28. Oktober 2021
HR Nachhaltigkeit Sustainability
Social and Human Rights (ESG) Arbeitsrecht

HR statt PR – Nachhaltigkeit als Kernaufgabe des Personalmanagements?

Wie erreichen Unternehmen professionelle Nachhaltigkeit und welche Rolle spielt die HR? Der erste Blogbeitrag zu diesem Thema schafft einen Überblick.

Das Thema Nachhaltigkeit wird in allen erdenklichen Lebensbereichen immer wichtiger. So ist es heute auch aus der Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken. Nachhaltigkeit hat sich zu einem Leitmotiv entwickelt, dessen Bedeutung stetig weiterwachsen wird. Unternehmen werden verstärkt in die Pflicht genommen, ihren Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit in der Gesellschaft beizutragen. Schon heute drohen ihnen heftige Verbraucherreaktionen, gefolgt von erheblichen Umsatzeinbußen und Reputationsverlust, wenn Nachhaltigkeitsstandards missachtet werden oder Greenwashing entlarvt wird. 

Investoren und Geschäftspartner wollen verstärkt handfestes Engagement für Nachhaltigkeit nachgewiesen bekommen. Der Gesetzgeber verrechtlicht Nachhaltigkeit zusehends und schafft neue Haftungsfallen. Gründe genug, um die Unternehmenskultur und die Einstellungspolitik professionell nachhaltig zu gestalten.

Soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit im Unternehmen

Der Trend zum „grün werden“ ist in aller Munde, aber was bedeutet „grün“? Nachhaltigkeit im Unternehmen bezeichnet grundsätzlich Verantwortungsübernahme für die Auswirkungen des eigenen Wirtschaftens auf die Gesellschaft und dahingehende Handlungen. Soziale, ökologische und ökonomische Aspekte, wie sie in international anerkannten Referenzdokumenten zur Unternehmensverantwortung definiert sind, sind hiervon gleichermaßen umfasst. 

Für diese Verantwortungsübernahme sind verschiedene Schlagworte im Raum. Sie setzen jeweils einen speziellen Fokus. Oft fällt der Begriff Corporate Social Responsibility (CSR). Er bezieht sich auf die unternehmensinterne Aufstellung in Sachen Nachhaltigkeit. Nicht weniger häufig wird von ESG (Environment, Social and Governance) gesprochen. Insbesondere aus der Kapitalmarktperspektive, wenn es um die Lenkung von Investitionsströmen in nachhaltiges Business geht. Gemeinsam ist all diesen Schlagwörtern, dass an ihnen Ober- und Unterthemen hängen, die in anerkannten Referenzdokumenten wie den ISO 26000, der GRI oder dem SASB ausgebreitet sind. Und dass es um mehr als Umweltschutz geht. 

Professionelles nachhaltiges Wirtschaften umfasst im Wesentlichen vier Themenbereiche:

  • Arbeitsbeziehungen, 
  • Geschäftsethik, 
  • Einkauf sowie 
  • Umwelt.

An ihnen hängen dutzende Unterthemen, wie beispielsweise Anti-Korruptionsmaßnahmen, faire Geschäftspraktiken, Diversity, Lohngleichheit, Anti-Diskriminierung, wettbewerbswidrige Praktiken, Lieferantenaudits, Emissionsmanagement und sehr viele mehr. In eine Strategie und in die Unternehmenskultur gepackt und zusammen umgesetzt, entsteht aus all diesen Themen professionelles nachhaltiges Wirtschaften. Grün mischt sich aus verschiedenen Farben! 

Wie grün ein Unternehmen sein wird, hängt allein von der Unternehmensstrategie ab: Wird Nachhaltigkeit nur zur Einhaltung rechtlicher Vorgaben verwirklicht oder wird es als Leitprinzip für das unternehmerische Handeln begriffen, das jenseits von Green- und Bluewashing professionell angegangen wird?

Keine gesetzliche Pflicht zur Nachhaltigkeit für Unternehmen 

Das Nachkommen gesetzlicher Pflichten reicht nicht aus, um sich als nachhaltig bezeichnen zu können. Denn bislang sind Unternehmen nur in geringem Maße zur Nachhaltigkeit gesetzlich verpflichtet. Selbst aus der Geschäftsführungspflicht nach § 76 Abs.1 AktG kann keine Verpflichtung zur nachhaltigen Unternehmensführung entnommen werden.

Jedoch rückt das Thema immer weiter in den Fokus des deutschen und europäischen Gesetzgebers. 

Derzeit besteht durch die Umsetzung der CSR-Richtlinie die Verpflichtung für große Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht abzugeben. Schwerpunkte dieser Berichtspflicht liegen unter anderem in Bereiche wie Anti-Korruptionsaspekte sowie der Einhaltung von Menschenrechten und Arbeitnehmerbelange. Die Berichte können öffentlich eingesehen werden. Die Rechenschaft etwa gegenüber Kunden und der Politik soll eine nachhaltige Entwicklung im Unternehmen antreiben und fördern. Kleine und mittelständische Unternehmen sind von dieser Pflicht bislang noch nicht betroffen. Auch müssen Unternehmen lediglich über ihr Handeln berichten und werden nicht zum Umdenken gesetzlich verpflichtet. 

Etwas weiter geht das im Juni 2021 verabschiedete Lieferkettengesetz. Hierdurch sollen Unternehmen in die Pflicht genommen werden, gewisse Arbeits- und Menschenrechtstandards entlang der gesamten Lieferkette einzuhalten. Wie sich dieses neue Gesetz tatsächlich auswirkt, bleibt derzeit aber noch ungewiss. 

Aber auch innerhalb der Unternehmen gibt es bislang wenig gesetzlichen Druck. Insbesondere Betriebsräte haben wenig Einfluss auf eine nachhaltige Entwicklung der Unternehmen. Ihnen stehen keine Mittbestimmungsrechte zu. Auch die Frage, wie das Unternehmen seine Nachhaltigkeitspflichten umsetzt, wie etwa die Anfertigung des CRS-Berichts, unterliegt nicht der proaktiven Gestaltung durch den Betriebsrat. In Betracht kommen hier lediglich Informationsrechte, wie bei der Personalplanung aus § 92 BetrVG, etwa bei der nachhaltigen Personalentwicklung.

Freiwillige unternehmerische Selbstverpflichtung 

Was bedeutet das jetzt für Unternehmen? Wer nur darauf wartet, dass der deutsche oder europäische Gesetzgeber rechtliche Pflichten auferlegen wird und diese dann umsetzt, wird klar den Anschluss verlieren. Für Unternehmen ist deshalb eine unternehmerische Selbstverpflichtung unumgänglich: Selbst steuern, statt steuern lassen. 

Schon heute können zahlreiche rechtliche Hebel dazu eingesetzt werden, Nachhaltigkeit handfest zu machen. Die meisten Unternehmen haben diese Möglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft. Und bei sämtlichen Projekten hin zu einer nachhaltigen Transformation eines Unternehmens müssen rechtliche Vorgaben beachtet werden, die die Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen erschweren können: Wenn sich das Home-Office also als Maßnahme für das Emissionsmanagement erweist, darf dann eine Home-Office Pflicht eingeführt werden? Diese Frage würde unter den Themenbereich der Umwelt fallen. Daran hängen aber auch weitere Themen, die beispielsweise zu den Arbeitsbeziehungen gehören, etwa der Datenschutz oder die Erfassung der Arbeitszeit. Der Beantwortung der Frage widmen wir uns später.

HR als Antreiber

Die Ausgestaltung professioneller Nachhaltigkeit kann nicht nur der Geschäftsführung überlassen werden, sondern muss ganzheitlich im Unternehmen betrachtet werden. Operativ, aber auch strategisch. Nachhaltigkeit ist ein interdisziplinäres Thema. Eine Schlüsselrolle spielt hierfür die HR, welche aktiv an den Führungskräften von Morgen mitarbeitet und als Anwender und Gestalter von nachhaltigen Strukturen mitwirken kann. Wie kaum jemand anderes im Unternehmen, hat die HR die Mitarbeiter im Überblick. Sie versteht sich als Architekt des Unternehmens und treibt Zukunftsplanungen voran. 

Eine geringe Ausrichtung auf nachhaltige Themen kann die Arbeit der Personalabteilung schon jetzt direkt beeinflussen. Immer mehr Arbeitnehmer achten bei der Wahl eines zukünftigen Arbeitgebers auf Nachhaltigkeit. Anschaulich zeigt sich dies in einer aktuellen Befragung der Jobbörse Stepstone. Dabei gaben unter anderem drei Viertel der Befragten an, dass es für sie wichtig ist, dass Nachhaltigkeit für den Arbeitgeber eine große Rolle spielt. Eine schnelle Umsetzung kann zum Vorteil gegenüber der Konkurrenz führen. Zudem schließen Bewerber häufig Unternehmen aus, welche nicht ihren Nachhaltigkeitsvorstellungen entsprechen. Gerade junge Talente werden anderes kaum noch erreicht. 

Aber auch für bereits beschäftige Arbeitnehmer ist Nachhaltigkeit von zentraler Bedeutung. Arbeitnehmer, welche sich mit der Unternehmensphilosophie besser identifizieren können, werden sich seltener nach neuen Arbeitgebern umschauen. Dies verringert die Fluktuation im Unternehmen und fördert die Motivation. Auch führen Angebote wie beispielsweise Firmen E-Bikes, nachhaltige Bonusprogramme und eine gute Work-Life-Balance zu einer höheren Zufriedenheit der Belegschaft. Und die Verantwortung liegt hier klar bei der HR. 

Und wem das nicht überzeugend genug ist, kann sich die wirtschaftlichen Vorteile anschauen. Eine Studie zu den 17 SDGs (sustainable developement goals) der UN zeigt, dass eine Erreichung der Ziele neue Möglichkeiten im Wert von 12 Billionen Dollar schaffen kann. 

Die Nachhaltigkeitsagenda für die HR

Die HR muss nun vor allem eins begreifen: für ein erfolgreiches und zukunftsträchtiges Personalmanagement sollte heute schon die Förderung einer nachhaltigen und verantwortungsvollen Unternehmenskultur im Vordergrund stehen. Denn Nachhaltigkeit wird nicht von heute auf morgen, sondern in einem Prozess der kontinuierlichen Verbesserung erreicht. Doch was bedeutet das genau? Zu den umfassenden Möglichkeiten zählen kleinteilige Aspekte wie die Gestaltung eines Green Office oder die Umsetzung von nachhaltigen Geschäftsreisen, aber auch große Themen wie die Verquickung von Zielvereinbarungen und Nachhaltigkeitsengagement sowie weiteren Aspekten auf Ebene der Arbeitsbeziehungen, die maßgeblichen Standards vorsehen. 

Diese Gestaltungsoptionen sollen in den folgenden Beiträgen der Serie behandelt werden. Der Blick wird hierbei eindeutig auf den arbeitsrechtlichen Handlungsmöglichkeiten liegen.

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