Wie Arbeitgeber gegen Arbeitskampfmaßnahmen vorgehen können und was für einstweilige Verfügungen gegen angekündigte Streiks zu beachten ist – ein Überblick.
Zuletzt stehen Arbeitskampfmaßnahmen der Gewerkschaften wieder mehr im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Das überrascht nicht, da die Auswirkungen von Streiks etwa im Personennah- und -fernverkehr eine breite Masse der Gesellschaft (be-)treffen.
In diesem Artikel unserer Blog-Serie „Praxishinweise zum Arbeitskampf“ befassen wir uns mit der Frage, wie Arbeitgeber* gegen Arbeitskampfmaßnahmen, insbesondere gegen Streiks, vorgehen können und was dabei besonders zu beachten ist.
Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Arbeitskampfmaßnahmen
Ob eine Arbeitskampfmaßnahme durchgeführt werden darf, hängt maßgeblich davon ab, ob sie in der konkreten Form rechtmäßig ist.
Ist ein Streik etwa rechtswidrig, weil trotz bestehender Friedenspflicht gestreikt wird, kann der Arbeitgeber die Rechtswidrigkeit des Streiks gerichtlich feststellen lassen. Dabei können auch Schadensersatzforderungen des Arbeitgebers direkt mit verfolgt werden. Allerdings ist aufgrund der Dauer eines solchen Gerichtsverfahrens mit einer Feststellung der (Un-)Rechtmäßigkeit eines Streiks erst weit nach dessen Beendigung zu rechnen.
Einstweilige Verfügung zur Verhinderung eines Streiks – keine Vorwegnahme der Hauptsache
Will ein Arbeitgeber einen angekündigten Streik gerichtlich verhindern, ist dies praktisch nur im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes denkbar. Hierfür wird bei Gericht der Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Diese Art des Eilrechtsschutzes dient dazu, in einem beschleunigten Verfahren die Rechte des Anspruchstellers vorläufig zu sichern, weil der Abschluss eines Hauptsacheverfahrens nicht abgewartet werden kann. Wichtig ist dabei, dass es im einstweiligen Rechtschutz nur um die Sicherung von Rechten geht – nicht um die abschließende Entscheidung in der Sache.
Entsprechend sind einstweilige Verfügungen gegen Arbeitskampfmaßnahmen rechtlich besonders heikel, da diese verfassungsrechtlich in Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG) besonders geschützt sind. Dieser besondere Schutz steht im Widerspruch zu der im einstweiligen Verfügungsverfahren zur Verfahrensbeschleunigung vom Gericht vorgenommenen bloßen sog. summarischen (quasi vereinfachten) Prüfung.
Dem im vorläufigen Rechtsschutz geltenden Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache kommt in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung zu: Danach dürfen in dieser im Verhältnis zum Hauptsacheverfahren verkürzten Verfahrensart grundsätzlich keine endgültigen Entscheidungen getroffen und keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden. Ein auch nur vorläufiges Verbot eines Streiks kann jedoch auf den Erfolg und die Wirkung der Arbeitskampfmaßnahme sehr weitreichende Folgen haben. Nicht selten kommt die (einstweilige) gerichtliche Untersagung eines Streiks der Herstellung eines endgültigen Zustands schon sehr nahe, da die Organisation von Streikmaßnahmen aufwendig ist und vor allem die situationsabhängige Verhandlungsposition durch die Einschränkung der Arbeitskampfmaßnahme stark beeinflusst werden kann. Denn nach einem untersagten Streik können sich die Begleitumstände des Arbeitskampfs in wirtschaftlicher oder sozialer Hinsicht ganz anders darstellen. An die gerichtliche Untersagung eines Streiks werden daher allgemein sehr hohe Anforderungen gestellt (vgl. etwa LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 14. August 2012 – 22 SaGa 1131/12) – formelle wie auch inhaltliche.
Auch einstweilige Verfügungen bei Arbeitskampfmaßnahmen benötigen eine Eilbedürftigkeit
Sachlich zuständig für den Erlass von einstweiligen Verfügungen gegen Arbeitskampfmaßnahmen sind die Arbeitsgerichte. Für die Frage, welches Gericht örtlich zuständig ist, orientiert man sich an dem Ort der sog. unerlaubten Handlung; angerufen werden kann also das (jedes) Arbeitsgericht, in dessen Gerichtsbezirk die Arbeitskampfmaßnahme stattfinden soll.
Je nach Fallgestaltung können auch mehrere Arbeitsgerichte örtlich zuständig sein, etwa wenn das Personal eines Verkehrsunternehmens überregional streiken will. In dem Fall kann sich der Arbeitgeber das anzurufende Arbeitsgericht aussuchen. Möglich ist dann das sog. forum shopping, also die Auswahl des angerufenen Gerichts auf Grundlage taktischer Erwägungen (z.B. bisherigen Erfahrungen mit bestimmten Gerichten).
Einstweilige Verfügungen setzen ein hinreichendes Eilbedürfnis voraus. Es ist daher nicht empfehlenswert, bei einem vermeintlich ungünstigen Verfahrensverlauf den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bei dem zuerst angerufenen Arbeitsgericht zurückzunehmen und bei einem anderen Gericht erneut zu stellen in der Hoffnung, dass das zweite Gericht vorteilhafter entscheiden wird. In diesem Fall kann nämlich das Eilbedürfnis entfallen (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 24. Oktober 2007 – 7 SaGa 2044/07, Rn. 42). Teilweise wird ein solches Vorgehen gar als rechtsmissbräuchlich angesehen (ArbG Nürnberg, Beschluss v. 16. November 2007 – 13 Ca 5293/07).
Antragsgegner im vorläufigen Rechtsschutz gegen Arbeitskampfmaßnahmen ist regelmäßig die Gewerkschaft. Antragssteller ist zumeist der unmittelbar betroffene Arbeitgeber. Auch ein Arbeitgeberverband kann den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragen, wenn rechtswidrige Arbeitskampfmaßnahmen gegen eines (oder mehrere) seiner Mitglieder drohen.
In bestimmten Ausnahmefällen können sogar nicht unmittelbar betroffene „Dritte“ ein Unterlassen der Arbeitskampfmaßnahmen beim Arbeitsgericht beantragen. Allerdings fehlt es in solchen Fällen häufig an einer objektiven Stoßrichtung gegen den Dritten als Voraussetzung für den Erfolg eines einstweiligen Verfügungsantrags (vgl. ArbG Wesel, Urteil v. 23. August 2013 – 6 Ga 22/13).
Verfügungs- / Unterlassungsanspruch – inhaltliche Anforderungen
Rechtlich erfordert der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung notwendige sog. Verfügungsanspruch eine Störung eines eigenen Rechtsguts – bei Arbeitskampfmaßnahmen also regelmäßig des Eigentums oder des sog. Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Arbeitgebers. Denkbar ist ein Anspruch auf Unterlassung einer Arbeitskampfmaßnahme zudem aus einem bestehenden tarifrechtlichen Rechtsverhältnis der beteiligten Parteien und der damit einhergehenden Schutzpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB – nämlich der Friedenspflicht.
In dem einstweiligen Verfügungsverfahren muss der Arbeitgeber die Rechtswidrigkeit der Arbeitskampfmaßnahme darlegen und beweisen, und das Gericht muss sie daraufhin positiv feststellen. Dafür stellt das Gericht eine Güter- und Interessenabwägung auf Grundlage der Umstände des Einzelfalls an.
Maßstab der Beurteilung der Rechtswidrigkeit
Ein wesentlicher Knackpunkt bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Arbeitskampfmaßnahme ist der für die Prüfung anzusetzende Maßstab. Diesen bestimmen die Gerichte leider nicht einheitlich: Während manche Gerichte für eine Untersagung im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens bereits einfache Rechtswidrigkeit ausreichen lassen (u.a. LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 14. August 2012 – 22 SaGa 1131/12; LAG Hamm, Urteil v. 31. Mai 2000 – 18 Sa 858/00), meinen andere, dass ein Streik hierfür offensichtlich rechtswidrig sein muss, um so den Besonderheiten des Eilverfahrens – wie der summarischen Prüfung und der damit verbundenen geringeren Richtigkeitsgewähr – gerecht zu werden (z.B. LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 3. August 2016 – 4 SaGa 2/16, Rn. 41 ff.; LAG Sachsen, Urteil v. 2. November 2007 – 7 SaGa 19/07; ArbG Köln, Urteil vom 6. Juni 2023 – 17 Ga 27/23 n.rk.).
Nach der letztgenannten – strengeren – Sichtweise scheidet eine Unterlassungsverfügung bereits aus, wenn die Rechtswidrigkeit einer Arbeitskampfmaßnahme von einer höchstrichterlich noch nicht geklärten Rechtsfrage abhängt (vgl. LAG Hessen, Urteil vom 6. November 2019 – 16 SaGa 1304/19; ArbG Köln, Urteil vom 6. Juni 2023 – 17 Ga 27/23 n.rk.; offen gelassen von BVerfG, Beschl. v. 7. April 2020 – 1 BvR 2674/15) – mit anderen Worten: wenn der Grund für die Rechtswidrigkeit so noch nicht vom Bundesarbeitsgericht entschieden wurde, wird die einstweilige Verfügung abgelehnt.
Verhältnismäßigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen
Praktisch sehr bedeutsam bei der gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Arbeitskampfmaßnahme ist deren Verhältnismäßigkeit. Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung werden die kollidierenden Rechtspositionen der Arbeitgeber- und der Gewerkschaftsseite gegeneinander abgewogen; das eingesetzte Arbeitskampfmittel muss zur Erreichung eines rechtmäßigen Kampfziels geeignet und erforderlich und bezogen auf das Kampfziel angemessen (proportional bzw. verhältnismäßig im engeren Sinn) eingesetzt sein (BAG, Urteil v. 19. Juni 2007 – 1 AZR 396/06).
Daher kann eine Arbeitskampfmaßnahme unverhältnismäßig sein, weil durch sie Rechtspositionen Dritter in so erheblichem Maße beeinträchtigt werden, dass die Maßnahmen unangemessen erscheinen.
Lediglich „einfache“ wirtschaftliche Betroffenheit des Arbeitgebers durch die Streikmaßnahme reicht nicht aus, da sie gerade in der Natur der Sache liegt. Hätte der Arbeitgeber keinerlei wirtschaftliche Einbußen, wäre der Streik kaum als Druckmittel anzusehen. Allerdings hat auch dies eine Grenze: Die gezielte Existenzvernichtung des Arbeitgebers geht zu weit und ist nicht zulässig.
Für Streiks im Bereich der Daseinsvorsorge müssen Not- und Erhaltungsdienste eingerichtet werden
Besonderheiten ergeben sich bei Arbeitskampfmaßnahmen im Bereich der Daseinsvorsorge, also etwa bei der Krankenversorgung, der Versorgung mit Strom und Wasser oder der Abfallentsorgung. Auch in diesem Bereich sind Streiks nicht per se ausgeschlossen – das wäre mit der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG nicht zu vereinbaren. An die Verhältnismäßigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen werden bei der Daseinsvorsorge aber noch strengere Anforderungen gestellt.
Die wichtigste Besonderheit ist, dass für Streiks im Bereich der Daseinsvorsorge Notdienste zu vereinbaren sind. Können die Tarifparteien sich im Rahmen des Arbeitskampfs nicht auf eine Notdienstvereinbarung einigen, kann der Notdienst auch durch das Gericht im Wege einer einstweiligen Verfügung festgelegt werden (vgl. etwa LAG Hamm, Urteil v. 13. Juli 2015 – 12 SaGa 21/15).
Auch außerhalb der Daseinsvorsorge können bestimmte Dienste für die Dauer eines Streiks notwendig sein, z.B. in Form von Erhaltungsarbeiten. Das ist etwa dann der Fall, wenn Betriebsmittel (z.B. Hochöfen) in einem bestimmten Zustand gehalten werden müssen, damit nach Abschluss der Arbeitskampfmaßnahme der Betrieb wieder aufgenommen werden kann.
Arbeitgeber können hierfür beim Arbeitsgericht den Erlass einer sog. Zwischenverfügung beantragen. Das ist vor allem dann möglich, wenn eine ernsthafte Gefährdung von Gemeinwohlbelangen im Raum steht. Die Zwischenverfügung kann etwa darauf gerichtet sein, Streikhandlungen bis zur mündlichen Verhandlung zu unterlassen. Alternativ kann damit unmittelbar die Einrichtung von Notdiensten begehrt werden.
Die Art der Abwehr drohender Arbeitskampfmaßnahmen sollte vom Arbeitgeber gut durchdacht werden
Arbeitgeber sind bei drohenden Arbeitskampfmaßnahmen gut beraten, schnell zu handeln. Geprüft werden sollte insbesondere, ob die Einrichtung von Not- oder Erhaltungsdiensten erforderlich ist.
Sicherzustellen ist, dass die notwendigen Dienste und Aufgaben auch während eines Streiks durch sog. Streikbrecher weiter verfolgt und erbracht werden. Denkbar sind auch sog. Streikbruch-Prämien, um die vorhandene Belegschaft (oder wesentliche Teile davon) von der Geltendmachung Ihres Streikrechts abzuhalten.
Nach unserem Überblick über das Thema Arbeitskampf und einem Beitrag zu den Anforderungen auf Gewerkschaftsseite sowie den Folgen für die Vergütungs- und Beschäftigungspflicht und den Vorbereitungen auf und dem Verhalten beim Arbeitskampf ist dies der fünfte Beitrag unserer Blogreihe.
Ergänzend hierzu weisen wir Sie gerne auf unseren Podcast zu diesem Thema hin, den Sie hier finden.
* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.