25. Mai 2011
Kartellrecht

Teure Angelegenheit: Siegelbruch kostet 8 Mio. EUR

Der Bruch eines von der EU Kommission bei kartellrechtlichen Ermittlungen angebrachten Siegels kann teuer werden: Gerade hat die Kommission dafür eine Buße von 8 Millionen Euro verhängt. Das Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, dass sich Unternehmen auf den Fall der Fälle vorbereiten und bei einem „Dawn Raid″ neben ihren Rechten auch ihre Pflichten zur Kooperation kennen.

Die Entscheidung vom 24. Mai 2011 geht auf Durchsuchungen aus dem April 2010 zurück. Die Kommission hatte in Frankreich in den Geschäftsräumen verschiedener Unternehmen kartellrechtliche Nachprüfungen durchgeführt. Die Aktion konnte nicht an einem Tag abgeschlossen werden. Wie in solchen Fällen üblich, versiegelten die Ermittler die Räumlichkeiten, in denen sich noch nicht überprüfte Unterlagen befanden.

Mit der Versiegelung soll sichergestellt werden, dass das betreffende Unternehmen in der Abwesenheit des Untersuchungsteams, etwa über Nacht, keine Unterlagen entfernt.

Als die Ermittler am nächsten Morgen zurückkehrten, stellten sie fest, dass eines der angebrachten Siegel gebrochen worden war. Die Kommission leitete umgehend eine Untersuchung ein. Das betroffene Unternehmen gestand wenig später zu, dass ein Mitarbeiter das Siegel gebrochen hatte, gab aber an, es habe sich um ein Versehen gehandelt.

Das half nur bedingt. Nach Art. 23 I lit. e der Kartellverfahrensverordnung (Nr. 1/2003) kann die Kommission einem Unternehmen im Fall eines vorsätzlichen oder fahrlässigen Siegelbruchs eine Geldbuße in Höhe von bis zu 1 % des Gesamtumsatzes des Unternehmens auferlegen. Zwar berücksichtigte die Kommission die sofortige und konstruktive Mitarbeit des betroffenen Unternehmens bei der Festsetzung des Bußgeldes. Da der Bruch eines Siegels aus Sicht der EU Kommission aber einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht darstellt, fiel die Buße erheblich aus: 8 Millionen Euro.

Diese Buße wird unabhängig vom Ausgang der Ermittlungen zu den mutmaßlich wettbewerbswidrigen Praktiken fällig. Sollte sich der Kartellverdacht der Kommission bestätigen, droht ein weiteres Bußgeld in ebenfalls erheblicher Höhe.

Dass der Bruch eines von der Kommission angebrachten Siegels kein Kavaliersdelikt ist, steht spätestens seit dem Jahr 2008 fest. Damals hatte die EU Kommission in einem aufsehenerregenden Fall E.ON Energie eine Geldbuße von 38 Millionen Euro für den Bruch eines Siegels auferlegt, das während einer unangekündigten Nachprüfung angebracht worden war. Das Gericht erster Instanz hat diese Entscheidung am 15. Dezember 2010 bestätigt.

Der jetzt bekannt gewordene Fall zeigt einmal mehr, wie ernst es die EU Kommission mit der Durchsetzung des europäischen Kartellrechts meint und wie konsequent sie das ihr zur Verfügung stehende Instrumentarium nutzt. Der für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissar Joaquín Almunia erklärte hierzu:

Nachprüfungen sind bei der Bekämpfung von Kartellen von entscheidender Bedeutung, da Unternehmen selten freiwillig Beweise für wettbewerbswidrige Praktiken aushändigen. […] Daher ist es wichtig, dass Unternehmen keine Siegel erbrechen, die ggf. angebracht werden, wenn mehr als ein Büro zu durchsuchen ist oder ein Tag nicht ausreicht.

Noch etwas pointierter hatte es seine Vorgängerin, Neelie Kroes, im Fall E.ON von 2008 formuliert:

 „Die Kommission kann und will solche Verstöße nicht hinnehmen, mit denen die Unternehmen versuchen, die Integrität und Wirksamkeit unserer Ermittlungen zu beeinträchtigen und damit das Vorgehen der Kommission gegen Kartelle und andere wettbewerbsschädigende Praktiken zu untergraben. Da die Unternehmen ganz genau wissen, dass bei Wettbewerbsverstößen hohe Geldbußen verhängt werden könnten sie versucht sein, dieser Strafe durch die illegale Behinderung der Untersuchung zu entgehen. Mit dieser Entscheidung sendet die Kommission die klare Botschaft an alle Unternehmen, dass sich eine solche Behinderung der Ermittlungen nicht auszahlt.“ 

Und die Moral von der Geschicht‘: Brich des Ermittlers Siegel nicht!

Tags: Durchsuchung Kartellrecht Siegelbruch