Erfüllung nationaler Energieeffizienzziele und Einhaltung der europäischen Zielvorgaben – auf Kosten von Rechenzentren?
Rechenzentren in Deutschland verbrauchen aktuell etwa 18 Milliarden kWh Strom pro Jahr und tragen damit zu etwa 3 % des jährlichen Stromverbrauchs in Deutschland bei. Zehn Jahre zuvor waren es noch 11 Milliarden kWh. Tendenz weiter steigend. Die fortschreitende Digitalisierung, insbesondere autonomes Fahren und KI-Anwendungen verlangen nach immer mehr Datenmengen. So verwundert es nicht, dass die Branche boomt und immer mehr Rechenzentren gebaut werden. Der immer höhere Energieverbrauch steht jedoch im Konflikt zu den europäischen und nationalen Zielen, den Energieverbrauch bis zum Jahr 2030 um 30% und bis zum Jahr 2050 um 50% zu reduzieren. Dies gilt jedenfalls, wenn man schlicht auf den Energieverbrauch der Rechenzentren schaut, ohne zu berücksichtigen, wie viel Energie aufgrund eines Teams-Meeting statt eines physischen Treffens in einer anderen Location eingespart wird. So ist es wenig überraschend, dass Rechenzentren Gegenstand intensiver Diskussion sind.
Der Gesetzgeber will nunmehr mit dem am 21. September 2023 im Bundestag verabschiedeten Energieeffizienzgesetz (EnEfG) die Energieeffizienz von Rechenzentren in Deutschland regeln. Ursprünglich wollte er damit weitere Anforderungen auf Grundlage der Aktualisierung der geltenden EU-Energieeffizienzrichtlinie (2012/27/EU) vorzeitig in nationales Recht umsetzen. Mit Verkündung der Neufassung der EU-Energieeffizienzrichtlinie (EU) 2023/1791 am 20. September 2023 hat er dieses Ziel zeitlich nunmehr knapp verfehlt. Inhaltich hat das EnEfG seit Vorlage des ersten Entwurfs überdies einige Änderungen erfahren. Teilweise sind Kritikpunkte der Branchenverbände berücksichtigt worden.
Neben Vorschriften für Bund, Länder, und Kommunen werden Anforderungen für Informationstechnikbetreiber aufgestellt. Außerdem wird insbesondere Rechenzentren im EnEfG ab einer nicht redundanten elektrischen Nennanschlussleistung ab 300 Kilowatt ein eigener Abschnitt gewidmet und besondere Verpflichtungen auferlegt, welche in diesem Beitrag näher beleuchtet werden sollen.
Energieverbrauchseffektivität (Power Usage Effectiveness – PUE)
Mit der Kennzahl Energieverbrauchseffektivität – auch Power Usage Effectiveness (PUE) genannt – wird der Energiewirkungsgrad der technischen Infrastruktur beschrieben. Im Durchschnitt liegt der PUE der bestehenden Rechenzentren bei etwa 1,7.
Für alle Rechenzentren, die vor dem 1. Juli 2026 in Betrieb genommen werden, gilt ab dem 1. Juli 2027 eine Energieverbrauchseffektivität von kleiner oder gleich 1,5 und ab dem 1. Juli 2030 von kleiner oder gleich 1,3 (im Jahresdurchschnitt dauerhaft). Rechenzentren, die ihren Betrieb hingegen erst ab dem 1. Juli 2026 aufnehmen, müssen so errichtet werden, dass sie eine Energieverbrauchseffektivität von kleiner oder gleich 1,2 erreichen, wobei dieser Wert erst zwei Jahre nach Inbetriebnahme im Jahresdurchschnitt dauerhaft zu erreichen sind. Letzterer Gesichtspunkt berücksichtigt, dass die PUE im Wesentlichen auch von der Belegung des Rechenzentrums durch Nutzer abhängig ist. Wird das Rechenzentrum nicht voll ausgelastet, geht notwendigerweise ein höherer Anteil der Energie in die Infrastruktur des Gebäudes anstatt in die Datenverarbeitung und führt so zu einem schlechteren PUE-Wert. Die zwei Jahren verschaffen den Betreibern etwas Zeit, Nutzer für ihre Rechenzentren zu finden.
Vermeidung und Nutzung von Abwärme
Bei der Datenverarbeitung wird der verbrauchte Strom in Wärme umgewandelt, welche überwiegend ungenutzt emittiert wird. Grund ist hierfür vielfach, dass in der näheren Umgebung kein Abnehmer für die Abwärme besteht und die Rechenzentren meist über keine Übergabestation für die Abwärme verfügen. Ein Fokus des EnEfG liegt daher in dem Umgang der Rechenzentren mit Abwärme (vgl. § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Abs. 3, Abs. 4 i.V.m. § 16 EnEfG).
Alle Rechenzentren mit einem durchschnittlichen Gesamtendenergieverbrauch von mehr als 2,5 Gigawattstunden (GWh) im Jahr sind verpflichtet, Abwärme nach dem Stand der Technik zu vermeiden, die anfallende Abwärme auf den Anteil der technisch unvermeidbaren Abwärme zu reduzieren und durch Nutzung wiederzuverwenden, ob im eigenen Betrieb, auf dem Betriebsgelände oder durch Lieferung an Dritte. Dabei bemisst sich der Anteil an wiederverwendeter Energie (sog. Energy Reuse Factor – ERF) nach DIN EN 50600-4-6.
Diejenigen Rechenzentren, die ab dem 1. Juli 2026 ihren Betrieb aufnehmen, sind so zu errichten und zu betreiben, dass sie einen ERF-Wert von mindestens 10 % aufweisen. Für ab dem 1. Juli 2027 errichtete Rechenzentren liegt der ERF-Wert hingegen bei 15 %. Bei 20 % liegt der ERF-Wert für Rechenzentren, die ab dem 1. Juli 2028 errichtet werden. Auch hier gilt: die Anforderungen sind erst zwei Jahre nach Inbetriebnahme dauerhaft zu erreichen.
Das EnEfG macht jedoch Ausnahmen von den vorstehenden Anforderungen für Rechenzentren:
- wenn der Anteil an wiederverwendeter Energie nach Inbetriebnahme, durch nachträgliche Ereignisse und ohne Verschulden des Betreibers des Rechenzentrums, nicht mehr den Anforderungen entspricht,
- zwischen einer in räumlicher Nähe befindlicher Gemeinde oder einem Betreiber eines Wärmenetzes und dem Betreiber des Rechenzentrums abgeschlossene Vereinbarung zur Abwärmenutzung vorliegt, wonach die Gemeinde oder der Betreiber des Wärmenetzes ihre konkrete Absicht zum Aufbau oder zur Gestattung eines oder mehrerer Wärmenetze erklärt,
- der Betreiber eines in der Umgebung befindlichen Wärmenetzes ein Angebot zur Nutzung wiederverwendeter Energie zu Gestehungskosten nicht innerhalb von sechs Monaten annimmt, obwohl der Betreiber des Rechenzentrums die notwendige Infrastruktur zur Bereitstellung der Wärme insbesondere in Form einer Wärmeübergabestation bereithält.
Ausweislich der Gesetzesbegründung zielen diese Regelungen rund um die Vermeidung bzw. Nutzung von Abwärme darauf ab, dass Rechenzentren bei der Planung sich bereits auf die Nutzung und gegebenenfalls Auskopplung eines bestimmten Anteils der im Rechenzentrum entstehenden Abwärme einstellen und entsprechende Investitionen vornehmen. Zukünftig wird daher das Umfeld eines potentiellen Rechenzentrums verstärkt in den Fokus genommen werden. Standorte, an denen Strukturen und Abnehmer für die Abnahme von Abwärme bestehen, werden besonders nachgefragt werden.
Deckung des Stromverbrauchs
Nach § 11 Abs. 5 EnEfG müssen die Betreiber von Rechenzentren den Stromverbrauch bilanziell ab dem 1. Januar 2024 zu 50 % und ab dem 1. Januar 2027 zu 100 % durch Strom aus erneuerbaren Energien decken. Das Gesetz legt dem augenscheinlich zugrunde, dass dieser Strom in ausreichender Menge zur Verfügung steht. Offen bleibt hingegen, wie zu verfahren ist, wenn dies nicht der Fall ist und anderen Marktteilnehmern durch den Entzug dieses Stromes Nachteile drohen.
Einführung eines Energie- und Umweltmanagements sowie eines Energieeffizienzregisters
Die Vorschrift des § 12 EnEfG verpflichtet die Betreiber von Rechenzentren, bis zum 1. Juli 2025 ein Energie- oder Umweltmanagementsystem einzuführen. Neben der kontinuierlichen Messung zur elektrischen Leistung und zum Energiebedarf der wesentlichen Komponenten eines Rechenzentrums gehört hierzu die Ergreifung von Maßnahmen, die die Energieeffizienz des Rechenzentrums konkret verbessern. Einige Rechenzentren sind unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 4 oder Abs. 6 EnEfG von diesen Anforderungen jedoch befreit. Dazu zählen Rechenzentren, deren wiederverwendete Energie zur Nutzung über ein Wärmenetz zu einem Anteil von mindestens 50 % aufgenommen wird und ihr jährlicher durchschnittlicher Gesamtendenergieverbrauch innerhalb der letzten drei abgeschlossenen Kalenderjahre die Schwelle von 7,5 GWh nicht überschreitet. Ziel dieses Managementsystems ist es, ausreichend Transparenz zu schaffen und vorhandene Energieeffizienzpotentiale aufzuzeigen damit entsprechende Maßnahmen geplant werden können.
§ 13 EnEfG verpflichtet die Rechenzentren dazu, jährlich Informationen entsprechend der Anlage 3 des Gesetzes zu veröffentlichen und an den Bund in der dafür vorgesehenen Formatvorlage und nach § 15 EnEfG den Kunden zuzuordnende Energieverbräuche pro Jahr gegenüber dem jeweiligen Kunden, sofern ein Rechenzentrum auch Dienstleistungen für Dritte anbietet, darzustellen.
§ 14 EnEfG statuiert die Einführung eines Energieeffizienzregisters für Rechenzentren, in dem die übermittelten Informationen gespeichert und in eine europäische Datenbank über Rechenzentren übertragen werden.
EnEfG im Blick behalten
Das EnEfG hat von Beginn an viel Kritik erfahren. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurden verschiedene Akteure angehört und der Entwurf hat sowohl Abschwächungen aber auch Verschärfungen erfahren. Kritiker bezeichnen das Gesetz als Verhinderung der Digitalisierung und Vertreibung der Rechenzentrumsbranchen, welches nur unnötige Bürokratie schaffe. Befürworter loben das Gesetz, da es die Branche zu mehr zwingt und dadurch die Wirtschaft und den Standort durch höhere Energieproduktivität stärke.
Wie sich das EnEfG nach Inkrafttreten insbesondere auf die hier im Fokus stehenden Rechenzentren auswirken wird, bleibt abzuwarten. Für Betreiber von Rechenzentren, Investoren und Projektentwicklern ist es jedoch ab sofort unumgänglich, sich ausführlich mit den Regelungen zu befassen und ihre Prozesse an diese anzupassen.
Mit dem EU Action Plan „Digitalisierung des Energiesystems“ möchte die EU-Kommission zum Erreichen der Klimaziele und zu einer digitalen und ressourceneffizienten Gesellschaft beitragen. In unserer Blog-Serie „Energy goes digital„ gehen wir auf die einzelnen Inhalte des Action Plan sowie auf weitere Themen der Digitalisierung des Energiesystems ein. Bereits online sind neben dem in die Blog-Serie einführenden Beitrag, Beiträge zum Energieeffizienzgesetz-Entwurf und zu Smart Meter.