Arbeit bei Stromausfall: Die folgenden arbeitsrechtlichen Aspekte sollten Unternehmen bei Blackouts und Brownouts im Blick haben.
Die Energiekrise ist mittlerweile allgegenwärtig in Deutschland und das Risiko von Blackouts und Brownouts ist aktuell in aller Munde. Während die Gasversorgung im Moment stabil ist, befassen sich Experten* mit einem Strommangel und damit einhergehenden Stromausfällen.
In einem Stresstest des deutschen Stromnetzes sind die Übertragungsnetzbetreiber zu dem Ergebnis gekommen, dass zumindest stundenweise Engpässe bei der Stromversorgung in diesem Winter nicht ganz ausgeschlossen werden können. Nicht alle Unternehmen haben Notstromaggregate, die in einer solchen Situation einspringen, weshalb es neben den operativen Auswirkungen wichtig ist, sich mit den arbeitsrechtlichen Konsequenzen und Handlungsmöglichkeiten im Fall eines Stromausfalls zu beschäftigen.
Blackout vs. Brownout
Nicht nur in technischer Hinsicht, sondern auch im Hinblick auf die arbeitsrechtlichen Fragestellungen ist zwischen einem Blackout und Brownout zu unterscheiden.
Ein Blackout ist ein unkontrollierter Zusammenbruch großer Teile des gesamten Stromnetzes, der längere Zeit andauern kann und größere Gebiete sowie viele Menschen gleichzeitig betrifft. Ein solcher Blackout entsteht grds. nicht durch eine Unterversorgung mit Strom im Netz, sondern durch unvorhergesehene Störungen im Netzbetrieb, bspw. durch Naturkatastrophen, Gewitter, heftigen Schneefall oder manipulative Fremdeinwirkung wie Cyberangriffe auf das elektronische Netz.
Dagegen wird eine bewusste, kontrollierte Abschaltung des Stroms für eine bestimmte Zeit, um einer Netzüberlastung vorzubeugen, als Brownout bezeichnet. Anders als bei der Gasversorgung, bei der Speicher zum Einsatz kommen, bestimmt bei der Stromversorgung die aktuelle Nachfrage die erforderliche Menge an Strom im Netz. Ist die Nachfrage höher als der verfügbare Strom, kommt es zu einer Netzüberlastung. Zeichnen sich solche Engpässe ab, würden die Übertragungsnetzbetreiber als Ultima Ratio angeschlossene Kunden und Regionen auf der Grundlage von § 13 EnWG für eine begrenzte Zeit reihum von der Stromversorgung abschalten, um die Auswirkungen auf einzelne Regionen so gering wie möglich zu halten (rollierende Abschaltung). Eine Abschaltreihenfolge i.S. einer Priorisierung der Stromverbraucher oder Gebiete gibt es bislang nicht. Da die wirksame Reduktion des Stromverbrauchs innerhalb der begrenzten Reaktionszeit entscheidend ist, erscheinen auch längere Ankündigungsfristen eher fraglich.
Erweitertes Weisungsrecht des Arbeitgebers bei Blackouts oder Brownouts?
Können Arbeitnehmer bei einem Stromausfall ihre z.B. computergestützte Tätigkeit nicht ausüben, stellt sich die Frage, welche anderen Tätigkeiten ihnen zugewiesen werden können.
Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung können grds. nach billigem Ermessen näher bestimmt werden, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung bzw. eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Bestimmungen festgelegt sind (§ 106 GewO). Je enger Einzelheiten der Beschäftigung im Arbeitsvertrag festgeschrieben sind, desto weniger Spielraum hat der Arbeitgeber zur Ausübung seines Weisungsrechts. Da Arbeitsverträge nicht danach unterscheiden, ob eine Tätigkeit mit oder ohne Strom zu erbringen ist, kann der Arbeitgeber die Ausübung der geschuldeten Tätigkeit auch ohne elektronische Unterstützung verlangen, natürlich nur dort, wo möglich (z.B. handschriftliches Ausfüllen von Formularen, Verkauf von Waren nicht mit Kasse, sondern mit Geldbeutel). Dass solche Arbeiten ineffizienter, beschwerlicher und ggf. auch undankbarer sein können, spielt keine Rolle. Soweit der Arbeitsvertrag eine Versetzungsklausel enthält, könnte auch diese nutzbar gemacht werden, um nicht elektrifizierte Tätigkeiten zuzuweisen.
Eine andere als die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit kann der Arbeitgeber hingegen nur verlangen, wenn es sich um sog. Notarbeiten handelt, um Schäden vom Betrieb abzuwenden. Die Pflicht zur Schadensabwehr ist eine vertragliche Nebenpflicht gem. § 241 Abs. 2 BGB des Arbeitnehmers. In den Grenzen des Möglichen und Zumutbaren muss er in solchen Situationen deshalb auch außerhalb seiner vertraglich geschuldeten Tätigkeit, ggf. sogar außerhalb seines Berufsbildes, für den Arbeitgeber tätig werden. Solche Notfälle liegen insbesondere dann vor, wenn die Existenz des Betriebes gefährdet ist, nicht schon bei jeder Form eines wirtschaftlichen Schadens. Arbeitgeber könnten ihre Arbeitnehmer damit bei Stromausfällen bspw. anweisen, Geschäftsräume abzusichern, weil die Alarmanlage ausfällt oder die Türen offen geblieben sind. Nicht durchsetzbar wäre hingegen, von einem Verwaltungsmitarbeiter den längst zu reinigenden Hof kehren zu lassen.
Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers?
Können Arbeitnehmer während eines Stromausfalls keine (anderweitigen) Tätigkeiten ausführen, drängt sich die Folgefrage auf, ob der Arbeitgeber weiterhin zur Lohnzahlung verpflichtet ist. Der Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“ gilt gem. § 615 S. 1 und S. 3 BGB dann nicht, wenn der Arbeitgeber das Betriebsrisiko zu tragen hat. In Betriebsrisikofällen behalten Arbeitnehmer ihre Ansprüche auf Lohnzahlung, ausgefallene Arbeitszeit muss nicht nachgearbeitet werden.
Wann und in welchen Grenzen sich das Betriebsrisiko des Arbeitgebers realisiert, ist gesetzlich nicht geregelt, sondern wird durch die Rechtsprechung geprägt. Generell liegt in Betriebsrisikofällen eine Leistungsstörung vor, bei der die Arbeitsleistung aus betriebstechnischen Gründen unmöglich wird, die weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu vertreten haben. Hierzu zählen auch Fälle höherer Gewalt wie etwa Naturkatastrophen, Überschwemmungen, Brände, extreme Witterungsverhältnisse oder ein Stromausfall aufgrund einer Störung im Elektrizitätswerk (vgl. BAG, Urteil v. 30. Januar 1991 – 1 AZR 338/90). Bei einem Blackout, d.h. bei einem ungeplanten Stromausfall, der auf derartige Ursachen zurückzuführen ist, verwirklicht sich damit das Betriebsrisiko des Arbeitgebers, sodass Arbeitnehmer ihren Lohnanspruch während der Zeit des Stromausfalls behalten, auch wenn sie nicht arbeiten können.
Im Fall eines Brownouts ist die Rechtslage hingegen unklar. Hierzu wird aktuell die Übertragbarkeit der Entscheidung des BAG zum Entgeltrisiko bei staatlich angeordneten Lockdowns im Rahmen der Corona-Pandemie aus 2021 diskutiert (BAG, Urteil v. 13. Oktober 2021 – 5 AZR 211/21). Das BAG hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem der Arbeitgeber seinen Betrieb aufgrund einer behördlichen Allgemeinverfügung schließen musste, die Arbeitnehmerin deshalb nicht arbeiten konnte und auch keine Vergütung erhielt. Anders als die Vorinstanzen lehnte des BAG einen Vergütungsanspruch für den Zeitraum der angeordneten Betriebsschließung ab, da sich hier kein in dem konkreten Betrieb angelegtes Betriebsrisiko realisiert habe. Die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung sei vielmehr Folge eines hoheitlichen Eingriffs zur Bekämpfung einer die Gesellschaft insgesamt treffenden Gefahrenlage. Hierfür treffe den Arbeitgeber keine Einstands- und Zahlungspflicht.
Es gibt Gründe gegen eine Übertragung dieser BAG-Entscheidung auf den Fall eines Brownouts wie etwa, dass dieser nicht von einer staatlichen Behörde angeordnet wird. Andererseits spricht bspw. für eine Übertragung der BAG-Entscheidung auf Brownout-Szenarien, dass die Energiekrise ebenso wie die Corona-Pandemie die gesamte Gesellschaft betrifft.
Im Ergebnis ist offen, ob die Arbeitsgerichte eine Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers in Fällen bewusster Stromabschaltungen bejahen würden. Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass sie sich nicht mit Gewissheit auf den Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“ berufen können, zumal das BAG Arbeitgeber auch dazu verpflichtet, finanzielle Nachteile für die Belegschaft abzumildern und von zur Verfügung stehenden Instrumenten (insbesondere Kurzarbeit) Gebrauch zu machen.
Möglichkeiten der Vergütungsabsicherung bei Stromausfällen
Bereits während der Corona-Pandemie hat sich Kurzarbeit als wirksames arbeitsrechtliches Mittel zur Krisenbewältigung erwiesen. Am 14. Dezember 2022 verlängerte die Bundesregierung den erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld erneut bis zum 30. Juni 2023, um den Auswirkungen insbesondere der aktuellen Energiekrise auf den Arbeitsmarkt in Deutschland entgegenzuwirken. Da die Einführung von Kurzarbeit für Arbeitgeber nicht einseitig möglich ist, könnte sie als Instrument in einer Betriebsvereinbarung oder in (Ergänzungen zu) Arbeitsverträgen implementiert werden, um im Falle von Stromausfällen handlungsfähig zu sein. Denn abhängig vom jeweiligen Geschäftsbetrieb und operativen Prozessen können auch kurzzeitige Stromausfälle zu längeren Arbeitsausfällen führen, die mit Kurzarbeit überbrückt werden könnten.
Arbeitgeber sind gehalten, vorrangig zur Kurzarbeit und somit auch bei Stromausfällen, Urlaub zu gewähren und Stunden in Arbeitszeitkonten abzubauen. Daran ändert auch der erleichterte Zugang zum Kurzarbeitergeld nichts. Zwar ist es Arbeitgebern (auch) bei Stromausfällen grds. möglich, Urlaub anzuordnen, widerspricht der Arbeitnehmer jedoch und bringt andere konkrete Urlaubswünsche an, muss der Arbeitgeber diesem Wunsch entsprechen, es sei denn, er kann sich auf dringende betriebliche Belange berufen, die dem Alternativwunsch des Arbeitnehmers entgegenstehen. Ob der Stromausfall ein dringender betrieblicher Belang sein kann, ist offen. Bei einem Blackout jedenfalls würde eine solche Argumentation zur Abwälzung des Betriebsrisikos auf den Arbeitnehmer führen. Demgegenüber enthalten arbeitsvertragliche, betriebliche oder tarifliche Vereinbarungen zu Arbeitszeitkonten häufig Bestimmungen zur Anordnung des Abbaus von Plus- bzw. Überstunden, die – je nach Ausgestaltung – bei einem Stromausfall nutzbar gemacht werden könnten.
Bei Stromausfällen im Betrieb kommt Arbeit im Homeoffice in Betracht
Ist lediglich der betriebliche Arbeitsplatz von einem Stromausfall betroffen, nicht jedoch der häusliche Bereich des Arbeitnehmers, kommt eine Anweisung von Homeoffice aus dringenden betrieblichen Gründen in Betracht. Für den Arbeitgeber ist insofern von Relevanz, ob ihm eine Rechtsgrundlage für eine solche Anordnung zur Verfügung steht.
Ein entsprechendes Weisungsrecht könnte sich aus einer Betriebsvereinbarung oder einer individualvertraglichen Regelung zur Anordnungsbefugnis in Krisensituationen ergeben. Ist keine Anordnungsbefugnis des Arbeitgebers vereinbart, kann der Arbeitgeber die Arbeit im Homeoffice grds. nicht einseitig anordnen, weil ansonsten in die durch Art. 13 GG garantierte Verfügungsbefugnis des Arbeitnehmers über seine Wohnung eingegriffen würde. Umstritten ist eine dahingehende Erweiterung des Weisungsrechts in Krisenfällen, von der man zum Teil während der Corona-Pandemie ausging. Empfehlenswert ist daher eine einvernehmliche Vereinbarung einer Anordnungsbefugnis des Arbeitgebers aus dringenden betrieblichen Gründen, die i.S.d. Angemessenheit auch einen Aufwendungsersatz vorsehen sollte.
Auch ohne eine vereinbarte Anordnungsbefugnis sollten sich Arbeitnehmer im Fall von Stromausfällen im Betrieb allerdings überlegen, ob sie sich weigern, von zuhause zu arbeiten. Arbeitgeber könnten erwägen, die Lohnfortzahlung wegen böswillig unterlassenen Verdiensts gem. § 615 S. 2 BGB einzustellen, wenn dem Arbeitnehmer die Tätigkeit außerhalb des Betriebes ohne Weiteres möglich und zumutbar ist.
Bei Stromausfall (nur) beim Arbeitnehmer zuhause ist die Pflicht zur Arbeit im Betrieb zu prüfen
Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer Homeoffice vereinbart und fällt dort der Strom aus, gelten im Grundsatz dieselben Aspekte, wie wenn am Büroarbeitsplatz der Strom ausfällt.
Kann im Betrieb problemlos gearbeitet werden und ist die Störung im Homeoffice von nicht unerheblicher Dauer, darf der Arbeitgeber i.d.R. die Rückkehr in den Betrieb im Wege seines Weisungsrechts anordnen, sofern dies billigem Ermessen entspricht. Sollte der Arbeitnehmer eine rechtmäßige Weisung nicht befolgen, können ihm erhebliche Konsequenzen drohen (Abmahnung, Anrechnung gem. § 615 S. 2 BGB).
Arbeitgeber sollten in diesem Zusammenhang jedoch überprüfen, ob die geltende Homeoffice-(Betriebs-)Vereinbarung eine Regelung enthält, die der Anordnung einer Rückkehr in den Betrieb entgegensteht. Bei der Ausgestaltung von (neuen) Homeoffice-Vereinbarungen sollten Arbeitgeber auf eine Rückholklausel Wert legen.
Praxistipps für Arbeitgeber
Wenngleich zu hoffen bleibt, dass es nicht zu Stromausfällen kommt, sollten Arbeitgeber die verschiedenen Szenarien eines Stromausfalls für den jeweiligen Betrieb durchspielen und die dargestellten individualarbeitsrechtlichen Fragen im Vorfeld klären. Auch eine Verhaltenskommunikation an die Arbeitnehmer erscheint sinnvoll.
In Betrieben mit Betriebsräten sollten diese in Planungen, Notfallpläne und Krisenstäbe einbezogen und auch ihre Mitbestimmungsrechte (z.B. nach § 87 BetrVG) berücksichtigt werden.
In unserer Blogserie zu den Herausforderungen der Energieversorgung sind bereits erschienen: Energiepreispauschale und Energiesparen am Arbeitsplatz, Blackouts und Brownouts, mit Entlastungen und Abschöpfungen raus aus der Energiepreiskrise.
*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.