorierten Unterlassungsanspruch sind die §§ 8 Abs. 1, Abs. 3, 3 Abs. 1, 3a UWG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 SEPA‑VO.

Gemäß § 3a UWG handelt unlauter i.S.v. Art. 3 Abs. 1 UWG, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, wenn der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Als eine solche Marktverhaltensregelung sei auch Art. 9 Abs. 2 SEPA‑VO einzustufen, so der BGH:

„Bei einem Verstoß gegen Art. 9 Abs. 2 SEPA-VO ist die Verhaltensfreiheit der Verbraucher in Bezug auf die Bestellung von Waren oder Dienstleistungen und damit in Bezug auf ihre Marktteilnahme eingeschränkt. Damit ist der erforderliche Wettbewerbsbezug der Norm (…) gegeben. (…) [D]ie Möglichkeit, Waren oder Dienstleistungen bezahlen zu können, [ist] eine grundlegende Voraussetzung für die Marktteilnahme.“

Der Verstoß gegen Art. 9 Abs. 2 SEPA‑VO sei geeignet, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen. Hiervon seien nicht nur Verbraucher aus Deutschland betroffen, denen verwehrt werde, ein in Luxemburg eröffnetes Bankkonto zu nutzen. Vielmehr seien insofern auch andere Konstellationen denkbar und neben der Teilnahme am Binnenmarkt weitere Grundfreiheiten der Verbraucher verletzt:

„Auch Verbraucher aus Luxemburg, die ihren Wohnsitz für Ausbildung oder Studium, aus beruflichen oder privaten Gründen für eine gewisse Zeit vorübergehend nach Deutschland verlegen, werden daran gehindert, ihr in Luxemburg bestehendes Bankkonto im Lastschriftverfahren für Bestellungen bei der Beklagten einzusetzen. Das Verhalten der Beklagten beeinträchtigt daher nicht nur die Verbraucher als Marktteilnehmer im Binnenmarkt, sondern gegebenenfalls auch in der Ausübung ihrer Arbeitnehmerfreizügigkeit sowie ihrer Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit in einem die Spürbarkeitsschwelle überschreitenden Maß.”

Onlinehändler müssen Vorgaben des BGH umsetzen

Für die Praxis ergeben sich aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zwei Erkenntnisse, die Betreiber von Online‑Shops beachten sollten:

Erstens müssen die jeweiligen Bezahlsysteme daraufhin überprüft werden, ob im Falle der Teilnahme am SEPA‑Lastschriftverfahren auch Bankkonten aus SEPA‑Mitgliedstaaten akzeptiert werden, die nicht mit dem Wohnsitz des Kunden übereinstimmen. Ist dies nicht der Fall, droht eine kostenpflichtige Abmahnung durch Mitbewerber oder Verbraucherschutzverbände.

Zweitens müssen einzelfallbasierte, konkrete Verdachtsmomente vorliegen, um die Ablehnung eines SEPA‑Kontos als Zahlungsmittel eines Kunden zu rechtfertigen. Pauschale Verweise auf interne Leitlinien zur „Verhinderung von Geldwäsche“ oder zum „Schutz des Zahlungsverkehrs“ dürften in Zukunft nicht mehr ausreichen. Dies erfordert einen nicht unerheblichen Mehraufwand für die Shop‑Betreiber: Allein das Vorliegen bestimmter Konstellationen, wie zum Beispiel das Auseinanderfallen von Wohnsitzstaat und Sitz der kontoführenden Bank, genügen nach den strengen Vorgaben des BGH nicht. Das Urteil erschöpft sich insoweit in der abstrakten Angabe, dass eine Ablehnung im Einzelfall nicht ausgeschlossen sei,

„wenn dafür mit den Zielen der SEPA‑Verordnung vereinbare, sachlich berechtigte Gründe sprechen.“

Was unter einem „sachlich berechtigten Grund“ zu verstehen ist, erläutert das Gericht hingegen nicht. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass konkrete Verdachtsmomente angeführt werden müssen, die über die bloße Kombination von Wohnsitz des Kunden auf der einen und Sitz der kontoführenden Bank auf der anderen Seite hinausgehen, solange sich beide Orte in SEPA‑Mitgliedstaaten befinden.

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