Nachhaltiges Reisen kann zu einem Kernaspekt in der Entwicklung zu einem klimafreundlichen Unternehmen werden. Hierfür bestehen heute schon vielfältige Umsetzungsmöglichkeiten.
Immer häufiger wirkt sich das Thema nachhaltiges Reisen auf das Image eines Unternehmens aus. Um sich dies sinnvoll im eigenen Unternehmen zunutze zu machen, muss grundsätzlich Abstand vom Statusdenken genommen werden. Jede Dienstreise muss grundlegend überdacht werden, um möglichst viele Emissionen einzusparen. Gleichwohl dürfen (arbeits-)rechtliche Vorgaben nicht missachtet werden.
Der derzeitige Weg zur Arbeit ist nicht nachhaltig
Beim Thema nachhaltiges Reisen sind nicht nur Dienstreisen von Bedeutung. Auch der tägliche Weg zur Arbeit hat erhebliche Auswirkungen. Laut einer Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung arbeiteten im Jahr 2020 knapp 60 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nicht an ihrem Wohnort.
Dienstwagen machen einen erheblichen Anteil auf den deutschen Straßen aus. Jedes Jahr werden über 60 Prozent der Neuwagen auf einen gewerblichen Halter zugelassen.
All dies bietet Anlass, über nachhaltigere Alternativen nachzudenken. Den Denkanstoß muss HR liefern.
Nachhaltige Gestaltung des Arbeitsweges
HR kann Arbeitnehmer* aktiv darin unterstützen, ihren eigenen Arbeitsweg nachhaltiger zu gestalten und dabei einen erheblichen Beitrag für die Umwelt zu leisten. Dabei muss auf Statussymbole wie den Dienstwagen verzichtet und es müssen neue Alternativen angeboten werden.
Hierfür gibt es unzählige Möglichkeiten. Es fängt an bei den in vielen Unternehmen bereits angebotenen Jobtickets. Aber auch Dienst-E-Bikes oder Bahnkarten können gute Alternativen darstellen, um Mitarbeiter zu einem nachhaltigen Verhalten zu motivieren und sie darin zu unterstützen.. Bei Mitarbeitern, die nur für wenige Tage im Jahr ein Dienstauto brauchen, kann auch der Zugang zu einem öffentlichen Carsharing-Anbieter Abhilfe schaffen. All das sind Möglichkeiten, die zu einem „grünen“ Arbeitsweg beitragen.
Arbeitsrechtliche Restriktionen
Das Personalmanagement kann hier nur Angebote schaffen. Die Fahrt vom Wohnort zur Arbeit ist keine Arbeitszeit i. S. d. ArbZG, denn diese beginnt grundsätzlich erst mit der Aufnahme der geschuldeten Tätigkeit. Die Gestaltung des Arbeitsweges ist somit Privatsache des Arbeitnehmers. Insofern kann der Arbeitgeber auch nicht per Direktionsrecht nach § 106 GewO zur Nutzung einer „grünen“ Alternative auffordern.
Statt sich auf arbeitsrechtliche Möglichkeiten zu berufen, sollte die Unternehmenskultur angegangen werden. Wird die Kultur der professionellen Nachhaltigkeit aktiv im Unternehmen gelebt, sollten Arbeitnehmer gar nicht das Gefühl haben, dass ihr Arbeitgeber sie unzulässig einschränkt. Vielmehr sollte die Umstellung als notwendige Maßnahme für das Große und Ganze betrachtet werden.
Bestehende Dienstwagenregelungen
Der Umschwung der Mobilität im Unternehmen kann jedoch nicht von heute auf morgen erfolgen. Insbesondere bestehende Dienstwagenregelungen stellen ein Hindernis bei einer nachhaltigen Entwicklung dar.
Zu bedenken ist der Anspruch eines Arbeitnehmers auf einen Dienstwagen, wenn mit dem Arbeitgeber ein Vertrag hierüber geschlossen wurde. Der Dienstwagen kann dann nicht ohne weiteres z.B. gegen ein Dienstrad getauscht werden. Dies ist insbesondere deswegen zu beachten, weil ein Dienstwagen, der auch zu privaten Zwecken genutzt werden kann, als Einkommensbestandteil behandelt wird. Würde man diesen wieder herausverlangen, würde dies zu einer unzulässigen, einseitigen Gehaltskürzung führen.
Hierbei heißt es Fingerspitzengefühl anwenden und auf freiwilliger Basis nachhaltige Alternativen anbieten. Hierbei können Arbeitnehmern beispielsweise auch Prämien angeboten werden. In zukünftigen Verträgen kann von Dienstwagenregelungen dann jedoch Abstand genommen werden.
Gleichbehandlungsgrundsatz als Hürde
Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz kann eine Hürde darstellen, Dienstwagenregelungen abzuschaffen. Bestehen solche Regelungen bereits, könnten neue Beschäftigte ebenfalls auf eine Vereinbarung zur Überlassung bestehen.
Der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz entstammt der Rechtsprechung und hat sich als Gewohnheitsrecht etabliert. In inhaltlicher Hinsicht verbietet der Gleichbehandlungsgrundsatz jede Form sachlich unbegründeter Durchbrechung allgemein- oder gruppenbezogener Regelungen, die zur Benachteiligung einzelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen führen.
Eine Verletzung des Grundsatzes ist regelmäßig anzunehmen, wenn eine Ungleichbehandlung in vergleichbarer Lage gegeben ist. Etwa wenn bei zwei Arbeitnehmern, die eine ähnliche Tätigkeit ausführen, der eine einen Dienstwagen gestellt bekommt, der andere aber „nur“ ein Fahrrad. Eine solche Ungleichbehandlung wäre nur durch einen sachlichen Grund zu rechtfertigen. Ob Nachhaltigkeitsziele als sachlicher Grund aufgeführt werden können, ist fraglich. Sofern Arbeitgeber und Arbeitnehmer aber durch eine Einzelfallregelung – etwa durch eine Klausel im Arbeitsvertrag – freiwillig die Gewährung eines Dienstwagens ausschließen und sich auf Alternativen einigen, kann nicht von Ungleichbehandlung die Rede sein.
Auch hier heißt es für HR: Arbeitnehmer finden, die sich mit den Nachhaltigkeitszielen identifizieren!
Dienstreisen als weiterer Aspekt mit Reformbedarf
Auch Dienstreisen stellen einen maßgeblichen Aspekt dar, wenn innerhalb der Personalabteilungen über eine nachhaltige Gestaltung der Mobilität nachgedacht wird.
Laut dem Verband Deutsches Reisemanagement wurden in Deutschland bis 2019 195 Millionen Dienstreisen durchgeführt. Hierbei wird jedoch häufig nicht auf Nachhaltigkeit geachtet. Insbesondere Kurzstreckenflüge stellen eine günstigere Alternative zur Deutschen Bahn dar, belasten die Umwelt dafür jedoch erheblich. Vorreiter ist in diesem Bereich der Bund. Beschäftigte des Bundes können heute schon auf die Bahn zurückgreifen, auch wenn dadurch höhere Kosten entstehen.
Dies liegt auch im Interesse der Geschäftsreisenden. Hierfür müssen im Unternehmen auch die notwendigen Richtlinien geschaffen werden. Wenn die Reiserichtlinie die Buchung der kostengünstigsten Reisemöglichkeit vorsieht, wird weiterhin auf Billigflieger gesetzt werden.
Gestaltungsspielräume von HR für nachhaltigere Dienstreisen
Um Dienstreisen nachhaltiger zu gestalten, sollte sich zunächst grundsätzlich gefragt werden, ob gereist werden muss. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass viele Termine auch digital abgehalten werden können. Zudem verfügen die meisten Firmen spätestens jetzt über das nötige technische Equipment.
Jedoch kann nicht jeder Kundenkontakt immer digital ausgeführt werden. Für diese Fälle ist es ratsam, die Richtlinien für die Planung und Durchführung von Dienstreisen, falls vorhanden, an nachhaltige Ziele anzupassen. Hierbei gibt es einige Möglichkeiten, Emissionen einzusparen. Grundsätzlich scheint es empfehlenswert, unabhängig vom Preis, zumindest im Inland, auf die Bahn zurückzugreifen und Kurzstreckenflüge zu verbieten. Aber auch bei Hotels kann auf Nachhaltigkeit geachtet werden. Es empfiehlt sich der Rückgriff auf lokale Unternehmen. Falls es einer Fernreise bedarf, sollte in die Richtlinie aufgenommen werden, dass bevorzugt Direktflüge gebucht werden. Auch sollte darauf geachtet werden, ob auf dieser Reise nicht auch mehrere Partner nacheinander getroffen werden können. Wirksam ist dies jedoch nur, wenn das Einhalten der Richtlinie überprüft wird.
Eine Alternative könnten Bonusprogramme darstellen. Hierbei könnten Mitarbeiter belohnt werden, die sich freiwillig für eine nachhaltige, aber vielleicht nicht ganz so komfortable Dienstreise entscheiden.
Keine Mitbestimmungsrechte für den Betriebsrat
Soll die Reise- und Reisekostenrichtlinie angepasst werden, stehen dem Betriebsrat hier in der Regel keine Mitbestimmungsrechte zu. Solche Richtlinien betreffen nicht etwa das Arbeitsentgelt oder das Arbeits- und Leistungsverhalten i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 1, 10 BetrVG, sondern vielmehr einen Aufwendungsersatz und die Erfüllung der Arbeitspflicht.
Für die Geschäftsleitung und das Personalmanagement bedeutet dies in erster Linie, dass Änderungen bezüglich Dienstreisen ohne Betriebsratsverhandlungen implementiert werden können.
Großes Potential für Mitarbeitergewinnung und -bindung
Im Rahmen der Mobilität im Unternehmen besteht ein großes Potential, nachhaltige Ziele umzusetzen, gerade in Bezug auf Dienstreisen. Bei der Reise zur Arbeit hat HR hingegen nur begrenzt rechtliche Möglichkeiten. Hier muss der Fokus deshalb auf die Kommunikation der Nachhaltigkeitsziele und deren Etablierung sowie auf die Identifizierung der Arbeitnehmer mit diesen Zielen gerichtet werden. Dies scheint insbesondere auch für die Zufriedenheit von Mitarbeitern von großer Bedeutung, denn die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass dies von Arbeitnehmern immer mehr gewünscht wird. Es wird Zeit, von Kurzstreckenflügen und Dienstwagen Abstand zu nehmen und nachhaltigen Alternativen Vorrang zu geben.
In unserer Serie zur Nachhaltigkeit lenken wir den Blick auf arbeitsrechtliche Handlungsmöglichkeiten. Nach dem Einführungsbeitrag zu den Kernaufgaben des Personalmanagements geht es im zweiten Beitrag um das Sustainable Office.
*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.