Das JStG 2022 führt den EU-Energiekrisenbeitrag ein, um „Überschussgewinne“ aus Förderung und Raffination fossiler Energieträger abschöpfen zu können.
Zur Abfederung der gestiegenen Energiepreise hatte die deutsche Bundesregierung bereits am 3. September 2022 vorsorglich ein (nationales) Maßnahmenpaket vorgestellt, das u.a. eine Sondersteuer auf „Zufallsgewinne“ von Energieunternehmen vorsah. Dieser Ansatz wurde wenig später in der Verordnung (EU) 2022/1854 des Rates vom 6. Oktober 2022 über Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise vom 7. Oktober 2022 (ABl. L 261I) aufgegriffen.
In dieser Verordnung hat der Rat der Europäischen Union eine Reihe gezielter, zeitlich begrenzter Notfallmaßnahmen festgelegt, um die Auswirkungen zu hoher Energiepreise EU-weit abzumildern. Zu diesen Maßnahmen gehört neben einer verbindlichen Obergrenze für Markterlöse aus der Stromerzeugung u.a. auch ein „befristeter obligatorischer Solidaritätsbeitrag von im Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebereich tätigen Unternehmen und Betriebsstätten der Union“.
Mit diesem Solidaritätsbeitrag sollen sog. „Überschussgewinne“ der betreffenden Unternehmen abgeschöpft werden, um sicherzustellen, dass die betreffenden Unternehmen, die von den kriegsbedingten Preisentwicklungen besonders profitiert haben, d.h. aufgrund der unerwarteten Umstände solche Überschussgewinne erzielt haben, proportional zur Bewältigung der Energiekrise auf dem Binnenmarkt beitragen.
Umsetzung der EU-Verordnung in Deutschland – Einführung des EU-Energiekrisenbeitragsgesetzes im JStG 2022
Die konkrete Ausgestaltung einer entsprechenden Methodik zur Abschöpfung von Überschussgewinnen hat die EU-Verordnung in Teilen den Mitgliedsstaaten überlassen. Die Umsetzung bzw. Ausgestaltung erfolgte in Deutschland im Rahmen des JStG 2022 vom 16. Dezember 2022 durch Einführung des neuen EU-Energiekrisenbeitragsgesetzes (EU-EnergieKBG, BGBl. I S. 2294, 2325).
Zentrales Element dieses Gesetzes ist der sog. EU-Energiekrisenbeitrag, durch den die entsprechenden Gewinne bestimmter Unternehmen (d.h. solcher, deren Wirtschaftstätigkeit in den Bereichen „Extraktion, Bergbau, Erdölraffination oder Herstellung von Kokereierzeugnissen“ liegt) „abgeschöpft“ werden sollen.
Das Aufkommen aus dem EU-Energiekrisenbeitrag steht nach § 1 EU-EnergieKBG dem Bund zu und ist entsprechend den Vorgaben aus Art. 17 der Verordnung (EU) 2022/1854 zu verwenden. Das heißt, u.a. Endkunden* und Unternehmen in energieintensiven Branchen sollen durch die beitragsgenerierten Einnahmen gezielt unterstützt werden können. Ferner sollen Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs sowie zur Herstellung der Energieautonomie mit dem EU-Energiekrisenbeitrag finanziell unterstützt werden. Schließlich soll der EU-Energiekrisenbeitrag auch für Maßnahmen auf EU-Ebene genutzt werden können, um negative Auswirkungen der Energiekrise, insbesondere auf dem Arbeitsmarkt, zu verringern.
Beitragspflichtige Unternehmen – Schuldner des EU-Energiekrisenbeitrags
Zum EU-Energiekrisenbeitrag wird jedes gewerbliche Unternehmen herangezogen, das
- im Inland betrieben wird, d.h., soweit dafür in Deutschland eine Betriebsstätte unterhalten wird;
- Tätigkeiten im Öl-, Gas-, Kohle- und Raffineriebereich ausübt und
- mind. 75 % seines Umsatzes durch Extraktion, Bergbau, Erdölraffination oder Herstellung von Kokereierzeugnissen erzielt (die Prüfung ist wirtschaftsjahrbezogen vorzunehmen).
Die Beitragspflicht ist rechtsformunabhängig. Dem Grunde nach wären somit auch Einzelunternehmen, Personengesellschaften oder Genossenschaften von dem EU-Energiekrisenbeitrag erfasst. Im Falle einer ertragsteuerlichen Organschaft sind Organträger und Organgesellschaft für Zwecke des EU-Energiekrisenbeitrags separat zu betrachten, d.h., sie können entsprechend eigenständig, mit ihrem jeweiligen Gewinn, dem Beitrag unterliegen.
Die betroffenen Unternehmen sind nicht originär dem Energiesektor zuzuordnen, sondern es handelt sich primär um solche Unternehmen, welche die fossilen Rohstoffe für die Energieerzeugung fördern oder herstellen.
Ausnahmen für kleine Unternehmen bzw. größenabhängige Erleichterungen sind gesetzlich nicht vorgesehen.
Besteuerungszeitraum für EU-Energiekrisenbeitrag
Der EU-Energiekrisenbeitrag soll für die Jahre 2022 und 2023 erhoben werden und entsteht mit Ablauf des jeweiligen Besteuerungszeitraums. Besteuerungszeitraum ist insoweit das erste nach dem 31. Dezember 2021 beginnende volle Wirtschaftsjahr (Besteuerungszeitraum 1) und das darauffolgende volle Wirtschaftsjahr (Besteuerungszeitraum 2).
Bedeutung von Rumpfwirtschaftsjahren
Das Gesetz stellt klar, dass ein volles Wirtschaftsjahr einen Zeitraum von zwölf Monaten umfassen muss. Insoweit ist eventuell die Behandlung von Rumpfwirtschaftsjahren, also Wirtschaftsjahren mit weniger als zwölf Monaten, interessant. Diese können sich insbesondere durch die Umstellung von Wirtschaftsjahren auf einen anderen Abschlussstichtag ergeben.
Ein Wirtschaftsjahr mit weniger als zwölf Monaten sollte somit nicht als Besteuerungszeitraum 1 bzw. 2 in Betracht kommen. Ein etwaiges Rumpfwirtschaftsjahr (z.B. zwischen dem Besteuerungszeitraum 1 und dem Besteuerungszeitraum 2) sollte somit eine entsprechende Veränderung des tatsächlich zu berücksichtigenden Zeitraums zur Folge haben.
Bemessungsgrundlage des EU-Energiekrisenbeitrags und Modifikationen
Bemessungsgrundlage des EU-Energiekrisenbeitrags ist die positive Differenz zwischen dem steuerlichen Gewinn, ermittelt nach einkommensteuerlichen bzw. körperschaftsteuerlichen Vorschriften, in Besteuerungszeitraum 1 bzw. 2 und dem 1,2-Fachen des Durchschnitts des steuerlichen Gewinns der zwölf Monate umfassenden Wirtschaftsjahre nach dem 31. Dezember 2017 bis zum Beginn des Besteuerungszeitraums 1 (Vergleichszeitraum).
Ist der Durchschnitt der steuerlichen Gewinne der Jahre 2018 bis 2021 negativ, ist dieser für die Bemessungsgrundlage des EU-Energiekrisenbeitrags mit null anzusetzen. Entsprechendes gilt für Unternehmen, deren Gewinn nach dem 31. Dezember 2021 erstmals (wie bei Neugründung) der Einkommen- oder der Körperschaftsteuer unterliegt.
Besonderheiten bei der Betrachtung des relevanten steuerlichen Gewinns gelten außerdem in folgenden Fällen:
- Gewinnanteile einer ausländischen Betriebsstätte oder ein Hinzurechnungsbetrag i.S.d. § 10 Abs. 2 Außensteuergesetz (AStG) werden aus der Bemessungsgrundlage gekürzt, wenn auf diese Gewinnanteile bereits eine gleichwertige nationale Maßnahme entsprechend der EU-Verordnung vom 6. Oktober 2022 (2022/1854) erhoben wurde,
- Außerdem mindern sich die für die Bemessungsgrundlage maßgebenden Gewinne um Gewinnanteile an einer in- oder ausländischen OHG, KG oder anderen Gesellschaft, deren Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, wenn diese Gesellschaften selbst als Unternehmen i.S.d. EU-EnergieKBG die Tatbestandsvoraussetzungen für den Energiekrisenbeitrag erfüllen.
Korrektur der Bemessungsgrundlage bei Umwandlungsfällen
Die Bemessungsgrundlage wird ferner um vom Steuerpflichtigen nachzuweisende Auswirkungen auf die Bemessungsgrundlage infolge einer Umwandlung korrigiert. Da eine solche Korrektur nur auf Nachweis des Steuerpflichtigen erfolgen soll, wird es hier um Fälle gehen, wonach der Durchschnittsgewinn des Steuerpflichtigen im Vergleichszeitraum infolge einer Umwandlung verringert oder der Gewinn im Besteuerungszeitraum 1 bzw. 2 erhöht war.
Umgekehrt soll die Besteuerung in solchen Umwandlungsfällen, infolge derer (1) Unternehmen aus dem Anwendungsspielraum des Gesetzes herausfallen oder infolge derer (2) die Bemessungsgrundlagen des übertragenden und übernehmenden Rechtsträgers zusammen niedriger sind als ohne die Umwandlung, so vorgenommen werden, als wären die Umwandlungen nicht erfolgt. Fraglich und nicht geklärt ist der zeitliche Anwendungsbereich dieser Regelung.
Einmaleffekte, die nicht auf Umwandlungen basieren, sind nicht Gegenstand des Gesetzes und dürften auf dessen Anwendung mithin keine Auswirkung haben.
Berechnungsbeispiele zum Energiekrisenbeitrag
Grob vereinfachtes Beispiel zur Berechnung der Bemessungsgrundlage und des EU-Energiekrisenbeitrags:
Die „Erdöl AG“, deren Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr entspricht, erzielt mehr als 75 % ihrer Umsätze durch Extraktion, Bergbau, Erdölraffination oder Herstellung von Kokereierzeugnissen.
Sie erzielte durchschnittlich von 2018 bis 2021 einen jährlichen Gewinn von EUR 100. 2022 betrug ihr jährlicher Gewinn EUR 150 und 2023 EUR 170.
Berechnung für 2022:
Gewinn 2022 von EUR 150 ./. 1,2-Faches* des durchschnittlichen Gewinns von EUR 100
= Bemessungsgrundlage: EUR 30
- Steuer: EUR 30*33 % = EUR 9,90.
Berechnung für 2023:
Gewinn 2023 von EUR 170 ./. 1,2-Faches* des durchschnittlichen Gewinns von EUR 100
= Bemessungsgrundlage: EUR 50
- Steuer: EUR 50*33 % = EUR 16,50.
Keine Abzugsfähigkeit des EU-Energiekrisenbeitrags als Betriebsausgabe
Der EU-Energiekrisenbeitrag ist als sonstige Personensteuer i.S.d. § 10 Nr. 2 KStG bzw. § 12 Nr. 3 EStG ausgestaltet und als solche im Rahmen der Ertragsteuern nicht abzugsfähig. Hierdurch wird die wirtschaftliche Belastung durch den EU-Energiekrisenbeitrag für die betroffenen Unternehmen erheblich verschärft.
Steuersatz, Verfahren und Fälligkeit
Der EU-Energiekrisenbeitrag beläuft sich auf 33 % der Bemessungsgrundlage und entspricht damit dem nach der Verordnung (EU) 2022/1854 vorgesehenen Mindestsatz.
Die Zuständigkeit für die Verwaltung des EU-Energiekrisenbeitrags im Rahmen der Abgabenordnung (AO) ist dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) übertragen worden. Es ist davon auszugehen, dass unter „Verwaltung“ die Festsetzung und die Erhebung des EU-Energiekrisenbeitrags zu verstehen sind.
Im Rahmen der für die Abgabe der Einkommen- und Körperschaftsteuererklärung (bzw. der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen) für den jeweiligen Besteuerungszeitraum geltenden Fristen ist eine Steueranmeldung nach § 150 Abs. 1 S. 3 AO seitens des Steuerpflichtigen abzugeben, in welcher der EU-Energiekrisenbeitrag selbst zu berechnen ist.
Am zehnten Tag nach der Abgabe der Anmeldung ist der EU-Energiekrisenbeitrag fällig und zu entrichten. Im Falle einer höheren Festsetzung durch die zuständige Behörde (abweichend von der Steueranmeldung) ist der Unterschiedsbetrag einen Monat nach der Bekanntgabe des Steuerbescheids fällig und zu entrichten.
Da mithin die Frist zur Abgabe der Anmeldung des EU-Energiekrisenbeitrags an die Abgabe der Einkommen- und Körperschaftsteuererklärung knüpft und die Fälligkeit sich nach dieser Abgabe der Anmeldung des EU-Energiekrisenbeitrags richtet, kann der Steuerpflichtige somit durch Hinzuziehung eines Steuerberaters die Fälligkeit des EU-Energiekrisenbeitrags zeitlich nach hinten verlagern.
Betroffene Unternehmen sollten insbesondere die Compliance sicherstellen
Infolge des neuen Gesetzes dürfte es aus Sicht der in Betracht kommenden Unternehmen im ersten Schritt darum gehen, in einer Bestandsaufnahme das Bestehen einer etwaigen Beitragspflicht festzustellen. Hierzu wird eine genaue Prüfung der maßgeblichen Umsätze erforderlich sein.
In Zweifelsfällen ist eine Abstimmung mit dem BZSt angeraten. Ferner wird es geboten sein, die erforderlichen Compliance-Prozesse gezielt aufzusetzen und auch möglicherweise bestehendes Gestaltungspotential bzw. Handlungsalternativen zu erkunden.
Bezüglich der Feststellung der Beitragspflicht und der Ermittlung der voraussichtlichen wirtschaftlichen Belastung wird in vielen Fällen Eile geboten sein, da eine Beitragspflicht offensichtlich auch bilanziell durch entsprechende Rückstellungen abzubilden wäre.
In unserer Blogserie zu den Herausforderungen der Energieversorgung sind bereits erschienen: Energiepreispauschale und Energiesparen am Arbeitsplatz, Blackouts und Brownouts sowie Mit Entlastungen und Abschöpfungen raus aus der Energiepreiskrise. Zuletzt eingegangen sind wir auf das Dividendenverbot gem. StromPBG und EWPBG.
*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.