Mieter können einen Anspruch auf Anpassung der Miete haben. Eine pauschale Reduzierung ist jedoch ausgeschlossen; es kommt vielmehr auf den Einzelfall an.
Vor dem Hintergrund der pandemiebedingten Betriebsschließungen stellte sich für Parteien eines gewerblichen Mietvertrags die Frage, ob und in welchem Umfang der Mieter* weiterhin zur Mietzahlung verpflichtet ist.
Zu Beginn der Pandemie lehnten viele Stimmen eine Anpassung der Miete mit Verweis auf das Verwendungsrisiko des Mieters ab. Spätestens seit dem zweiten Lockdown und der Einführung der Vermutungsregelung in Art. 240 § 7 EGBGB dreht sich die Diskussion vornehmlich um die Anwendung und die Rechtsfolgen einer Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB.
Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass es sich bei der COVID-19-Pandemie und den damit verbundenen gesetzlichen Schutzmaßnahmen, insbesondere den Betriebsschließungen, um eine für Parteien eines Gewerbemietvertrages unvorhersehbare und schwerwiegende nachträgliche Änderung der Geschäftsgrundlage handelt und dass – hätten die Parteien die Pandemie vorausgesehen – sie den jeweiligen Mietvertrag nicht oder jedenfalls nicht so geschlossen hätten.
Für eine Vertragsanpassung aufgrund von Störung der Geschäftsgrundlage ist jedoch auch erforderlich, dass dem Mieter ein weiteres Festhalten an dem unveränderten Mietvertrag nicht zugemutet werden kann. Bei der Beurteilung, was dem Mieter zugemutet werden kann, gingen die Ansichten in der Literatur und Rechtsprechung bisher jedoch weit auseinander. Das heutige BGH-Urteil schafft insoweit in gewissem Umfang Klarheit.
Keine pauschale Mietreduzierung
Der vom BGH (XII ZR 8/21) zu entscheidende Fall betraf eine Filiale eines Textil-Discounters im Raum Chemnitz, die vom 19. März bis zum 19. April 2020 aufgrund der behördlich angeordneten Betriebsschließung schließen musste. Infolge der Betriebsschließung entrichtete der Mieter für den Monat April keine Miete. Der Vermieter begehrte mit seiner Klage die Entrichtung der vollen Miete für den Zeitraum der Betriebsschließung.
Das Oberlandesgericht Dresden (OLG Dresden, Urteil vom 24. April 2021 – 5 U 1782(20)) hatte entschieden, dass der Mieter nur die Hälfte der Kaltmiete zahlen müsse. Zur Begründung führte das OLG Dresden an, keine der Vertragsparteien habe eine Ursache für die Störung der Geschäftsgrundlage gesetzt. Es sei daher angemessen, die damit verbundene Belastung gleichmäßig auf beide Parteien zu verteilen. Gegen dieses Urteil legten beide Parteien Revision beim BGH ein.
Dieser pauschalen 50-50-Lösung hat der BGH eine Absage erteilt. Zwar seien beide Parteien durch die staatlichen Maßnahmen im Kampf gegen die COVID-19-Pandemie belastet, keine Seite trage allein Verantwortung. Eine hälftige Aufteilung der Miete sei aber zu pauschal und werde dem normativen Tatbestandsmerkmal des § 313 Abs. 1 BGB, dem Zumutbarkeitskriterium, nicht gerecht.
Auch bei coronabedingter Betriebsschließung sind die Umstände des Einzelfalls entscheidend
Ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist, bedürfe auch im Falle der coronabedingten Betriebsschließung einer umfassenden Abwägung, bei der sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind.
Bei der Abwägung sei zunächst von Bedeutung, welche Nachteile dem Mieter durch die Geschäftsschließung und deren Dauer entstanden sind. Diese würden bei einem gewerblichen Mieter primär in einem konkreten Umsatzrückgang für die Zeit der Schließung bestehen. Zugunsten der Mieter stellte der BGH fest, dass es bezüglich des Umsatzrückgangs nur auf das konkrete Mietobjekt und nicht auf einen möglichen Konzernumsatz ankomme. Etwaige Online-Umsätze sind damit grds. nicht zu berücksichtigen. Für Gastronomiebetriebe z.B. wird es aber auf einen Außerhausverkauf ankommen. Nach Ansicht des BGH kann auch berücksichtigt werden, welche Maßnahmen der Mieter ergriffen hat oder ergreifen konnte, um die drohenden Verluste während der Geschäftsschließung zu vermindern.
Gleichzeitig seien bei der Prüfung der Unzumutbarkeit auch die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich pandemiebedingter Nachteile erlangt hat. Hierbei seien auch Leistungen einer ggf. einstandspflichtigen Betriebsversicherung des Mieters zu berücksichtigen. Staatliche Leistungen, die auf Basis eines Darlehens gewährt wurden, seien bei der gebotenen Abwägung jedoch außer Betracht zu lassen, da hierdurch keine endgültige Kompensation zugunsten des Mieters erreicht werde. Eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Mieters müsse aber nicht unbedingt gegeben sein.
Schließlich seien bei der gebotenen Abwägung auch die Interessen des Vermieters in den Blick zu nehmen.
Der BGH hat das Urteil des OLG Dresden in der Folge aufgehoben. Das OLG Dresden wird in dieser Sache noch einmal verhandeln und dabei alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen müssen.
Einvernehmliche Lösungen zwischen den Parteien sind weiterhin vorzugswürdig
Nach dem Urteil des BGH steht fest, dass es keine einfache Lösung für das Problem gibt. Jedenfalls kann das Risiko der pandemiebedingten Betriebsschließung nicht unter Verweis auf das Verwendungsrisiko allein dem Mieter übertragen werden. Ebenfalls wurde geklärt, dass es für die Bewertung der Nachteile des Mieters maßgeblich auf den Umsatzrückgang hinsichtlich des konkreten Mietobjekts ankommt und es für einen Anspruch auf Mietanpassung keiner Existenzgefährdung des Mieters bedarf. Es ist nunmehr aber auch klar, dass der Mieter sich nicht auf eine pauschale hälftige Mietanpassung aufgrund der behördlichen Anordnungen berufen kann.
Vermieter und Mieter werden daher weitermachen müssen wie bisher: individuelle Lösungen finden, mit denen sich beide Seiten einverstanden erklären können. Die Entscheidung des BGH bringt insoweit jedenfalls Rechtsklarheit und dürfte die außergerichtliche Einigung der Mietvertragsparteien voranbringen.
*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.