8. Juni 2020
Kreditvertrag krisenfest
Finanzierungsthemen in Corona-Zeiten Banking & Finance

Finanzierungen in Zeiten von Corona: Wie kann der Kreditnehmer Kreditverträge „krisenfester″ gestalten?

Zur Liquiditätssicherung von Kreditnehmern in Krisensituationen u.a. durch die Gestaltung von Garantenkonzepten und MAC-Klauseln.

Aufgrund der COVID-19-Pandemie beschäftigen sich aktuell zahlreiche Kreditnehmer nicht nur mit der Frage, wie sie vereinbarten Finanzkennzahlen erfüllen können, sondern grundsätzlich auch damit, wie sie einen bestehenden oder neu abzuschließenden Kreditvertrag optimal gestalten können.

Für eine krisenfestere Gestaltung eines Kreditvertrages bieten sich hierbei insbesondere die Regelungen zu Finanzkennzahlen, notwendigen Garantiegebern, revolvierenden Ziehungen sowie die MAC-Klausel an.

Großzügiger Headroom und stichtagsbezogenes Testing erleichtern die Einhaltung der Finanzkennzahlen

Die COVID-19-Pandemie macht sich bei vielen Unternehmen durch einen Einbruch des EBITDA bemerkbar. Dies erschwert dem Kreditnehmer die Einhaltung vertraglich vereinbarter Finanzkennzahlen mit Bezug zum EBITDA, wie zum Beispiel den Verschuldungsgrad. Ein Verstoß gegen die Finanzkennzahlen eines Kreditvertrages begründet in aller Regel einen vertraglichen Kündigungsgrund. Dieser hindert regelmäßig auch eine weitergehende Inanspruchnahme der Finanzierung.

Gerade in der aktuellen Situation zeigt sich der Wert eines großzügig bemessenen Headrooms bei der Vereinbarung von Finanzkennzahlen. Zwar können knapp kalkulierte Finanzkennzahlen günstigere Zinskonditionen ermöglichen, allerdings droht im Krisenfall ein frühzeitiger sog. Covenant Breach mit den eingangs beschriebenen Konsequenzen. Naturgemäß stößt jedoch auch ein großzügig bemessener Headroom bei Krisen in der Größenordnung der COVID-19-Pandemie an seine Grenzen.

Ein weiterer Faktor für eine krisenfeste Gestaltung kann daher die Vereinbarung einer rein stichtagsbezogenen Einhaltung der Finanzkennzahlen sein. Diese Regelung bietet gegenüber einer durchgehenden Verpflichtung den Vorteil, dass negative Entwicklungen zwischen zwei Teststichtagen ggf. ohne einen Covenant Breach überbrückt werden können. Dies gilt auch, wenn sich eine negative Entwicklung über Zeiträume zwischen den Teststichtagen erstreckt, da diese möglicherweise durch vorhergehende und nachfolgende positive Ergebnisse ausgeglichen werden kann. Zudem bietet die Vereinbarung einer stichtagsbezogenen Bewertung tendenziell mehr Gestaltungsspielraum, da ‒ im Rahmen des rechtlich Zulässigen ‒ der Eintritt von Geschäftsvorfällen, dahingehend „gesteuert″ werden kann, dass sich diese entweder vor einem Teststichtag oder erst danach ereignen und dementsprechend Eingang in die Berechnung der Finanzkennzahlen finden oder nicht.

Statische Garantenkonzepte vermeiden zusätzlichen Aufwand, wenn die Finanzkennzahlen „leiden″

Ein sinkendes EBITDA kann zudem auch Auswirkungen auf die Garantenstruktur haben. Kreditverträge sehen häufig ein sog. dynamisches Garantenkonzept vor. Dies bedeutet, dass alle „wesentlichen Tochtergesellschaften″ Garantien für die Erfüllung der Verbindlichkeiten aus bzw. im Zusammenhang mit dem Kreditvertrag gewähren. Bei Ermittlung dieser wesentlichen Tochtergesellschaften wird meist auf den prozentualen Beitrag einer Tochtergesellschaft des Kreditnehmers zum EBITDA der Unternehmensgruppe abgestellt. Sinkt das EBITDA auf Gruppenebene, kann dies dazu führen, dass zuvor als „unwesentlich″ einzustufende Tochtergesellschaften zu wesentlichen Tochtergesellschaften im Sinne des Kreditvertrags werden und diesem als weitere Garanten beitreten müssen.

Als krisenfestere Gestaltungsvariante bietet sich die Vereinbarung eines statischen Garantenkonzepts an:

Hierbei wird der Kreis der Gesellschaften, die Garantien für die Erfüllung der Verbindlichkeiten abgeben, bei Vertragsschluss abschließend bestimmt. Ein Kreditgeber kann daher grundsätzlich nicht zu einem späteren Zeitpunkt den Beitritt weiterer Gesellschaften der Unternehmensgruppe ‒ in der Rolle eines Garanten ‒ verlangen. Sofern ein statisches Garantenkonzept im Einzelfall nicht verhandelbar ist, kann der Kreditnehmer versuchen, die Definition der maßgeblichen Gesellschaften möglichst eng zu gestalten. Dies kann etwa durch Vereinbarung eines vergleichsweise hohen Schwellenwerts des erforderlichen Beitrages einer potenziellen Garantin zum EBITDA auf Gruppenebene erreicht werden (z.B. 10 % anstatt – wie häufig vereinbart – 5 %).

Formulierung der MAC-Klausel kann Hindernis für neue Ziehung werden

Einer weitergehenden Inanspruchnahme bzw. Auszahlung einer bestehenden Finanzierung kann – neben der Nichteinhaltung der Finanzkennzahlen – auch eine sogenannte „MAC-Klausel″ (Material-Adverse-Change-Klausel) entgegenstehen.

Solche Klauseln werden, insbesondere in Konsortialkreditverträgen, vielfach vereinbart und räumen dem/den Kreditgeber(n) ein Kündigungsrecht ein, wenn eine „wesentliche nachteilige Veränderung″ eintritt bzw. einzutreten droht. Einige Banken versuchen, sich schon für den Fall ein Kündigungsrecht auszubedingen, dass bestimmte Umstände eintreten, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu einer wesentlichen nachteiligen Veränderung führen könnten. Dies soll eine möglichst frühzeitige Reaktion auf etwaige negative Entwicklung des Kreditnehmers gestatten. Die COVID-19-Pandemie verdeutlicht die Tragweite einer solchen (weit gefassten) MAC-Klausel: Selbst wenn ein Unternehmen im Vorfeld eines Darlehensabrufes von den Auswirkungen der Pandemie noch weitgehend verschont geblieben ist, könnte sich die Pandemie in der Zukunft noch wesentlich nachteilig u.a. auf die Ertragslage des Unternehmens bzw. der Unternehmensgruppe auswirken und damit eine Ziehung vereiteln.

Unternehmen sollten eine möglichst enge Ausgestaltung der MAC-Klausel anstreben. Das Vorliegen des Kündigungsgrunds kann z.B. vom tatsächlichen Eintritt einer wesentlichen nachteiligen Auswirkung (d.h. ohne Prognoseelemente) abhängig gemacht werden. Weiterhin kann die erforderliche Tragweite der wesentlichen nachteiligen Auswirkung darlehensnehmerfreundlicher gestaltet werden. In Betracht kommt z.B. eine Qualifizierung, in Anlehnung an das außerordentliche Kündigungsrecht gemäß § 490 Abs. 1 BGB, dass die Fähigkeit des Kreditnehmers, die Verpflichtungen des Kreditvertrages zu erfüllen, gefährdet sein muss.

Voraussetzungen für Rollover-Ziehungen sollten möglichst auch in Krisenzeiten eingehalten werden können

Die vorstehende Thematik stellt sich nicht nur im Rahmen neuer Inanspruchnahmen, sondern auch im Zusammenhang mit sogenannten „Rollover-Ziehungen″ revolvierender Kreditlinien.

Der Kreditnehmer zahlt eine in Anspruch genommene revolvierende Kreditlinie zum Ende der vereinbarten Zinsperiode häufig nicht zurück, sondern nimmt die Finanzierung mittels einer Rollover-Ziehung erneut bzw. weiterhin in Anspruch. Letztlich handelt es sich bei einer solchen Ziehung um die „Verlängerungen″ eines bereits in Anspruch genommenen Kredites. Der Kreditvertrag knüpft an eine Rollover-Ziehung daher regelmäßig auch geringere bzw. weniger Anforderungen als an die erstmalige Inanspruchnahme eines Kredites. Um zu gewährleisten, dass die Deckung des laufenden Finanzierungsbedarfs mittels Rollover-Ziehungen gelingt, sollten Unternehmen darauf achten, dass die hierfür vorgesehenen Voraussetzungen auch in Krisenzeiten eingehalten werden können. Je nach Verhandlungsposition des Kreditnehmers und der jeweiligen Marktlage sind hierbei unterschiedliche Regelungen denkbar bzw. verhandelbar.

Zunächst können Rollover-Ziehungen lediglich vom Nichtvorliegen eines Kündigungsgrundes abhängig gemacht werden. Sind Ziehungen dagegen bereits bei Eintritt eines Kündigungstatbestands (z.B. der Verletzung einer vertraglichen Informationspflicht) nicht mehr möglich, liegt es zunächst an dem Kreditnehmer, den Kündigungstatbestand durch fristgemäße Heilung zu beseitigen. Erst dann kann eine neue Rollover-Ziehung erfolgen. Darüber hinaus wird – insbesondere bei bonitätsstarken Kreditnehmern – vielfach vereinbart, dass nur bestimmte Kündigungsgründe einer Rollover-Ziehung entgegenstehen sollen. Dies erlaubt mehr Flexibilität. Abschließend besteht eine Gestaltungsmöglichkeit der Praxis darin, Rollover-Ziehungen nur bei Vorliegen eines Kündigungsgrundes und einem ausdrücklichen Widerspruch des Kreditgebers bzw. der Kreditgebermehrheit zu untersagen.

Backup-Linien sind nützlich, um den Zugang zu Liquidität für Krisenzeiten zu sichern

In Krisenzeiten, insbesondere in der aktuellen Situation, greifen viele Unternehmen auf Backup-Linien zurück oder erwägen dies zumindest:

Um die Ziehungen einer solchen Backup-Linie zu erleichtern, sollte – sofern verhandelbar – auf die Vereinbarung von Finanzkennzahlen verzichtet werden. Dies war vor der COVID-19-Pandemie zumindest für bonitätsstarke Unternehmen möglich. Kreditgeber sind sich jedoch der Funktion und Risiken der Backup-Linie, die als Absicherung für „schlechte Zeiten″ dient, bewusst. Dies drückt sich auch in der Verzinsung aus, welche neben der regulären Verzinsung und Bereitstellungsprovision aus einer zusätzlichen sog. „Inanspruchnahmeprovision″ (utilisation fee) bestehen kann. Diese wird anteilig auf den insgesamt aufgrund der Backup-Linie in Anspruch genommenen Betrag berechnet, wobei der jeweils anwendbare Prozentsatz in Abhängigkeit zur Höhe der Gesamtinanspruchnahme steigt. Ziehungen der Backup-Linie können daher im Einzelfall wesentlich teurer als die Inanspruchnahme eines Konsortialkreditvertrages sein.

In unserer Blogreihe „Finanzierungsthemen in Corona-Zeiten″ betrachten wir die Finanzierung mit all ihren Facetten. Angefangen haben wir mit einem Blick auf die Immobilienfinanzierung. Anschließen haben wir uns mit Kreditverträgen allgemein und der Verlängerungsoption in Konsortialkreditverträgen beschäftigt. Weiter haben wir die Darlehenskündigung und das Gesetz zum Darlehensnehmerschutz unter die Lupe genommen, sowie auf die Herausforderungen für Darlehensgeber aufgezeigt. Auch die KfW-Förderprogramme und den Wirtschaftsstabilisierungsfonds haben wir uns angeschaut.


Aktuelle Informationen zu COVID-19 finden Sie in unserem Corona Center auf unserer Website. Und mit unserem Quick Check Wirtschaftsstabilisierungsfonds können Sie in kürzester Zeit herausfinden, ob Ihr Unternehmen für eine Stabilisierungsmaßnahme des WSF in Betracht kommen könnte. Wenn Sie Fragen zum Umgang mit der aktuellen Lage und zu den Auswirkungen für Ihr Unternehmen haben, sprechen Sie unser CMS Response Team jederzeit gerne an.

Tags: Garantenkonzept Kreditvertrag krisenfest Liquiditätssicherung MAC-Klauseln