29. Oktober 2020
Wettbewerbsverbot Insolvenz Geschäftsführer
Restrukturierung und Insolvenz Corporate / M&A

Kein Wegfall des Wettbewerbsverbots eines GmbH-Geschäftsführers bei Insolvenz der Gesellschaft

In der Insolvenz einer GmbH übernimmt der Insolvenzverwalter das Ruder. Damit enden jedoch nicht die Pflichten des Geschäftsführers, dies gilt insbesondere für das Wettbewerbsverbot.

Das OLG Rostock hatte sich kürzlich mit Beschluss vom 2. Juni 2020 (Az: 4 W 4/20) mit der Frage zu befassen, ob durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer GmbH das für die Geschäftsführer geltende Wettbewerbsverbot während der Amtsdauer ihrer Organstellung wegfällt.

Anlass genug, um die Wechselwirkung zwischen dem Insolvenzrecht einerseits und dem Gesellschaftsrecht andererseits an dieser Schnittstelle näher zu betrachten.

Geschäftsführer von Gesellschaften unterliegen einem gesetzlichen Wettbewerbsverbot

Für Vorstände von Aktiengesellschaften ist das Wettbewerbsverbot in § 88 Abs. 1 AktG gesetzlich geregelt. Eine entsprechende Vorschrift gibt es im GmbHG für Geschäftsführer nicht.

Gleichwohl unterliegen auch Geschäftsführer von Gesellschaften in der Rechtsform einer GmbH, mit Ausnahme lediglich von (Allein-)Gesellschafter-Geschäftsführern einer Einmann-GmbH, während der Dauer ihrer Amtszeit als Geschäftsführer einem, in diesem Fall also ungeschriebenen, Wettbewerbsverbot. Hergeleitet wird dies aus ihrer Organstellung und der hieraus folgenden sogenannten Treuepflicht.

Dieses für GmbH-Geschäftsführer ungeschriebene Wettbewerbsverbot wird allgemein weit verstanden. Es orientiert sich wie auch bei Vorständen von Aktiengesellschaften am Wortlaut des § 88 Abs. 1 Satz 1 AktG. Danach darf ohne Einwilligung weder ein Handelsgewerbe noch im Geschäftszweig der Gesellschaft für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte betrieben werden. Was zum Geschäftszweig der Gesellschaft gehört und damit sachlich vom Wettbewerbsverbot umfasst wird, bestimmt sich in erster Linie nach dem satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand. Unter gewissen Voraussetzungen können aber auch künftige Aktivitäten der GmbH hiervon erfasst sein.

Mit dem Wettbewerbsverbot eng verwoben ist die sogenannte Geschäftschancenlehre. Auch sie folgt aus der Organstellung des GmbH-Geschäftsführers und damit aus der hieraus resultierenden Treuepflicht. Demnach gilt: Geschäftschancen der GmbH darf der Geschäftsführer ohne entsprechende Einwilligung nicht für sich ausnutzen, sondern hat diese im Interesse der GmbH wahrzunehmen. Verstößt ein GmbH-Geschäftsführer gegen dieses Gebot, macht er sich schadensersatzpflichtig, ebenso wie bei einem Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot. Trotz vieler Überschneidungen ist die Geschäftschancenlehre von der Rechtsprechung als eigenständiges und vom Wettbewerbsverbot unabhängiges Rechtsinstitut anerkannt.

Wettbewerbsverbot des Geschäftsführers kann auch während der Insolvenz des Unternehmens fortgelten

Knüpft man das Wettbewerbsverbot an die aus der Organstellung folgende Treuepflicht, ergibt sich hieraus zwanglos auch die Geltungsdauer solcher Wettbewerbsverbote: Solange der Geschäftsführer im Amt ist, ist er an das Wettbewerbsverbot gebunden.

Übliche Beendigungsgründe für das Amt des Geschäftsführers sind der Widerruf der Bestellung und die Niederlegung des Geschäftsführeramtes durch den Geschäftsführer. Daneben gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Beendigungsgründe wie beispielsweise Befristung der Bestellung, Tod, Eintritt der Geschäftsunfähigkeit oder gesetzliche (§ 6 Abs. 2 GmbHG) oder in der Satzung vorgesehene Hinderungsgründe.

Die Insolvenz dagegen ist kein Ereignis, welches die Organstellung des Geschäftsführers beendet – jedenfalls de jure nicht.

Insolvenz lässt Stellung des Geschäftsführers als Organ der Gesellschaft nicht entfallen

Nach § 80 Abs. 1 InsO gilt mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens: Das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, geht auf den Insolvenzverwalter über. Diese Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis gehört außerhalb der Insolvenz zum Kernbereich der Geschäftsführungsbefugnis von GmbH-Geschäftsführern.

Mit diesem Übergang der Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis in der Insolvenz auf den Insolvenzverwalter geht somit die „Entmachtung″ der GmbH-Geschäftsführer einher. Sie verlieren die Möglichkeit zur Einwirkung auf alle laufenden geschäftlichen Entscheidungen der GmbH. Ihre formale Stellung als Organ der Gesellschaft bleibt aber erhalten.

Genau an dieser Stelle entzündete sich der Streit, der letztlich vom OLG Rostock zu entscheiden war: Knüpft das Wettbewerbsverbot formal an die Rechtsstellung als Organ an oder materiell in der Sache an die hieraus folgende Einwirkungsmöglichkeit auf die Gesellschaft?

Wettbewerbsverbot: Rechtsfigur des faktischen Geschäftsführers spricht für „materielle Betrachtungsweise″

Für eine materielle Betrachtungsweise spricht die Rechtsfigur des „faktischen″ Geschäftsführers. „Faktischer″ Geschäftsführer ist, wer wie ein Geschäftsführer die Geschicke der GmbH leitet, ohne jedoch rechtlich wirksam zum Geschäftsführer bestellt worden zu sein.

Die Abgrenzung ist im Einzelfall schwierig, hierauf kommt es jedoch vorliegend nicht an. Jedenfalls die Rechtsfigur als solche ist allgemein anerkannt. Damit zeigt sich, dass das Bestehen von Treuepflichten nicht zwingend von einem formell ordnungsgemäßen Bestellungsakt zum Geschäftsführer abhängt.

Spinnt man diesen Gedanken weiter, könnte man argumentieren, dass das Bestehen von Treuepflichten und damit auch des Wettbewerbsverbots nicht von der formellen Rechtsposition als Geschäftsführer abhängen kann. Vielmehr dürfte zu fragen sein, ob der oder die Betroffene entsprechende Einwirkungsmöglichkeiten auf die Gesellschaft hat. Maßgeblich wäre dann, ob die betroffene Person nach wie vor in den laufenden Informationsfluss eingebunden ist und hieraus folgend eine Rücksichtnahmepflicht besteht, gerade wegen dieses im Vergleich zu Dritten entscheidenden Informationsvorsprungs nicht in einen Wettbewerb zur Gesellschaft zu treten. So argumentierte im vom OLG Rostock entschiedenen Fall der Geschäftsführer.

OLG Rostock knüpft formal an die Rechtsstellung als Organ an: Entscheidend bleibt die Organstellung

Das OLG Rostock ist dieser materiellen Betrachtungsweise entgegengetreten: Die Insolvenz beseitigt nicht die Organstellung des Geschäftsführers.

Zwar geht nach dem bereits erwähnten § 80 Abs. 1 InsO die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis über das Vermögen der GmbH auf den Insolvenzverwalter über. Dies, so das OLG Rostock, betreffe jedoch nur das Außenverhältnis, also das Verhältnis der GmbH zu Dritten. Hiervon unberührt bleibe das Innenverhältnis zwischen dem Geschäftsführer als Organ und der GmbH.

Auch der Umstand, dass die Einwirkungsmöglichkeiten des Geschäftsführers in der Insolvenz und damit auch der Zugriff auf interne und wettbewerbsrelevante Informationen stark eingeschränkt sein mögen, rechtfertige keine andere Beurteilung. Denn im Grundsatz verbleibe es dabei, dass solche Einwirkungs- und Informationsverschaffungsmöglichkeiten bestünden.

Differenzierte Betrachtung vorzugswürdig: Kein Wettbewerbsverbot bei Betriebseinstellung

Der Entscheidung des OLG Rostock ist nachvollziehbar, knüpft sie doch an die Organstellung und damit an eine klar definierte Voraussetzung. Gegen die materielle Betrachtungsweise spricht somit vor allem das Argument der Rechtssicherheit. Für die Sichtweise des OLG Rostock spricht zudem, dass mit der Insolvenzeröffnung nicht automatisch das Schutzbedürfnis der insolventen Gesellschaft entfällt. Dies gilt insbesondere bei einer Betriebsfortführung durch den Insolvenzverwalter oder bei einem Verkauf durch diesen. Ein Kauferlös (und damit die Befriedigungsaussichten der Gläubiger) könnte erheblich geringer ausfallen, wenn der Erwerber unmittelbare Konkurrenz durch den bisherigen Geschäftsführer befürchten muss. In dem vom OLG Rostock entschiedenen Fall war der Geschäftsbetrieb des insolventen Unternehmens fortgeführt und durch den Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot beeinträchtigt worden. Deshalb gelangte das OLG Rostock zum richtigen Ergebnis.

Daraus sollte man aber nicht ableiten, dass generell im Falle der Insolvenz der Gesellschaft ein Wettbewerbsverbot erst mit Ende der Organstellung enden soll. Besser wäre eine differenzierte Betrachtung. Stellt der Insolvenzverwalter den Geschäftsbetrieb mit Insolvenzeröffnung oder nach dieser endgültig ein, besteht kein Grund mehr am Fortbestand eines Wettbewerbsverbots; in diesem Fall besteht bereits kein Wettbewerb mehr. Dennoch vom Geschäftsführer zu verlangen, zunächst die Organstellung zu beenden, wäre eine bloße Förmlichkeit. Zudem kann die Amtsniederlegung dazu führen, dass im Insolvenzverfahren ein neuer oder ein Notgeschäftsführer bestellt werden muss. Praktisch wird sich hierfür kaum eine Person finden lassen.

Es kann daher im Interesse des Insolvenzverwalters liegen, dass die Organstellung auch nach der Betriebseinstellung für die weitere Abwicklung im Insolvenzverfahren fortbesteht. Daher sollte ein Geschäftsführer nicht faktisch gezwungen sein, sein Amt niederzulegen, wenn er sich nach Verlust seiner bisherigen Einkommensquelle im selben Geschäftsfeld betätigen will, zumal er es auch vermeiden sollte, die Amtsniederlegung zur Unzeit zu erklären.

Auswege für den Geschäftsführer: Beendigung des Amts oder Vereinbarung mit Insolvenzverwalter

Setzt sich die Auffassung des OLG Rostock durch, führt dies einen Geschäftsführer einer GmbH in eine missliche Situation: Auf der einen Seite ist er in aller Regel operativ nicht mehr für die insolvente Gesellschaft tätig, auf der anderen Seite sind ihm in rechtlicher Hinsicht die Hände gebunden, wenn es darum geht, im selben Geschäftszweig erwerbswirtschaftlich tätig zu werden.

Eine Handlungsoption ist die Beendigung seines Amts. Vollzieht er diese, endet – vorbehaltlich eines vertraglich vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbots – ein Wettbewerbsverbot. Die zweite Alternative ist eine Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter, sofern dieser dazu bereit ist, was insbesondere dann in Betracht kommt, wenn der Geschäftsbetrieb nicht fortgeführt werden kann, sondern eingestellt werden muss. Eine solche Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter ist freilich überflüssig, wenn sich die oben erläuterte vermittelnde Sichtweise durchsetzt, wonach ein Wettbewerbsverbot bereits entfällt, wenn eine Beeinträchtigung der insolventen GmbH wegen der Betriebseinstellung ausgeschlossen ist.

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