Zur Umlagefähigkeit von ESG Kosten in Mietverhältnissen – Wer trägt die Kosten der Klimaschutzoffensive?
Es sind ambitionierte Ziele, die sich die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Union derzeit selbst stecken, um Maßnahmen zur Umsetzung des Klimaschutzes zu realisieren. Zuletzt ausgelöst durch den am 29. April 2021 veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes (Az. 1 BvR 2656/18), in dem das deutsche Bundes-Klimaschutzgesetz vom 12. Dezember 2019 insoweit für verfassungswidrig befunden wurde, als dass hinreichende Maßgaben für die weitere Emissionsreduktion ab dem Jahr 2031 fehlten. Zudem sahen die Karlsruher Richter den Gesetzgeber in der Pflicht, Vorkehrungen zur Gewährleistung eines freiheitsschonenden Übergangs in die Klimaneutralität zu schaffen, also schärfere Maßnahmen in dem Zeitraum von jetzt bis zum Jahr 2030 umzusetzen.
Neues Klimaschutzgesetz 2021 und „Fit for 55“
Die Bundesregierung legte mit der Novelle zum Klimaschutzgesetz am 12. Mai 2021 nach und nachdem Bundestag (am 24. Juni 2021) und Bundesrat (am 25. Juni 2021) dem Gesetzesentwurf zustimmten und die Novelle am 30. August 2021 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde, ist sie seit dem 31. August 2021 in Kraft. Mit dem neuen Klimaschutzgesetz soll der Anteil an Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 65 % reduziert werden. Bislang lag dieser Wert noch bei 55 %. Bis zum Jahr 2040 sollen sogar 88 % weniger CO2 emittiert werden. Klimaneutralität ist für das Jahr 2045 (bislang noch 2050) avisiert.
Die Europäische Union nimmt mit ihrem am 14. Juli 2021 vorgestellten Maßnahmenpaket „Fit for 55“ ebenfalls weltweit eine Vorreiterrolle ein, liegt mit ihren Zielen dabei jedoch noch auf dem Niveau des deutschen Klimaschutzgesetzes von 2019, d.h. Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 55 % – Klimaneutralität im Jahr 2050.
Doch bei der Frage, wie die weitreichenden Einschnitte finanziert werden sollen, zeigen sich bei näherer Betrachtung der Regelwerke erhebliche Hürden, die letztlich die Realisierung der Ziele gefährden könnten. Die Bundesrepublik setzt mit dem Klimapakt Deutschland vor allem auf eine CO2-Bepreisung, die gemäß § 10 Abs. 2 BEHG von EUR 25,00 je Tonne CO2 in 2021 schrittweise bis auf maximal EUR 65,00 je Tonne CO2 in 2026 angehoben werden soll. Für den Gebäudesektor ist zudem eine stärkere Einbindung von erneuerbaren Energien und eine Sanierungsoffensive mit Fördermaßnahmen, insbesondere für den sozialen Wohnungsbau, geplant.
Die EU setzt ebenfalls in erster Linie auf einen CO2-Emissionshandel, hat mit der Verordnung 2019/2088 (Offenlegungsverordnung) und der Verordnung 2020/852 (Taxonomieverordnung) allerdings auch ein umfassendes Regelwerk zur Kanalisierung (privater wie nicht privater) Geldströme geschaffen, um Anlegern die Möglichkeit zu eröffnen, in nachweislich nachhaltige Produkte zu investieren.
Als nachhaltig gilt eine Investition danach dann, wenn sie in Wirtschaftstätigkeiten investiert, die
- einen wesentlichen Beitrag zu einem Umweltziel nach Artikel 9 TaxonomieVO leistet,
- keine wesentliche Beeinträchtigung eines anderen Umweltziels darstellen (sog. DNSH-Kriterium),
- die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen, die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte sowie die Internationale Charta der Menschenrechte einhält und schließlich
- die technischen Bewertungskriterien erfüllt, die nach und nach in delegierten Rechtsakten zur Ergänzung der TaxonomieVO festgelegt werden.
Bislang sind auf diese Weise nur die Umweltziele „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“ konkretisiert, weitere Rechtsakte werden jedoch zeitnah folgen.
Wer aber trägt konkret die Kosten des nationalen CO2-Preises und können diese und andere Kosten, die im Zuge der Klimaschutzoffensive investiert werden, auf Mieter umgelegt werden?
Umlage der Kosten der Klimaschutzoffensive als Betriebskosten oder als Modernisierungsmaßnahme auf den Mieter kann teilweise möglich sein
Bei der Frage nach der Kostentragung muss zwischen laufenden Kosten und einmaligen Kosten differenziert werden:
Laufende Kosten (zum Beispiel Lizenzgebühren für nachhaltigkeitsfördernde Softwarelösungen oder verbrauchsbasierte Rohstoffe) können jedenfalls dann auf den Mieter umgelegt werden, wenn sie in der Betriebskostenverordnung aufgelistet sind.
Für den CO2-Preis gilt daher aktuell eine volle Umlagefähigkeit, da diese Kosten auf den Preis der jeweiligen Brennstoffe, die für die Heizungsanlage benötigt werden, aufgeschlagen werden und somit zu den Kosten des Betriebes der Heizungsanlage zählen (§ 2 Nr. 4 lit.a BetrKV). Weitere Kosten können je nach Art ebenfalls umgelegt werden, solange sie dem Eigentümer durch das Eigentum am Grundstück oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch laufend entstehen und idealerweise von der Betriebskostenverordnung explizit genannt werden. Weitere „sonstige Betriebskosten“ nach § 2 Nr. 17 BetrKV können zwar grundsätzlich auch umgelegt werden, hier kann es aber im Einzelfall zu Streit über die Umlagefähigkeit kommen, sodass es ratsam ist, vorab mit dem Mieter entsprechende Vereinbarungen zu treffen und Vorteile aufzuzeigen.
Einmalige (Modernisierungs-) Maßnahmen können über eine Mieterhöhung der Jahresmiete um bis zu 8 % der aufgewendeten Kosten, jedoch nicht mehr als EUR 3,00 je Quadratmeter Wohnfläche, auf den Mieter umgelegt werden. Betrug die monatliche Miete vor der Mieterhöhung weniger als EUR 7,00 je Quadratmeter Wohnfläche, sind maximal 2,00 EUR je Quadratmeter zulässig. Dies gilt jedoch nur für Wohnungsmietverträge. Da § 578 BGB nicht auf die §§ 559 ff. BGB verweist, ist eine Umlage von Modernisierungsmaßnahmen ohne gesonderte Individualvereinbarung im Gewerberaummietrecht nicht möglich.
Zudem muss im Wohnraummietrecht durch die Modernisierungsmaßnahme entweder
- Energie nachhaltig eingespart,
- der Wasserverbrauch nachhaltig reduziert,
- der Gebrauchswert der Mietsache nachhaltig erhöht,
- die allgemeinen Wohnverhältnisse auf Dauer verbessert oder
- neuer Wohnraum geschaffen werden.
(Sonstige) Klimaschutzmaßnahmen dagegen können ausdrücklich nicht über eine Mieterhöhung auf den Mieter umgelegt werden (vgl. § 559 Abs. 1 BGB, der nicht auf § 555b Nr. 2 BGB verweist).
Klimaschutzgesetz allein keine Grundlage für Umlage der Kosten auf den Mieter
Nach aktueller Rechtslage bestehen also enge Grenzen, ESG-Maßnahmen ohne Individualvereinbarung auf Mieter umzulegen. Das führt dazu, dass Vermieter zum Teil mit äußerst kreativen Ideen und ohne sich mit dem Mieter hierüber abzustimmen, die Kosten für die Umsetzung von ESG-Maßnahmen auf den Mieter umlegen. Argumentativ begründen sie, das Klimaschutzgesetz sei ein Bundesgesetz und gehe daher der Betriebskostenverordnung als bloße Verordnung vor. Dem Klimaschutzgesetz sei die Verteilung der Kosten, die für die Umsetzung des Klimaschutzes notwendig werden, immanent, solange das Wirtschaftlichkeitsgebot berücksichtigt werde.
Auch wenn der Wunsch nach einer Kostenregelung nachvollziehbar ist, raten wir von solchen Vorgehensweisen ab. Das Klimaschutzgesetz enthält keine Regelung zur Umlagefähigkeit und/oder Kostenverteilung und kann daher auch nicht als Grundlage für eine Umlage auf den Mieter herangezogen werden. Wer dennoch seinen Mieter in die Pflicht nimmt und sich dabei auf das Klimaschutzgesetz beruft, riskiert mitunter mehr, als ihm die kurzfristige Kostenübernahme einbringt.
Was wurde aus dem Vorschlag, die CO2-Kosten zwischen Mieter und Vermieter hälftig zu teilen?
Eigentlich war alles bereits beschlossene Sache: Die auf Heizöl und Gas anfallenden CO2-Abgaben sollten sich Mieter und Vermieter zunächst vom 1. Januar 2022 bis zum 31. Dezember 2024 hälftig teilen. Das sollte für Gewerberaummieten gleichermaßen gelten wie für Wohnraum. Allein das Bundeskabinett hätte noch zustimmen müssen. Auf den letzten Metern scheiterte dieser Vorschlag allerdings an der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die in einer pauschalen hälftigen Teilung einen Verstoß gegen das bei Verbrauchskosten geltende „Verursacherprinzip“ sieht. Der Vermieter habe keinen Einfluss auf das Heizverhalten des Mieters und könne daher auch nicht auf die Vermeidung von CO2 (über die Reduzierung von Heizkosten) einwirken.
Also trägt künftig der Mieter allein die Kosten der CO2-Abgabe? Vermutlich nicht! Wie so oft ist auch hier eine pauschale Betrachtungsweise nicht zielführend, denn der Mieter seinerseits hat keine Möglichkeit, den energetischen Zustand des Gebäudes zu verbessern. Also wird es wohl, je nach Wahlergebnis, auf eine Kostenbeteiligung in Abhängigkeit der Energieeffizienz des Gebäudes hinauslaufen, die die am 26. September 2021 neu gewählte Bundesregierung beschließen wird. Dabei könnte es durchaus so weit kommen, dass Vermieter energieuneffizienter Gebäude mehr als die bisher diskutierten 50 % des CO2-Preises werden tragen müssen. Einen Anreiz zu Modernisierungsmaßnahmen könnte dies durchaus schaffen und scheint jedenfalls auf den ersten Blick ein vernünftiger Vorschlag zu sein.
Erst CO2-Neutralität – dann Umweltziele der TaxonomieVO
Primärer Anknüpfungspunkt der Klimaschutzoffensive für die Immobilienbranche ist weiterhin die energetische Gebäudesanierung, durch die die in Artikel 1 Nr. 9 der Novelle zum Klimaschutzgesetz verschärften maximalen jährlichen Emissionsmengen für Gebäude von derzeit 113 Millionen Tonnen auf 67 Millionen Tonnen CO2 in 2030 realisiert werden sollen. Bei der Frage der Umlagefähigkeit bestehen die engen Grenzen des BGB und der Betriebskostenverordnung zu Modernisierungsmaßnahmen und umlagefähigen Nebenkosten. Eine konkrete Regelung, die die jüngsten Entwicklungen des Klimaschutzes berücksichtigt, ist wünschenswert, derzeit aber noch nicht in Sicht.
Neben der energetischen Gebäudesanierung sollten aber auch die Umweltziele der TaxonomieVO im Blick gehalten werden, um sich so auf die kommenden Jahrzehnte der Klimaschutzoffensive einzustellen. Insbesondere die frühzeitige Betrachtung aller Umweltziele ab dem Herstellungsprozess bietet die Möglichkeit Strategien zur Wiederverwendung und Wiederverwertung der Rohstoffe zu etablieren. Die Verwendung CO2 armer Rohstoffe wie Holz gegenüber Beton ist dabei nur ein möglicher Aspekt.
Niemand weiß, wie sich das Wettrüsten im Klimaschutz konkret auswirkt, sobald das Optimum an energetischer Gebäudesanierung erreicht ist. Sicher dürfte aber sein, dass Nachhaltigkeit nicht bei CO2 aufhört. Der Ruf nach weiteren ressourcenschonenden Maßnahmen wird schon bald neben der CO2-Reduktion verlautbaren. „Stranded Assets“ können auch noch entstehen, wenn zwar die CO2-Bilanz stimmt, aber zukünftig die weiteren Klimaschutzdaumenschrauben angezogen werden! Wer jetzt vorsorgt, mit Weitblick in die bereits veröffentlichen Regelwerke schaut und seine Immobilien entsprechend ausrichtet bzw. ausstattet, den lassen in Zukunft die Diskussionen um den Klimaschutz trotz Erderwärmung eher kühl.