Der Bundesrat stimmte über so viele Gesetzesvorhaben wie nie zuvor ab. Darunter auch: Regelungen zur Stärkung der Teilhabe von Frauen in Führungspositionen.
Nach der Auswertung der Wirksamkeit von Selbstverpflichtungen und zum Teil heftiger politischer Auseinandersetzung kommt sie nun doch: Die Frauenquote für den Vorstand beerbt für börsennotierte und mitbestimmte Unternehmen deren Verpflichtung, sich selbst Ziele bezüglich des Frauenanteils im Vorstand zu setzen und bei Zielverfehlung lediglich das Nicht-Erreichen zu begründen (Comply-or-Explain). Softlaw – der deutschen Rechtsordnung ohnehin eher fremd – weicht dem klassischen Regelungsregime aus verbindlichen Regelungen mit Sanktionsandrohung.
Aber: Warum waren die Erfolge der freiwilligen Selbstverpflichtungen geringer als erhofft? Tendiert der Gesetzgeber zu mehr Regulierung und was heißt das zukünftig für Unternehmen in der Praxis?
Die Frauenquote ist der größte Beitrag zur Gleichberechtigung seit Einführung des Frauenwahlrechts.
Mit diesen Worten kommentierte Bundesjustizminister a. D. Heiko Maas das erste Führungspositionengesetz im Jahr 2015. Dieses sah für die Privatwirtschaft zwei Säulen vor:
- Eine zwingende Geschlechterquote von 30 % für den Aufsichtsrat von insgesamt 108 börsennotierten undparitätisch mitbestimmten Unternehmen („Geschlechterquote“ oder „Fixquote“).
- Die weit überwiegende Anzahl an (mitbestimmten oder börsennotierten, ca. 3500) verpflichteten Unternehmen musste hingegen Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsrat, Vorstand und Geschäftsführung und den beiden Führungsebenen darunter festzulegen.
Wurden die selbst gesetzten Ziele binnen gewisser Fristen nicht erreicht, hatten die Unternehmen dies zu begründen („Zielgröße“ oder „Flexiquote“). Prämisse war, die Unternehmen würden sich aus Angst vor negativen Reaktionen auf dem (Kapital-)markt ehrgeizige Ziele setzen und diese zielstrebig verfolgen.
„Null Verständnis für Zielgröße Null“: Freiwillige Selbstverplichtungen wirken weniger stark als erhofft
Die unterschiedlichen Effekte der fixen Geschlechterquote und der Selbstverpflichtungen in Form von Zielgrößen lassen sich anhand von Zahlen belegen. Die Einführung der Geschlechterquote für den Aufsichtsrat führte zu einer Erhöhung des Frauenanteils auf rund 35 % im Jahr 2020. Die Zahl der weiblichen Vorstandsmitglieder in den 160 Unternehmen des DAX, MDAX und SDAX ist zwar gestiegen. Sie liegt aber laut der Albright Stiftung immer noch bei nur ca. 13 % und ist seit Beginn der Coronakrise sogar rückläufig.
Nicht nur ein Problem großer Traditionsunternehmen: Der Frauenanteil bei den zehn Ex-Start-ups, die in den vergangenen 15 Jahren gegründet wurden und inzwischen in einem der Indizes der DAX-Familie vertreten sind, liegt den Angaben der Stiftung zufolge aufgrund von homosozialer Reproduktion und unconscious (investor) bias bei nur 5%. Ganze drei Viertel aller Unternehmen, die zur Festlegung von Zielgrößen verpflichtet sind, haben sich sogar auf Vorstandsebene keine oder Null als Zielgröße gesetzt. Angela Merkel kommentierte hierzu schon im Jahr 2016, sie habe für die Zielgröße Null, „Null Verständnis“.
Die Sorge vor Reputationsschäden schaffte nicht die gewünschten Anreize
Das gesetzgeberische Vertrauen darauf, Unternehmen würden sich aus Sorge vor wirtschaftlichen Folgekosten ehrgeizige Ziele setzen und diese beharrlich verfolgen, ist somit enttäuscht worden. Woran könnte das liegen?
Die überwiegende Anzahl betroffener Unternehmen – gerade die nicht börsennotierten – steht nicht derart im Licht der Öffentlichkeit, dass eine wenig ambitionierte Zielsetzung den Stakeholdern stets bekannt würde. Zwar ist in den letzten Jahren ein deutlicher Trend hin zu nachhaltigen Investments (Environment, Social, Governance (ESG)) und unternehmenswertsteigender Diversity erkennbar, allerdings sind die Auswirkungen auf die gleichberechtigte Teilhabe ausbaufähig. Unmittelbare Auswirkungen auf einen Anstieg der Frauenquote in Unternehmensvorständen sind bislang ganz augenscheinlich ausgeblieben.
Konsequenz durch FüPoG II: Erstmaliges Mindestbeteiligungsgebot von Frauen für Vorstandsgremien weniger Unternehmen, Nachschärfung der Zielgrößenvorgaben für oberste Führungsebenen vieler Unternehmen
Vollzieht sich aufgrund dieser Erfahrungen – wie auch beim zeitgleich gebilligten Lieferkettengesetz und anderen ESG/CSR-Themen zu beobachten – eine Abkehr von freiwilligen Verpflichtungen hin zu mehr Regulierung? In Bezug auf die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in größeren Vorstandsgremien ist dies dahin gehend zu bejahen, dass ein mit mindestens vier Mitgliedern besetzter Vorstand eines börsennotierten und zugleich paritätisch mitbestimmten Unternehmens künftig ab einer Neubesetzung mit mindestens einer Frau und einem Mann besetzt sein muss (Mindestbeteiligungsgebot). Hiervon sollen 66 Unternehmen, von denen 24 aktuell keine Frau im Vorstand haben, betroffen sein.
Für Unternehmen, die nicht der starren Geschlechterquote für den Aufsichtsrat und dem neuen Mindestbeteiligungsgebot für den Vorstand unterliegen, wird der Umgehung der Zielgröße Null auf den obersten Führungsebenen vorgebeugt: Künftig unzulässig ist es, den angestrebten Frauenanteil an der jeweiligen Führungsebene in Form einer Prozentangabe größer als Null festzulegen, die gleichwohl dazu führt, dass keine Frau als Führungskraft berücksichtigt werden muss (etwa eine Zielgröße von fünf Prozent Frauenanteil bei einer zehnköpfigen Führungsebene).
Als Zielgröße des angestrebten Frauenanteils in Aufsichtsrat und Vorstand kann weiterhin die Zielgröße Null festgelegt werden. In diesem Fall muss der Aufsichtsrat diese Entscheidung aber in Zukunft klar und verständlich begründen. Wird die Begründung unterlassen oder setzen sie sich erst gar keine Ziele, drohen empfindliche Bußgelder. Damit sind Verstöße gegen die Berichtspflichten über Zielgrößen, Fristen und Begründungen als Ordnungswidrigkeit verfolgbar.
Feste Geschlechterquote für Unternehmen des Bundes
Für Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes und in Körperschaften des öffentlichen Rechts gilt – unabhängig von Börsennotierung oder Mitbestimmung – bereits bei mehr als zwei Mitgliedern im Geschäftsführungsorgan das Mindestbeteiligungsgebot von einer Frau und einem Mann. Daneben findet die Geschlechterquote für den Aufsichtsrat Anwendung. Zudem ist eine Öffnungsklausel für die Ausweitung der Mindestbeteiligungsquote und der Geschlechterquote auf Unternehmen mit Mehrbeteiligung eines Bundeslandes vorgesehen. Durch diese Regelung unterstreicht der Bund seine Vorreiterrolle bei der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern.
Zuguterletzt werden Vorstandsmitglieder künftig ein temporäres Recht auf Widerruf ihrer Bestellung (mit gleichzeitiger Zusicherung der Wiederbestellung) wegen anstehendem Mutterschutz, Elternzeit und Auszeiten zur Pflege von Angehörigen in Anspruch nehmen können. Hierdurch soll zur besseren Vereinbarkeit auch von Spitzenpositionen und Familie beigetragen werden.
Ob die nun verabschiedeten Regelungen ausreichen werden, um den ambitionierten Zielen des Gesetzgebers hin zu gleichberechtigter Teilhabe zu genügen, wird sich zeigen. Jedenfalls hat der „zahnlose Tiger“ auf diesem Wege ein paar Zähne implantiert bekommen.
In unserer Serie „Social and Human Rights″ sind wir eingegangen auf das Arbeitsschutzkontrollgesetz und den entsprechenden Gesetzesentwurf sowie auf die Schutzvorschriften in der Fleischwirtschaft. Ebenfalls eingegangen sind wir auf Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette und diesbezügliche Regelungen im Ausland wie der Schweiz. Gleichermaßen ein Thema waren (Psychischen) Belastungen am Arbeitsplatz oder das Lieferkettengesetz.