9. GWB-Novelle beschlossen: Divergenz zur Anwendbarkeit des Hemmungstatbestands auf "Altfälle" unter den Oberlandesgerichten geklärt?
Das OLG Karlsruhe hatte mit seinem Urteil vom 9. November 2016 für Rechtsunsicherheit bei der Anwendung des Hemmungstatbestands des kartellbehördlichen Verfahrens auf die Verjährung kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche in „Altfällen″ gesorgt.
Nun kommt der Gesetzgeber den Rechtsanwendern zu Hilfe.
9. GWB-Novelle verabschiedet
Der Bundestag hat am 9. März 2017 das Gesetz zur 9. GWB-Novelle beschlossen. Das Gesetz enthält eine klarstellende Regelung zur zeitlichen Anwendbarkeit des Hemmungstatbestands für die Verjährung kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche, wenn eine Kartellbehörde einen Kartellrechtsverstoß verfolgt.
Der Hemmungstatbestand ist nach dem beschlossenen Wortlaut der Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses auf alle kartellrechtlichen Schadensersatzansprüche anwendbar, die vor dem 27. Dezember 2016 entstanden und am Tag nach dem Inkrafttreten der 9. GWB-Novelle noch nicht verjährt waren. Der beschlossene Gesetzestext sieht vor, dass die Norm zur Verjährungshemmung – rückwirkend – zum 27. Dezember 2016 in Kraft tritt. Bis auf einige weitere Normen zum kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch treten die Neuerungen der 9. GWB-Novelle jedoch erst in nächster Zeit (wahrscheinlich Anfang April 2017) in Kraft.
Erstaunliche Gesetzesbegründung
Bemerkenswert ist, dass in der Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses auf die Rechtsansicht des OLG Düsseldorf zur Anwendbarkeit der bereits geltenden verjährungshemmenden Norm auf sog. „Altfälle″ positiv Bezug genommen wurde. Es ist zwar nicht ungewöhnlich, dass im Rahmen einer Gesetzesbegründung Gerichtsentscheidungen zitiert werden. Es ist jedoch nicht alltäglich, dass der Gesetzgeber in einer offiziellen Gesetzesbegründung eine Gerichtsentscheidung als richtig darstellt. Jedenfalls diene, so die Beschlussempfehlung, die jetzige Fassung der Norm der Klarstellung und Aufrechterhaltung der Rechtsauffassung des OLG Düsseldorf.
Selbstverständlich konnte der Gesetzgeber nicht wörtlich schreiben, dass eine Gerichtsentscheidung im Gegensatz zu einer dieser Entscheidung widersprechenden Gerichtsentscheidung richtig ist. Ein Verstoß gegen die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Gewaltenteilung wäre denkbar. In einem solchen Fall würde nicht auf eine neue Rechtslage, die durch das Gesetz geschaffen werden soll, Bezug genommen. Vielmehr würde das Auslegungsergebnis von zwei unterschiedlichen Gerichten zu einer bereits bestehenden Rechtslage bewertet. Es ist nicht auszuschließen, dass die Gesetzesbegründung dies gemeint haben könnte.
Folgen für das Rechtsmittel gegen das Urteil des OLG Karlsruhe
Diese Gesetzesbegründung dürfte ein deutlicher Wink an die Richter in Karlsruhe sein. Der BGH hat über die Revision gegen das Urteil des OLG Karlsruhe zu entscheiden (Az.: KZR 56/16).
Es besteht nun keine überzeugende Begründung mehr, die verjährungshemmende Vorschrift auf Altfälle nicht anzuwenden. Vor allem das Wortlautargument des OLG Karlsruhe dürfte durch die Klarstellung des Gesetzgebers hinfällig sein. Zumindest eine analoge Anwendung der verjährungshemmenden Norm auf „Altfälle″ ist durch den vom Gesetzgeber verfolgten Zweck nicht mehr von der Hand zu weisen. Die verjährungshemmende Norm analog auf „Altfälle″ angewandt hat bereits das Landgericht Hannover (Urteil vom 5. Juli 2016, Az.: 18 O 405/14).
Anwendungsschwierigkeiten bei der 9. GWB-Novelle?
Der Gesetzgeber hat in der 9. GWB-Novelle eine nicht alltägliche Regelung zum Inkrafttreten des Gesetzes geschaffen. Dies ist zwar der Umsetzung der Schadensersatzrichtlinie geschuldet. Jedoch gilt die Norm zur Verjährungshemmung bereits rückwirkend zum 27. Dezember 2016. Mit Ausnahme der Regelungen zum kartellrechtlichen Schadensersatzanspruchs treten alle anderen Normen des Gesetzes erst einen Tag nach Verkündung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt in Kraft. Die Verkündung des Gesetzes dürfte im April 2017 erfolgen. Dies ist auch der Zeitpunkt, an dem die Norm zur Klarstellung der zeitlichen Anwendbarkeit der Hemmungsvorschrift für die Verjährung in Kraft tritt.
Es erscheint zweifelhaft, wie die Norm zur Verjährungshemmung in der Zeit zwischen dem 27. Dezember 2016 und dem Inkrafttreten des Gesetzes anzuwenden ist. Es ist nicht auszuschließen, dass kartellrechtliche Schadensersatzansprüche in dieser Zwischenzeit verjähren könnten. Die Verjährung in dieser Zwischenzeit könnte jedoch nach der neuen ab 27. Dezember 2016 geltenden Norm gehemmt werden. Es bleibt abzuwarten, wie die Gerichte einen solchen Fall bewerten werden.
Der Rechtsanwender wäre über eine bessere Abstimmung dieser Normen dankbar gewesen.