1. Juli 2021
Unternehmensvertrag international
Konzernrecht

Unternehmensverträge im internationalen Kontext

Unternehmensverträge sind wesentlicher Baustein eines Konzerns, stoßen im internationalen Kontext jedoch an ihre Grenzen.

Unternehmensverträge spielen in der konzernrechtlichen Beratung seit jeher eine bedeutsame Rolle. Dabei dominieren die in § 291 Abs. 1 AktG genannten Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge (häufig auch in Kombination, sog. BGAV) die Praxis, während der Anwendungsbereich von Gewinngemeinschaften, Teilgewinnabführungs-, Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträgen eher auf besondere Fallkonstellationen wie beispielsweise stille Beteiligungen begrenzt ist.

Rolle der Unternehmensverträge in der gesellschaftsrechtlichen Beratung

Das Recht der Unternehmensverträge ist im Aktiengesetz geregelt. Trotz der Regelung im Aktiengesetz können nicht nur Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften Partei eines Unternehmensvertrags sein. 

Für die nach dem Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag berechtigte Obergesellschaft ergibt sich dies bereits aus § 291 AktG. Doch auch die nach dem Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag verpflichtete Untergesellschaft muss entgegen dem Wortlaut des § 291 AktG nicht zwingend eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft sein. Untergesellschaft können auch andere Kapitalgesellschaften, insbesondere eine GmbH sowie Personengesellschaften, sein. Stets zu prüfen ist jedoch, ob und wie die aktienrechtlichen Vorschriften der §§ 293ff. AktG auf diese anderen Rechtsformen anzuwenden sind.

Unternehmensverträge sind eines der wesentlichen Mittel zur Bildung eines Konzerns. Der Abschluss eines Unternehmensvertrags führt dazu, dass die Unternehmen als verbundene Unternehmen gelten. Handelt es sich bei dem Unternehmensvertrag um einen Beherrschungsvertrag, wird vermutet, dass die Parteien des Vertrags unter einheitlicher Leitung zusammengefasst sind mit der Folge, dass sie einen (Vertrags-)Konzern bilden.

Maßgeblicher gesellschaftsrechtlicher Zweck eines Beherrschungsvertrags ist, dass die herrschende Obergesellschaft berechtigt ist, dem Vorstand der beherrschten Untergesellschaft Weisungen zu erteilen. Handelt es sich bei der Untergesellschaft um eine Aktiengesellschaft, sind ohne Beherrschungsvertrag (oder ohne Eingliederung) solche Weisungen wegen der eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand nicht möglich. 

Wesentliches Element eines Gewinnabführungsvertrags ist dagegen nicht die Vermittlung von Leitungsmacht über ein anderes Unternehmen, sondern die Konzentrierung der im Konzern erzielten Gewinne in der Obergesellschaft. Die Untergesellschaft ist zur Abführung ihres Bilanzgewinnes, den sie ohne den Gewinnabführungsvertrag erzielen würde, verpflichtet und sie verstößt auch nicht gegen das sonst geltende Verbot der Einlagenrückgewähr, wenn sie diese Verpflichtung erfüllt. 

Da das Weisungsrecht aus einem Beherrschungsvertrag auch Weisungen erlaubt, die für die Untergesellschaft nachteilig sind, ist es mit einem Schädigungspotential für die Untergesellschaft selbst und deren außenstehende Gesellschafter verbunden. Das gleiche gilt wegen des Abflusses finanzieller Mittel auch für den Gewinnabführungsvertrag. Das Aktiengesetz sieht daher mit der Verlustausgleichspflicht, der Verpflichtung zur Ausgleichszahlung und der Abfindungspflicht verschiedene Schutzmechanismen vor.

Steuerliche Auswirkungen von Unternehmensverträgen

Sowohl Beherrschungs- als auch Gewinnabführungsverträge werden, neben den vorstehenden gesellschaftsrechtlichen Gründen, häufig vor allem zum Zwecke der Begründung von Organschaften abgeschlossen. Dabei ist allerdings zwischen den Wirkungen des Beherrschungs- und denen des Gewinnabführungsvertrages zu differenzieren.

So wird der Gewinnabführungsvertrag eingesetzt, um eine Organschaft in ertragsteuerlicher Hinsicht, also betreffend die Körperschaft- und die Gewerbesteuer, zu begründen. Dafür muss der Gewinnabführungsvertrag zwischen einer AG, KGaA oder sonstigen Form der Kapitalgesellschaft als Abführungsverpflichteter (Organgesellschaft) und einer – die Mehrheit der Stimmrechte haltenden – natürlichen Person, nicht von der Körperschaftsteuer befreiten Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse oder einer originär gewerblich tätigen Personengesellschaft als Organträgerin abgeschlossen werden. Aufgrund des Gesetzes zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG), infolgedessen zukünftig eine Personenhandelsgesellschaft zu einer Besteuerung wie eine Kapitalgesellschaft optieren kann, sollten auch derartig optierende Personenhandelsgesellschaften als taugliche Organgesellschaft gelten.

Der Vertrag muss außerdem eine Geltungsdauer von mindestens fünf Jahre haben und während dieser gesamten Geltungsdauer durchgeführt werden. Die ertragsteuerliche Organschaft bewirkt dann eine Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft beim Organträger.

Demgegenüber kann der Beherrschungsvertrag zur Begründung einer Organschaft im Bereich der Umsatzsteuer eingesetzt werden. Während für die ertragsteuerliche Organschaft die Mehrheit der Stimmrechte (finanzielle Eingliederung) und der Abschluss eines ordnungsgemäßen Gewinnabführungsvertrages grundsätzlich ausreichend sind, müssen für die umsatzsteuerliche Organschaft drei Kriterien erfüllt werden.

So muss die Organgesellschaft ebenfalls finanziell in das Unternehmen der Organträgerin eingegliedert sein. Es muss aber zusätzlich auch eine wirtschaftliche und organisatorische Verflechtung vorliegen. Für die wirtschaftliche Eingliederung genügt ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Verflechtung zwischen den Unternehmen.

Die organisatorische Eingliederung liegt vor, wenn der Organträger durch organisatorische Maßnahmen Sorge dafür getragen hat, dass in der Organgesellschaft sein Wille tatsächlich durchgeführt wird. Dies wird häufig durch personenidentische Geschäftsführungen sichergestellt. Wenn dies aber nicht gewünscht ist, genügt der Abschluss des Beherrschungsvertrages, um die organisatorische Eingliederung zu erfüllen.

Organgesellschaft und Organträgerin werden bei Vorliegen aller Kriterien als ein umsatzsteuerliches Unternehmen behandelt.

Internationaler Kontext von Unternehmensverträgen

Die Wirkung einer Organschaft ist sowohl ertrag- als auch umsatzsteuerlich auf das Inland beschränkt, auch wenn insbesondere auf EU-Ebene seit vielen Jahren erweiterte Ansätze diskutiert werden.

Umsatzsteuerlich bedeutet dies, dass eine ausländische Gesellschaft zwar Organträgerin sein kann, das umsatzsteuerliche Unternehmen jedoch nur die inländischen Organgesellschaften sowie alle inländischen Betriebsstätten des Organträgers und seiner in- und ausländischen Organgesellschaften umfasst.

Beispiel: Die in den Niederlanden ansässige Organträgerin A hat im Inland die Organgesellschaften B und C sowie die Betriebsstätte D. In Frankreich hat A eine weitere Organgesellschaft F. B, C und D bilden das Unternehmen aus umsatzsteuerlicher Sicht in Deutschland.

Ertragsteuerlich kann eine Gesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland nicht Organträgerin sein, sie vermittelt auch keine Organschaft für etwaige in Deutschland ansässige Tochtergesellschaften, es sei denn, sie hat eine Betriebsstätte im Inland begründet.

Dagegen kann eine Gesellschaft mit Geschäftsleitung in Deutschland und Sitz in der EU/dem EWR durchaus Organgesellschaft sein. In diesem Kontext stellt sich dann die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen grenzüberschreitende Unternehmensverträge zulässig sind. Geht man mit der herrschenden Meinung in Deutschland von der grundsätzlichen Zulässigkeit grenzüberschreitender Verträge – jedenfalls in der EU und im EWR-Raum – aus, ist zu klären, nach welchen Anknüpfungspunkten sich das auf den Unternehmensvertrag anwendbare Recht bestimmt. Eine Rechtswahl ist bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen nicht zulässig, da diese Verträge gesellschaftsrechtlichen Charakter haben. Nach der herrschenden Meinung in Deutschland untersteht der Unternehmensvertrag dem Recht der Untergesellschaft, soweit es dem Schutz der Untergesellschaft, deren Minderheitsbeteiligten oder Gläubigern dient. 

Bei einer deutschen Untergesellschaft finden somit die §§ 293ff. AktG Anwendung, soweit es sich um Schutzvorschriften zugunsten der Untergesellschaft handelt. Speziell § 293 Abs. 2 AktG, der dem Schutz der Gesellschafter der Obergesellschaft dient, findet daher keine Anwendung; die Erforderlichkeit der Zustimmung der Gesellschafter der Obergesellschaft kann sich jedoch aus dem auf die Obergesellschaft anwendbaren ausländischen Recht ergeben.

Sofern eine deutsche Gesellschaft Partei eines grenzüberschreitenden Unternehmensvertrags ist, richten sich die Zulässigkeit, Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Unternehmensvertrags grundsätzlich nach ausländischem Recht. Problematisch sind in diesem Zusammenhang Fallkonstellationen, in denen die maßgebliche ausländische Rechtsordnung der Untergesellschaft keine Unternehmensverträge kennt und die ausländische Rechtsordnung deshalb auch keine besonderen Vorschriften zum Schutz der Untergesellschaft und deren Gläubiger sowie Gesellschafter vorsieht.

In einer Verfügung der OFD Karlsruhe (OFD Karlsruhe v. 16. Januar 2014 – S 2770/52/2-St 221) heißt zum Thema des grenzüberschreitenden Gewinnabführungsvertrages:

Aufgabe doppelter Inlandsbezug → aber u. U. kein grenzüberschreitender GAV möglich, wenn OG = ausländ. Tochtergesellschaft, die keinen Sitz im Inland hat.

Die Eintragung des GAV ist eine Frage des ausländischen Gesellschaftsrechts. Eine Eintragung in das Handelsregister des (inländ.) OT ist nicht ausreichend. Bloße schuldrechtliche Verträge (außerhalb des GAV nach § 291 AktG) werden nicht anerkannt.

Kollisionsrechtlich richtet sich das anzuwendende Konzernrecht also auch nach Auffassung der deutschen Steuerbehörden nach dem Sitz der Untergesellschaft, womit § 291 AktG keine Anwendung findet. Kennt das ausländische Konzernrecht darüber hinaus keinen Gewinnabführungsvertrag, erscheint wegen der ablehnenden Haltung der Finanzverwaltung zu schuldrechtlichen Verträgen das Problem „unlösbar″.

Anders lässt sich das unter Umständen aber für den Fall einer GmbH als Organgesellschaft sehen, da § 17 Abs. 1 Satz 1 KStG nicht ausdrücklich auf § 291 AktG verweist. Dies wäre auch insofern sinnvoll, als ansonsten die Ermöglichung der Begründung einer Organschaft mit einer Gesellschaft mit Sitz im Ausland durch die kleine Organschaftsreform im Jahr 2013 vom Anwendungsbereich her ins Leere laufen würde.

Die grundsätzliche Zulässigkeit grenzüberschreitender Unternehmensverträge ist zu bejahen. Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht sind jedoch insbesondere die Fälle schwierig, in denen die Untergesellschaft einer ausländischen Rechtsordnung unterliegt. Die Sinnhaftigkeit von grenzüberschreitenden Unternehmensverträgen, die regelmäßig (auch) steuerliche Zwecke erfüllen sollen, ist aufgrund der Unklarheiten bei der Anerkennung einer „grenzüberschreitenden Organschaft″ jedoch häufig zweifelhaft. Bei einer diesbezüglichen Strukturierung sollten Alternativen daher nicht außer Acht gelassen werden.

In unserem Blog informieren wir Sie mit Beiträgen über das „Konzernrecht aus der Praxis″, angefangen mit einem Überblick. Weiter geht es mit den Matrixstrukturen zur Konzernleitung, den Compliance-Strukturen im internationalen Konzern, der nachhaltigen Unternehmensführung und der Organhaftung im internationalen Konzern sowie den Mitteilungspflichten. Zuletzt sind wir eingegangen auf unternehmerische Mitbestimmung im Konzern und grenzüberschreitende Umwandlungen.

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