9. Oktober 2023
Schiedsfähigkeit Beschlussmängel Personengesellschaft
Modernisierung des Personengesellschaftsrechts

Schiedsfähigkeit in Personengesellschaften: Was ändert sich mit dem MoPeG?

Mit Inkrafttreten des MoPeG gelten in Personenhandelsgesellschaften künftig besondere Anforderungen, was die Wirksamkeit von Schiedsklauseln für Beschlussmängelstreitigkeiten betrifft.

Durch das MoPeG wird die Beilegung von Streitigkeiten über Gesellschafterbeschlüsse in Personenhandelsgesellschaften grundlegend neu geordnet. Die Neuerungen im Beschlussmängelrecht haben wir in unserer Blogreihe bereits vorgestellt. Im Wesentlichen ändert sich Folgendes:

  • In Personengesellschaften sind nach geltendem Recht, sofern im Gesellschaftsvertrag nichts anderes geregelt ist, Gesellschafterbeschlüsse, die gegen formelles oder materielles Recht verstoßen, automatisch nichtig, ohne dass es der Beschlussanfechtung bedarf. Es kann mit der allgemeinen Feststellungsklage (§ 256 BGB) auf Feststellung der Nichtigkeit geklagt werden und diese Klage ist gegen die Mitgesellschafter zu richten (sog. Feststellungsmodell). 
  • Das MoPeG, das zum 1. Januar 2024 in Kraft tritt, führt in den §§ 110 ff. HGB für Personenhandelsgesellschaften das sog. Anfechtungsmodell ein, das bereits für Kapitalgesellschaften gilt. Gemeint ist damit, dass Gesellschafterbeschlüsse wegen eines Rechtsverstoßes nur in Ausnahmefällen nichtig und in allen anderen Fällen vorläufig verbindlich sind, sofern sie nicht binnen einer bestimmten Anfechtungsfrist von einem Gesellschafter angefochten werden. Die Anfechtungsklage wird gegen die Gesellschaft gerichtet, eine Nichtigerklärung durch das Gericht wirkt für und gegen alle Gesellschafter. 

Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten in Personengesellschaften nach geltendem Recht

Nach dem geltenden Recht ist die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten in Personengesellschaften nicht weiter problematisch: Es bedarf lediglich einer Schiedsvereinbarung, die entweder direkt im Gesellschaftsvertrag oder – sofern sich unter den Gesellschaftern auch Verbraucher befinden – in einem separaten Schiedsvertrag enthalten sein kann. Besondere Anforderungen an die Wirksamkeit von Schiedsklauseln, die auch Beschlussmängelstreitigkeiten umfassen sollen, gibt es für Personengesellschaften nach geltendem Recht nicht.

Anders ist die Situation bei Kapitalgesellschaften: Hier gelten nach der Rechtsprechung des BGH bestimmte Mindestanforderungen, die Schiedsvereinbarungen über Beschlussmängelstreitigkeiten erfüllen müssen. Da sich Beschlussanfechtungsklagen bei Kapitalgesellschaften gegen die Gesellschaft (und nicht gegen alle Mitgesellschafter) richten, aber eine Nichtigerklärung des Beschlusses durch das Gericht für und gegen alle Gesellschafter wirkt, dienen die Mindestanforderungen dazu, die Verfahrensrechte der Mitgesellschafter im Schiedsverfahren zu sichern. So müssen sie der Schiedsvereinbarung zustimmen, über die Einleitung des Schiedsverfahrens informiert werden und die Möglichkeit erhalten, an der Auswahl der Schiedsrichter mitzuwirken und dem Schiedsverfahren als Nebenintervenient beizutreten. Schließlich muss auch sichergestellt werden, dass alle Klagen über denselben Streitgegenstand vor einem Schiedsgericht konzentriert werden.

Diese Mindestanforderungen des BGH gelten bisher nur für Kapitalgesellschaften. Zwar hatte der BGH in seiner sog. Schiedsfähigkeit III-Entscheidung (Beschluss v. 6. April 2017 – I ZB 23/16) die zuvor erwähnten Mindestanforderungen jedenfalls im Grundsatz auch auf Personengesellschaften übertragen wollen. Diese Entscheidung wurde jedoch in der Literatur erheblich kritisiert und schließlich vom BGH in seiner Schiedsfähigkeit IV-Entscheidung (Beschluss v. 23. September 2021 – I ZB 13/21) revidiert. Demnach sind die Mindestanforderungen des BGH bei Personengesellschaften aktuell nur dann zu beachten, wenn im Gesellschaftsvertrag – abweichend vom gesetzlichen Normalfall – das Anfechtungsmodell vereinbart wurde.

Neue Anforderungen an die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen in Personenhandelsgesellschaften nach Inkrafttreten des MoPeG

Dies wird sich für Personenhandelsgesellschaften nun durch die Neuregelung des Beschlussmängelrechts im MoPeG ändern. Künftig wird es der Regelfall sein, dass auch in Personenhandelsgesellschaften Beschlussmängelklagen gegen die Gesellschaft geführt werden. Daher gelten ab dem 1. Januar 2024 für Personenhandelsgesellschaften auch die vom BGH entwickelten Mindestanforderungen an die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen, die auch Beschlussmängelstreitigkeiten erfassen sollen.

Was bedeutet das künftig für die Formulierung von Gesellschaftsverträgen in Personenhandelsgesellschaften? Wenn in Gesellschaftsverträgen eine Schiedsvereinbarung aufgenommen werden soll, die auch für Beschlussmängelstreitigkeiten gelten soll, muss sichergestellt sein, dass die vom BGH für unentbehrlich erklärten Verfahrensrechte der Mitgesellschafter auch im Schiedsverfahren gewährleistet werden. Am einfachsten lassen sich die Mindestanforderungen des BGH erfüllen, indem die von der DIS formulierte Musterklausel für Gesellschaftsverträge verwendet und die sog. Ergänzenden Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten (ERGeS) der DIS einbezogen werden. 

Auch nach Inkrafttreten des MoPeG kann durch einen Opt-out im Gesellschaftsvertrag das Anfechtungsmodell der §§ 110 ff. HGB n.F. abgewählt und das Feststellungsmodell vereinbart werden. In diesem Fall müssen die Mindestanforderungen des BGH weiterhin nicht erfüllt werden. 

Gleiches gilt für nicht kaufmännische Personengesellschaften, die vom geänderten Beschlussmängelrecht des MoPeG nicht betroffen sind.

Und was passiert mit den zahlreichen Altfällen, in denen die Gesellschaftsverträge lange vor Verabschiedung des MoPeG formuliert wurde? Die meisten bestehenden Gesellschaftsverträge dürften die Rechtsentwicklung vom Feststellungs- zum Anfechtungsmodell nicht vorhergesehen haben. Entsprechend dürften Schiedsklauseln, soweit vorhanden, in den allermeisten Fällen die Mitwirkungsrechte der Mitgesellschafter nicht ausdrücklich regeln und auch nicht ausdrücklich auf die DIS-ERGeS verweisen. Gesetzliche Übergangsfristen gibt es nicht.

Erfüllt eine Schiedsklausel nicht die Mindestanforderungen des BGH, so ist sie jedenfalls für Beschlussmängelstreitigkeiten unwirksam. Ob sie für sonstige Streitigkeiten aufrechtzuerhalten ist, ist eine Frage der Auslegung. Dem BGH zufolge ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Vertragsparteien im Falle einer Teilnichtigkeit nicht vollständig von der Schiedsklausel Abstand nehmen wollten und die Schiedsklausel somit für sonstige Streitigkeiten aufrechtzuerhalten ist (BGH, Beschluss v. 23. September 2021 – I ZB 13/21Schiedsfähigkeit IV). 

Was geschieht mit Schiedsklauseln in Gesellschaftsverträgen von Personenhandelsgesellschaften, die allgemein auf die DIS-Schiedsordnung verweisen, aber die DIS-ERGeS nicht ausdrücklich erwähnen? Die DIS-ERGeS sind schließlich Teil der DIS-Schiedsordnung, sodass sich argumentieren lässt, dass sie auch durch einen einfachen Verweis auf die DIS-Schiedsordnung wirksame einbezogen werden. In diesem Sinne hat das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) entschieden, dass ein einfacher Verweis auf die DIS-Schiedsordnung genügen kann, um die Mindestanforderungen des BGH zu erfüllen (BayObLG, Beschluss v. 10. Oktober 2022 – 101 SchH 46/22). Allerdings ging es dort um eine GmbH-Satzung und das BayObLG hob maßgeblich darauf ab, dass die Mindestanforderungen des BGH für Kapitalgesellschaften bei Erstellung der Schiedsklausel in der GmbH-Satzung bereits bekannt waren. Das dürfte bei den meisten Gesellschaftsverträgen von Personenhandelsgesellschaften anders sein. Es ist damit zweifelhaft, ob sich diese Entscheidung auf Personenhandelsgesellschaften übertragen lässt und ein einfacher Verweis auf die DIS-Schiedsordnung in Gesellschaftsverträgen von Personenhandelsgesellschaften genügt, um die Mindestanforderungen des BGH zu erfüllen.

Damit sollten die Schiedsklauseln in Gesellschaftsverträgen von Personenhandelsgesellschaften angepasst werden, damit sie auch künftig für Beschlussmängelstreitigkeiten wirksam sind. Die Anpassung einer Schiedsklausel bedarf stets der Zustimmung aller Gesellschafter. Jedenfalls soweit die alte Schiedsklausel nach dem Willen der Gesellschafter auch schon Beschlussmängelstreitigkeiten umfassen sollte, dürften die Gesellschafter aus Treu und Glauben verpflichtet sein, der Anpassung der unwirksamen Schiedsklausel zuzustimmen.

Neues Beschlussmängelrecht nach dem MoPeG: Anpassungsbedarf für bestehende Schiedsklauseln

Damit bleibt festzuhalten: Durch das bevorstehende Inkrafttreten des MoPeG ergibt sich akuter Handlungsbedarf, was die Anpassung von Schiedsvereinbarungen in bestehenden Gesellschaftsverträgen von Personenhandelsgesellschaften betrifft. Die Anpassung sollte idealerweise zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem sich der nächste Gesellschafterkonflikt noch nicht abzeichnet. Denn kommt es zur Beschlussanfechtung, ohne dass die Schiedsklausel an die Mindestanforderungen des BGH angepasst wurde, sind langwierige Streitigkeiten über die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung und das richtige Forum vorprogrammiert.

Insgesamt ist die Einführung des Anfechtungsmodells für Beschlussmängelstreitigkeiten auch aus prozessualer Sicht zu begrüßen: Statt alle Mitgesellschafter verklagen zu müssen, richten sich Anfechtungsklagen künftig nur gegen die Gesellschaft; die Mitgesellschafter entscheiden selbst, ob sie sich am Verfahren beteiligen. Die Vorzüge der Schiedsgerichtsbarkeit – Vertraulichkeit, kürzere Verfahrensdauer, Benennung eigener Schiedsrichter – machen Schiedsgerichte auch für Gesellschafterkonflikte in Personenhandelsgesellschaften zu einem attraktiven Forum. 

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