1. Dezember 2017
Auslandsbeschäftigung Brexit
Brexit

Auslandsbeschäftigung nach dem Brexit

Einige Gemeinsamkeiten, viele Unsicherheiten – ein Ausblick auf eine Auslandsbeschäftigung nach dem Brexit aufgrund der bisherigen Verhandlungen.

Auch nach der offenbar erfolgten Zusage der britischen Regierung bleibt unklar, ob die Verhandlungen zum Brexit innerhalb der Zweijahresfrist zu einem Ergebnis führen werden. Vielleicht kommt es zu dem gefürchteten harten Brexit“, möglicherweise wird aber auch eine Verlängerung der Verhandlungen vereinbart.

Für Arbeitgeber bedeutet das eine große Unsicherheit: Sollten sie Stellen aus Großbritannien frühzeitig in die EU verlagern oder abwarten, ob Regelungen vereinbart werden, die eine sinnvolle Fortführung der Geschäftstätigkeit in Großbritannien ermöglichen? Der Ausgang der Verhandlungen ist offen.

Report zu Bürgerrechten bei „weichem Brexit“

Käme es zu einem „harten Brexit“, kämen britische Arbeitnehmer in der EU sowie EU-Bürger in Großbritannien nicht mehr in den Genuss der Arbeitnehmerfreizügigkeit oder anderer Erleichterungen von Arbeit und Aufenthalt. Beim grenzüberschreitenden Mitarbeitereinsatz wären dann – so wie derzeit für andere Drittstaaten – erhebliche bürokratische Hürden zu bewältigen. Was Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Falle eines „weichen Brexit“ zu erwarten hätten, ist noch weitgehend offen.

Am 31. August 2017 hat die EU-Kommission einen Report bezüglich der dritten Verhandlungsrunde zum Thema Bürgerrechte zwischen Großbritannien und der EU veröffentlicht, am 28. September 2017 folgte der Report zur vierten Verhandlungsrunde. Darin werden die von Großbritannien und der EU vertretenen Positionen zu den Rechten der Bürger im Bereich des Wohnsitzes, der Sozialversicherung und der Anerkennung beruflicher Qualifikationen zusammengefasst und gegenübergestellt. Auf der Grundlage dieser Reports werden im Folgenden die möglichen Auswirkungen einer Austrittsvereinbarung über die Bürgerrechte von Arbeitnehmern der EU und Großbritanniens im Falle eines Austritts dargestellt.

Wen die Regelungen treffen werden: Persönlicher Anwendungsbereich

Schon bei der Frage, wessen Rechte in einer solchen Austrittsvereinbarung geregelt werden sollten, treten die ersten Unstimmigkeiten auf.

Unklar ist zunächst das Schicksal der aus der EU nach Großbritannien entsendeten Arbeitnehmer. Im Gegensatz zur britischen Seite möchten die EU-Unterhändler dieses Thema nicht in dieser Arbeitsgruppe, sondern im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Dienstleistungen abhandeln, sodass hier noch kein Konsens besteht.

Einig waren sich die Unterhändler, dass das Schicksal der EU-Bürger, die vor dem Austritt als Arbeitnehmer oder deren Familienangehörige ein Aufenthaltsrecht in Großbritannien nach der Freizügigkeitsrichtlinie (2004/38/EG) hatten, in der Austrittsvereinbarung zu regeln ist. Ebenso soll die künftige Behandlung von Grenzgängern vereinbart werden.

Unterschiedliche Positionen bestehen allerdings im Hinblick auf künftige Familienmitglieder eines europäischen Arbeitnehmers, der im Austrittszeitpunkt rechtmäßig in Großbritannien lebt. Die EU möchte deren Status in der Austrittsvereinbarung regeln, Großbritannien will sie den nationalen Regeln für Familiennachzug aus Drittstaaten unterwerfen.

Aufenthaltsstatus der Arbeitnehmer

Aufgrund der Arbeitnehmerfreizügigkeit sind EU-Bürger berechtigt, in jedem Mitgliedstaat zu leben und zu arbeiten. In Großbritannien werden EU-Bürger nach dem Brexit hierfür eine Aufenthaltsgenehmigung benötigen. Das gleiche wird für Briten in der EU gelten.

Das Austrittsabkommen soll Regelungen enthalten, die den Art. 16 und 17 der Freizügigkeitsrichtlinie (2004/38/EG) entsprechen. Demnach sollen insbes. Arbeitnehmer, Selbstständige, Studenten und ihre Familienangehörigen auch in Zukunft nach einem fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt eine Daueraufenthaltsgenehmigung beantragen können.

Während die europäische Seite davon ausgeht, dass ein Daueraufenthaltsrecht unter diesen Voraussetzungen automatisch ohne Genehmigungserteilung entsteht, betrachtet Großbritannien die Genehmigung als Voraussetzung für das Bestehen eines Daueraufenthaltsrechts. In diesem Zusammenhang möchte Großbritannien eine generelle Überprüfung im Hinblick auf Vorstrafen einführen – damit ist jedoch die EU nicht einverstanden.

Unklar bleibt, ob eine zweijährige Abwesenheit zum Verlust dieses Aufenthaltsrechts führen soll. Die Unterhändler des Vereinigten Königreichs möchten hier großzügigere Regeln schaffen als bisher europarechtlich vorgesehen. Sie wären sogar bereit, ein Rückkehrrecht für EU-Bürger mit Daueraufenthaltsgenehmigung einzuführen.

Inhaber eines Daueraufenthaltsrechts genießen auch nach dem Brexit die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen des Aufenthaltsstaats. Dies betrifft grundsätzlich die Bereiche der Sozialversicherung, Gesundheitsversorgung, Ausbildung und Ausübung einer Beschäftigung.

Ein weiterer Streitpunkt ist die Freizügigkeit der Bürger mit Daueraufenthaltsgenehmigung. Die EU sperrt sich hier gegen den britischen Wunsch nach einem Recht der Briten mit Daueraufenthaltsgenehmigung eines EU-Mitgliedstaats, sich in der gesamten EU frei zu bewegen.

Sozialversicherung: weiterhin Anspruch auf Gleichbehandlung zu erwarten

Die verschiedenen Sozialversicherungssysteme der Mitgliedstaaten werden in der EU durch die Verordnung Nr. 883/2004 koordiniert. Durch diese Verordnung wird sichergestellt, dass eine Versicherungspflicht stets in nur einem Mitgliedstaat besteht. Für Zeiten, in denen EU-Bürger in einem anderen Mitgliedstaat beispielsweise in die Rentenversicherung eingezahlt haben, erhalten sie von diesem Mitgliedstaat eine Altersrente. Versicherungs-, Aufenthalts- und Beschäftigungszeiten in anderen Mitgliedstaaten werden berücksichtigt, soweit sie Voraussetzung für Sozialleistungen sind.

Die Unterhändler waren sich bereits in der dritten Verhandlungsrunde einig, dass die Abstimmung der Sozialversicherungssysteme für die EU-Bürger, die in der Vergangenheit in Großbritannien sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren, sowie für die Briten, die in der Vergangenheit in der EU sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren, bei einem Austritt geregelt werden muss. Der Anwendungsbereich wird sich daher voraussichtlich mit der Verordnung Nr. 883/2004 decken.

Sofern britische Staatsangehörige – vor oder nach dem Austrittsdatum – Sozialversicherungsbeiträge in einem EU-Mitgliedsstaat gezahlt haben, werden sie ihre Ansprüche auf Sozialleistungen nicht verlieren. Dasselbe gilt umgekehrt für Angehörige eines EU-Mitgliedsstaates, die Sozialversicherungsbeiträge in Großbritannien gezahlt haben. Insoweit soll weiterhin ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit den Staatsangehörigen des Staates gelten, in dem die Versicherungspflicht besteht. Britische Staatsangehörige müssen – anders als derzeit bei einem Wohnsitz in Drittstaaten – auch nicht befürchten, dass sie von Rentenerhöhungen ausgeschlossen werden, wenn sie bei Renteneintritt nicht nach Großbritannien zurückkehren. Insoweit besteht offenbar Einigkeit zwischen den Unterhändlern.

Die Vorschriften zur Gesundheitspflege sollen sich darüber hinaus weiterhin nach der Verordnung Nr. 987/2009 richten. Danach können sich gesetzlich versicherte EU-Bürger mit der Europäischen Krankenversicherungskarte (European Health Insurance Card – EHIC) im EU-Ausland behandeln lassen. Einig sind sich die Unterhändler hier bisher jedoch wohl nur, soweit im Austrittszeitpunkt eine grenzüberschreitende Situation besteht, d.h. für alle Arbeitnehmer, die am Austrittstag in einem EU-Mitgliedsstaat versichert sind und sich aufgrund eines vorübergehenden Aufenthalts oder Wohnsitzes in Großbritannien befinden und umgekehrt. Für Arbeitnehmer, die erst nach dem Brexit aus der EU nach Großbritannien ziehen (oder umgekehrt), bleibt die künftige Krankenversicherung ungeklärt.

Anerkennung beruflicher Qualifikationen

In Bezug auf die Anerkennung beruflicher Qualifikationen sind sich die Unterhändler offenbar weitgehend einig. EU-Ausländer bzw. Briten mit beruflichen Qualifikationen, die vor dem Austrittsdatum erlangt wurden, sollen mit Inländern gleichbehandelt werden – nach dem Willen der EU allerdings nur, soweit sie ihren Wohnsitz schon vor dem Austrittsdatum in Großbritannien (EU-Bürger) bzw. in der EU (britische Staatsangehörige) hatten.

Bestandsschutz soll für alle Anerkennungsentscheidungen gelten, die vor dem Austrittsdatum getroffen wurden, und für alle zu diesem Zeitpunkt laufenden Anerkennungsverfahren, die nach Unionsrecht fortgeführt werden. Ebenso verhält es sich mit der Anerkennung beruflicher Qualifikationen aus Drittstaaten nach dreijähriger Ausübung in der EU. Einschränkend möchte die EU jedoch vereinbaren, dass die Anerkennung einer britischen beruflichen Qualifikation nur in dem Mitgliedstaat gilt, in dem sie erfolgt ist.

In der dritten und vierten Verhandlungsrunde haben die Unterhändler der EU und Großbritanniens damit offenbar für bestimmte Diskussionspunkte im Rahmen des Brexits Übereinstimmungen festgestellt. Allerdings bestehen nach wie vor noch erhebliche Unsicherheiten.

Die Fragen, bei denen schon in diesem frühen Stadium der Verhandlungen Einigkeit besteht, würden in eine Austrittsvereinbarung wohl entsprechend aufgenommen werden. Welche weiteren Rechte den betroffenen Arbeitnehmern letztendlich zukommen werden, bleibt jedoch offen – genau wie die Frage, ob schließlich überhaupt eine Austrittsvereinbarung geschlossen werden wird. Der Fortgang der Verhandlungen bleibt damit sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber spannend.

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