Streitigkeiten über Gesellschafterbeschlüsse werden durch das MoPeG neu geregelt. Wir erläutern die wichtigsten Neuerungen rund um das Beschlussmängelrecht.
Treten Konflikte unter den Gesellschaftern auf, rückt schnell die Beschlussfassung in den Fokus. Gesellschafterbeschlüsse zu konkreten Geschäftsführungsmaßnahmen, über die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern oder sogar den Ausschluss von Gesellschaftern aus der Gesellschaft sind Gegenstand zahlloser Gerichtsprozesse.
In materiell-rechtlicher Hinsicht sind in einer Personengesellschaft regelmäßig die gleichen Fragen zu beantworten wie in einer GmbH: Verstößt die angegriffene Geschäftsführungsmaßnahme gegen gesellschaftliche Treuepflichten? Ist der Verbleib eines Geschäftsführers im Amt den Gesellschaftern noch zuzumuten? Muss ein Gesellschafter die Gesellschaft verlassen, um konkreten Schaden für die Gesellschaft abzuwenden?
Bisherige Rechtslage bei Beschlussmängeln: Große Unterschiede zwischen Kapital- und Personengesellschaften
In prozessualer Hinsicht unterscheiden sich dagegen nach bisherigem Recht die Beschlussmängelstreitigkeiten in Personengesellschaften erheblich von denjenigen in einer Kapitalgesellschaft.
- Für die Aktiengesellschaft regeln die §§ 241 ff. AktG, dass Beschlüsse der Hauptversammlung nur in Ausnahmefällen wegen eines Rechtsverstoßes nichtig sind. In allen anderen Fällen muss ein Aktionär, wenn er die Beschlussfassung für rechtswidrig erachtet, innerhalb von einem Monat eine Anfechtungsklage gegen die Gesellschaft mit dem Ziel erheben, dass das Gericht den Beschluss für nichtig erklärt. Bis zur rechtskräftigen Nichtigkeitserklärung durch das Gericht ist der Beschluss für die Aktiengesellschaft und ihre Aktionäre vorläufig verbindlich.
- Die Rechtsprechung hat schon sehr früh entschieden, dass das aktienrechtliche Beschlussmängelrecht auch auf die GmbH entsprechend anzuwenden ist. Allerdings hat sie den GmbH-Gesellschaftern etwas mehr Gestaltungsfreiheit eingeräumt. So konnte etwa die Anfechtungsfrist von einem Monat durch entsprechende Satzungsregelungen verlängert werden. An der grundsätzlichen Konzeption lässt sich jedoch nicht rütteln.
- Ganz anders dagegen das Recht der Personengesellschaften. Hier ist die Unterscheidung zwischen nichtigen und anfechtbaren Gesellschafterbeschlüssen bislang nicht bekannt. Sofern ein Gesellschafterbeschluss gegen formelles oder materielles Recht verstößt, ist er automatisch nichtig. Die Nichtigkeit des Beschlusses ist mit der einfachen Feststellungsklage nach § 256 ZPO geltend zu machen. Eine Anfechtungsklage kennt das Personengesellschaftsrecht nicht.
Hieraus folgt: Anders als bei den Kapitalgesellschaften sind Gesellschafterbeschlüsse einer Personengesellschaft, die gegen geltendes Recht oder Satzungsvorgaben verstoßen, nicht vorläufig verbindlich, sondern automatisch nichtig. Eine Frist, innerhalb derer die Nichtigkeit geltend gemacht werden muss, gibt es im Personengesellschaftsrecht bislang nicht. Die Beschlussmängelklage in der Personengesellschaft ist auch nicht, wie im Kapitalgesellschaftsrecht, gegen die Gesellschaft, sondern gegen die Mitgesellschafter zu richten.
Viel Kritik am bisherigen Beschlussmängelrecht und absurde Ergebnisse
Die unterschiedliche Behandlung von Beschlussmängelstreitigkeiten in Kapitalgesellschaften einerseits und Personengesellschaften andererseits ist in der rechtswissenschaftlichen Literatur schon lange auf Kritik gestoßen. Führende Rechtswissenschaftler haben schon in den 1980er-Jahren gefordert, das aktienrechtliche Beschlussmängelrecht auch auf die Personengesellschaft zu übertragen.
Der BGH hat sich gegen diese Übertragung jedoch stets verwehrt. Dies führte insbesondere in der GmbH & Co. KG zu abstrusen Ergebnissen: Während Beschlüsse auf Ebene der Kommanditgesellschaft im Falle eines Rechtsverstoßes unmittelbar nichtig sind – was mit der Feststellungsklage nach § 256 ZPO geltend gemacht werden kann –, müssen sie auf Ebene der Komplementär-GmbH innerhalb der aktienrechtlichen Monatsfrist mit einer Anfechtungsklage analog §§ 243 ff. AktG angegriffen werden.
Es bedarf einer klugen Satzungs- und Vertragsgestaltung, um die Geltendmachung von Beschlussmängeln in der Kommanditgesellschaft und der Komplementär-GmbH aneinander anzupassen.
Das MoPeG schafft ein neues Beschlussmängelrecht für Personenhandelsgesellschaften
Mit dem MoPeG schafft der Gesetzgeber nun endlich Abhilfe. In den §§ 110 ff. HGB n.F. führt er ein neues Regelungswerk für Beschlussmängelstreitigkeiten in Personenhandelsgesellschaften ein. Das neue Beschlussmängelrecht orientiert sich am Aktienrecht, ohne es jedoch einfach zu kopieren. Künftig wird auch bei Personenhandelsgesellschaften zwischen nichtigen und anfechtbaren Gesellschafterbeschlüssen unterschieden.
Anders als das Aktienrecht enthält § 110 Abs. 1 HGB n.F. jedoch keine abschließende Aufzählung der Nichtigkeitsgründe. Vielmehr soll ein Gesellschafterbeschluss nach dem neuen § 110 Abs. 1 Nr. 1 HGB nichtig sein, wenn er
gegen Rechtsvorschriften verstößt, auf deren Einhaltung die Gesellschafter nicht verzichten können.
Hiermit sind also sämtliche Rechte eines Gesellschafters gemeint, die auch im Gesellschaftsvertrag nicht abbedungen werden dürfen, wie etwa das Informationsrecht oder das Teilnahmerecht an Gesellschafterversammlungen. Verstöße gegen die gesellschafterliche Treuepflicht oder den Gleichbehandlungsgrundsatz dürften dagegen nicht die Nichtigkeit eines Beschlusses nach sich ziehen, sondern lediglich zur Anfechtbarkeit führen.
Soweit der Beschluss dagegen „nur“ gegen gesellschaftsvertragliche Vorgaben oder solches Gesetzesrecht verstößt, das durch vertragliche Vorgaben abbedungen oder ausgestaltet werden kann, ist er bei entsprechender Beschlussfeststellung (hierzu sogleich) vorläufig verbindlich für alle Gesellschafter. Wenn ein Gesellschafter den Vertrags- oder Gesetzesverstoß geltend machen möchte, muss er innerhalb von drei Monaten eine Anfechtungsklage bei dem zuständigen Landgericht erheben. Andernfalls wird der Beschluss trotz des Vertrags- oder Rechtsverstoßes bindend und kann nicht mehr beseitigt werden.
Zur Klage ist gemäß § 111 Abs. 1 HGB n.F jeder Gesellschafter befugt, der oder dessen Rechtsvorgänger im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Gesellschaft angehört hat. Die Anfechtungsklage ist gegen die Gesellschaft zu richten (§ 113 Abs. 2 Satz 1 HGB), die durch ihre geschäftsführenden Gesellschafter vertreten wird. Die geschäftsführenden Gesellschafter haben jedoch die übrigen Gesellschafter über die Klageerhebung zu informieren, damit diese dem Rechtsstreit beitreten können, so § 113 Abs. 3 HGB n.F. Ein klagestattgebendes Urteil wirkt nach § 113 Abs. 6 HGB n.F für und gegen alle Gesellschafter.
Damit wird das Beschlussmängelrecht in Personenhandelsgesellschaften in wesentlichen Punkten dem geltenden Recht in Kapitalgesellschaften angepasst. Ein nicht unerheblicher Unterschied besteht jedoch bei der Anfechtungsfrist, die im Kapitalgesellschaftsrecht nur einen Monat, bei den Personenhandelsgesellschaften dagegen künftig drei Monate beträgt, gemäß § 112 Abs. 1 Satz 1 HGB n.F. Zudem kann die Anfechtungsfrist nach dem neuen § 112 Abs. 3 HGB gehemmt sein, wenn zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft Verhandlungen über den Gegenstand des Beschlusses oder die ihm zugrundeliegenden Umstände geführt werden. Eine vergleichbare Hemmung kennt das Recht der Kapitalgesellschaften nicht. Bei einer GmbH & Co. KG kann es daher weiterhin zum Auseinanderfallen von Anfechtungsfristen auf Ebene der Komplementär-GmbH und der Kommanditgesellschaft kommen. Für die praktische Gestaltung empfiehlt es sich, die Anfechtungsfristen in den Gesellschaftsverträgen aneinander anzupassen und die – ohnehin mit zahlreichen Rechtsunsicherheiten verbundene – Hemmungsregelung des § 112 Abs. 3 HGB n.F. abzubedingen.
Die Beschlussfeststellung als Voraussetzung für die bloße Anfechtbarkeit eines Beschlusses
Gemeinsam ist dem neuen Beschlussmängelrecht für Personenhandelsgesellschaften sowie dem bereits gültigen Recht für Kapitalgesellschaften, dass das Anfechtungsregime nur zur Anwendung kommt, wenn der streitige Beschluss von einem Versammlungsleiter festgestellt wurde. Fehlt es an der Feststellung, so ist ein rechtswidriger Beschluss nichtig und wird nicht, auch nicht vorläufig, verbindlich für die Gesellschafter. Diese Situation kommt insbesondere häufig in Gesellschaften mit paritätischen Beteiligungsverhältnissen vor. Hier können sich die zerstrittenen Gesellschafter häufig noch nicht einmal auf einen Versammlungsleiter einigen. In diesen Fällen muss der Gesellschafter, der auf dem Standpunkt steht, er habe einen Gesellschafterbeschluss allein fassen können, weil sein Mitgesellschafter vom Stimmrecht ausgeschlossen oder dies zur Stimmabgabe treuwidrig gewesen sei, die Wirksamkeit des Beschlusses durch ein Gericht feststellen lassen. Der andere Gesellschafter hat seinerseits die Möglichkeit, auf Feststellung zu klagen, dass der Beschluss nicht gefasst worden ist. Die Klagen sind nicht fristgebunden.
Soweit dagegen ein Versammlungsleiter für die Gesellschafterversammlung einer GmbH gewählt wurde, ist in Literatur und Rechtsprechung bislang umstritten, unter welchen Umständen ihm auch eine Feststellungskompetenz zukommt. Während eine Mindermeinung – die allerdings auch schon von vereinzelten Oberlandesgerichten vertreten wurde – annimmt, dass die Feststellungskompetenz nur gegeben ist, wenn die Satzung dies ausdrücklich festschreibt oder sich alle Gesellschafter darauf verständigt haben, geht die wohl überwiegende Ansicht davon aus, dass einem Versammlungsleiter stets auch die Kompetenz zur Feststellung von Gesellschafterbeschlüssen zukommt. Bedauerlicherweise hat der Gesetzgeber es versäumt, diesen Streit mit dem MoPeG durch eine entsprechende Klarstellung aus der Welt zu schaffen, so dass er sich nunmehr im Personengesellschaftsrecht fortsetzen dürfte.
In der Praxis wird man schon aus Vorsichtsgründen die Klage gegen einen Gesellschafterbeschluss stets innerhalb der Anfechtungsfrist erheben, um eine Verfristung der Klage sicher ausschließen zu können.
Neues Beschlussmängelrecht nach dem MoPeG: Rechtssicherheit und notwendige Flexibilität
Insgesamt ist das neue Beschlussmängelrecht aber gut gelungen. Es schafft Rechtssicherheit und ermöglicht eine für alle Gesellschafter verbindliche Klärung der Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen. Gleichzeitig bringt es die notwendige Flexibilität mit sich, die Personengesellschaften auszeichnet.
Auch wenn das neue Recht erst zum 1. Januar 2024 in Kraft treten wird, sollte doch in der Praxis erwogen werden, es schon jetzt durch entsprechende Verweisung in den Gesellschaftsverträgen einer Personenhandelsgesellschaft zur Geltung zu bringen.
Die Öffnung der Personenhandelsgesellschaften für Freiberufler und weitere Themen werden wir in unserer Blogreihe zum „MoPeG″ erörtern. Gestartet sind wir mit einer Übersicht zum Regierungsentwurf zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts, den Änderungen im Recht der GbR sowie dem Gesellschaftsregister. Weiter ging es mit einem Beitrag zum Auslandssitz der GmbH & Co. KG, zur Actio pro Socio sowie den Auswirkungen auf die Immobilienbranche. Zuletzt haben wir einen Blick auf die Gesetzesentstehung und auf allgemeine Änderungen im Recht der OHG/KG sowie Künftige Regelung zur Willensbildung in der Einheits-GmbH & Co. KG geworfen.