24. April 2017
Grenzen für Wettbewerbsverbote
Kartellrecht

OLG Stuttgart zieht klare Grenzen für Wettbewerbsverbote

OLG erklärt eine in der Praxis immer wieder vorkommende Klausel zum Wettbewerbsverbot für Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer (GmbH) für rechtswidrig.

Das OLG Stuttgart (Urteil vom 15.03.2017, Az.: 14 U 3/14) hatte vor kurzem über ein Wettbewerbsverbot zu Lasten aller Gesellschafter einer GmbH zu entscheiden. Der wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen dieses Wettbewerbsverbot in Anspruch genommene (ehemalige) Gesellschafter war in der hier interessierenden Zeit zudem Geschäftsführer der GmbH. Seine Beteiligung an der Gesellschaft betrug zu dieser Zeit 49%. Aufgrund der Position als Geschäftsführer traf ihn zusätzlich ein im Anstellungsvertrag mit der GmbH vereinbartes Wettbewerbsverbot.

Das OLG Stuttgart hat in unmissverständlicher Weise ein Wettbewerbsverbot für rechtswidrig erklärt, dass den Gesellschaftern einer GmbH auch eine rein kapitalistische Minderheitsbeteiligung an Konkurrenzunternehmen verbietet. Unabhängig vom Regelungsort (Gesellschaftsvertrag oder Anstellungsvertrag) gehe ein solches Wettbewerbsverbot über das sachlich zulässige Maß eines Wettbewerbsverbots hinaus. Es verstoße gegen § 1 GWB.

Die vereinbarten Wettbewerbsverbote

Das OLG Stuttgart hatte unter anderem über die folgenden Wettbewerbsverbote zu entscheiden:

  1. Gesellschaftsvertrag: „Ein Gesellschafter darf, solange er Gesellschafter ist, der Gesellschaft in deren Geschäftszweig weder mittelbar noch unmittelbar, gelegentlich oder gewerbsmäßig Konkurrenz machen, noch sich an einem Konkurrenzunternehmen beteiligen, mit Ausnahme von einem bereits bei Gründung der Gesellschaft von einem Gesellschafter bereits betriebenem Geschäftszweig oder einer bereits gehaltenen Beteiligung.
  1. Anstellungsvertrag: „Herr B. [der Geschäftsführer] wird seine beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen und seine gesamte Arbeitszeit ausschließlich der Gesellschaft zur Verfügung stellen. Andere geschäftliche Tätigkeiten wie die Übernahme von Ehrenämtern, Beiratsposten oder ähnliche Funktionen bedürfen der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Gesellschaft.

Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer auch an gesetzliche Wettbewerbsverbote gebunden

Das OLG Stuttgart führte aus, dass der Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer über die vertraglich vereinbarten Wettbewerbsverbote auch an gesetzliche Wettbewerbsverbote gebunden sei.

Dies folge einerseits aus seiner Organstellung als Geschäftsführer der Gesellschaft. Eine solche Organstellung führe – selbst ohne eigene Beteiligung an der Gesellschaft – zu einem gesetzlichen Wettbewerbsverbot zugunsten der Gesellschaft.

Andererseits treffe den Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer wegen seiner Beteiligung in Höhe von 49% kraft gesetzlicher Treuepflicht der Gesellschafter ein Wettbewerbsverbot zugunsten der Gesellschaft. Dies gelte bei einem Minderheitsgesellschafter jedenfalls dann, wenn er zugleich Geschäftsführer sei.

Vermeintlicher Verstoß des Geschäftsführers gegen das Wettbewerbsverbot aus dem Gesellschaftsvertrag

Die Kläger warfen dem ehemaligen Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer vor, durch den Erwerb einer 12%-igen Beteiligung an einer Aktiengesellschaft italienischen Rechts gegen das ihn treffende Wettbewerbsverbot verstoßen zu haben. Sie forderten deswegen Schadensersatz und Herausgabe der aus der Beteiligung resultierenden wirtschaftlichen Vorteile. Zudem forderten die Kläger die Feststellung, dass sie berechtigt seien, in die Stellung des Beklagten Geschäftsführers an der Aktiengesellschaft italienischen Rechts einzutreten (sog. Selbsteintrittsrecht).

Wettbewerbsverbot erfasse nicht die rein kapitalistische Minderheitsbeteiligung

Das OLG Stuttgart hatte über zwei Fragen zu entscheiden:

1.) Erfasst das im Gesellschafts- und Anstellungsvertrag vereinbarte Wettbewerbsverbot rein kapitalistische Minderheitsbeteiligungen an Konkurrenzunternehmen?

Das OLG Stuttgart verneinte diese erste Frage.

Es führte dazu aus, dass sich jedenfalls aus einer einschränkenden Auslegung des im Gesellschaftsvertrag („sich an einem Konkurrenzunternehmen beteiligen„) und Anstellungsvertrag enthaltene Wettbewerbsverbots ergebe, dass das den Gesellschafter treffende Wettbewerbsverbot keine rein kapitalistischen Minderheitsbeteiligungen erfasse. Das OLG legte auf diese Weise das Verbot im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsausübungsfreiheit) aus.

Verbot rein kapitalistischer Minderheitsbeteiligung überschreitet die sachlichen Grenzen eines Wettbewerbsverbots

Dem hingegen bejahte das OLG Stuttgart die zweite Frage :

2.) Überschreitet ein Wettbewerbsverbot, das rein kapitalistische Minderheitsbeteiligungen erfasst, die sachlichen Grenzen eines Wettbewerbsverbots?

Ein Wettbewerbsverbot zu Lasten eines Minderheitsgesellschafters, das rein kapitalistische Minderheitsbeteiligungen an Konkurrenzunternehmen verbietet, überschreite die sachlichen Grenzen eines Wettbewerbsverbots. Ein solches Verbot wäre vom legitimen Zweck eines Wettbewerbsverbots nicht gedeckt.

Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot erst bei beherrschendem Einfluss auf das Konkurrenzunternehmen

Ein Gesellschafter könne durch eine rein kapitalistische Beteiligung an einem Konkurrenzunternehmen die Gesellschaft weder von innen her aushöhlen noch sie ihrer wirtschaftlichen Existenzgrundlage berauben. Dieser Zweck könne durch einen Gesellschafter erst dann beeinträchtigt werden, wenn die erworbene Minderheitsbeteiligung am Konkurrenzunternehmen dem Gesellschafter auch einen beherrschenden Einfluss auf das Konkurrenzunternehmen ermögliche.

Einen beherrschenden Einfluss erwerbe man bei einer Minderheitsbeteiligung an einem Konkurrenzunternehmen aber erst dann, wenn man einzelne unternehmerische Entscheidungen des Konkurrenzunternehmens beeinflussen kann. Oder aber, wenn man Einfluss auf die Geschäftsführung des Konkurrenzunternehmens hat.

Erst wenn ein Gesellschafter solche Zusatzrechte im Konkurrenzunternehmen hat, könne er seine Kenntnisse aus der Gesellschaft oder seinen Einfluss in der Gesellschaft dazu verwenden, um eigene Geschäfte zum Nachteil der Gesellschaft zu fördern.

Zudem sei bei einer rein kapitalistischen Minderheitsbeteiligung weiterhin sichergestellt, dass die Arbeitskraft des Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführers der Gesellschaft erhalten bleibe.

OLG Stuttgart schafft Klarheit

Das Oberlandesgericht schafft in dieser in der Praxis häufig auftauchenden Frage Klarheit. Abzuwarten bleibt, ob die Entscheidung des OLG Stuttgart eventuell vom BGH aufgehoben wird. Das OLG Stuttgart hat die Revision jedoch nicht zugelassen, da es der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat. Auch erfordere die Sache – aus der Sicht des OLG Stuttgart – nicht die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung durch das Revisionsgericht.

Auffallend an der Argumentation des OLG Stuttgart ist, dass es die Maßstäbe der Europäischen Kommission anwendet. Sie stammen aus der Bekanntmachung der Europäischen Kommission über Einschränkungen des Wettbewerbs, die mit der Durchführung von Unternehmenszusammenschlüssen unmittelbar verbunden und für diese notwendig sind (ABl. EU 2005, C 56/24). Das Oberlandesgericht nennt diese Maßstäbe allerdings nicht explizit.

Die Europäische Kommission bewertet Wettbewerbsverbote, die rein kapitalistische Minderheitsbeteiligungen – ohne die oben geschilderten Zusatzrechte – verbieten, als nicht notwendige Nebenabrede zu einem Zusammenschlussvorhaben. Damit können solche Wettbewerbsverbote einen Verstoß gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen darstellen. Das OLG Stuttgart sieht es – im Ergebnis – genauso.

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