Level 2-Maßnahmen zur Taxonomie, Vorschläge zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen und Nachhaltigkeitspräferenzen bei der Anlageberatung.
Um bis 2050 das von der EU im Green Deal festgelegte Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, muss nach der Sustainable Finance Strategie der EU mehr Kapital in klimafreundliche Projekte und Unternehmen investiert werden. Im Zuge dessen wurde von der EU-Kommission kürzlich ein weiteres umfassendes Gesetzgebungspaket vorgestellt, das folgende Rechtsakte und Initiativen umfasst:
- Taxonomie-Verordnung (Delegierte Rechtsverordnung zu den Umweltzielen Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel)
- Vorschlag für eine Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen
- Sechs Delegierte Änderungsrechtsakte u.a. zur Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen in der Anlageberatung
Delegierte Rechtsverordnung zu den Umweltzielen Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel
Die EU arbeitet derzeit mit der Taxonomie-Verordnung an einem Standard für nachhaltiges Investieren.
Zwar ist die Taxonomie-Verordnung bereits im Juli 2020 in Kraft getreten, viele Details werden jedoch erst sukzessive festgelegt. Mit der ersten Delegierten Verordnung hat die EU-Kommission technische Bewertungskriterien für die Bestimmung eines wesentlichen Beitrags zu den ersten beiden Umweltzielen (Klimaschutz und Anpassung and den Klimawandel) von insgesamt sechs Umweltzielen veröffentlicht und es wurde die Grenze für erhebliche Beeinträchtigungen von Umweltzielen für Wirtschaftstätigkeiten festgelegt.
Eine Wirtschaftstätigkeit, die das Umweltziel des Klimaschutzes unter der Taxonomie-Verordnung verfolgt, sollte wesentlich zur Stabilisierung der Treibhausgasemission beitragen und zu diesem Zweck die Emission entweder vermeiden, verringern oder den Abbau von Treibhausgasemissionen verstärken. Die Wirtschaftstätigkeit sollte mit dem langfristigen Temperaturziel des Pariser Klimaabkommens in Einklang stehen. Danach leistet zum Beispiel eine Wirtschaftstätigkeit zur Energieerzeugung einen Beitrag zum Klimaschutz, sofern sie CO2 neutral erfolgt oder ein Erzeugungsschwellenwert von bis zu 100g CO2 e/kWh eingehalten wird. Auch eine sogenannte Übergangstechnologie, das heißt eine Wirtschaftstätigkeit, für die es bisher noch keine technologische und wirtschaftliche CO2 Alternative gibt, kann einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz unter der Taxonomie-Verordnung erbringen, sofern sie den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft unterstützt.
Streitig ist, ob erdgasbasierte Energietechnologien als potenzielle Übergangstätigkeit, die die Umstellung von Kohle und Öl auf erneuerbare Energieträger erleichtert zu qualifizieren ist. Auch das seit langem umstrittene Thema, ob Kernkraft wegen ihres geringen CO2 Ausstoßes eine klimaschonende Wirkung hat und sie in die Taxonomie-Verordnung aufgenommen werden kann, wurde bislang ausgeklammert. Beide Themen sollen in die noch ausstehenden delegierten Rechtsakte, die die anderen vier Umweltziele regeln, aufgenommen werden.
Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung
Unternehmen die der EU-Richtlinie 2014/95/EU (sog. CSR-Richtlinie) unterliegen und zur sog. nichtfinanziellen Berichterstattung verpflichtet sind, müssen nach der Taxonomie-Verordnung erstmals für das Jahr 2021 Angaben zur ökologischen Nachhaltigkeit ihrer Wirtschaftstätigkeit (Umsatzerlösen, Investitionen (Capex) und Betriebsausgaben (Opex)) aufnehmen. Konkretisierungen hierzu sollen am 1. Juni 2021 in einem Delegierten Rechtsakt veröffentlicht werden. Die Stellungnahmen der drei – von der EU-Kommission hierzu beauftragten – europäischen Aufsichtsbehörden EBA, ESMA und EIOPA sind bereits veröffentlicht.
Die EU-Kommission hat in diesem Zusammenhang einen Vorschlag zur Anpassung der CSR-Richtlinie vorgelegt. Hierin wird der Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen deutlich ausgeweitet. Berichtspflichtig sollen künftig alle großen Unternehmen und ab 1. Januar 2026 auch börsennotierte KMU sein. Der in der CSR-Richtlinie verwendete Begriff der „nicht-finanziellen″ Informationen wurde von Stakeholdern häufig dahingehend kritisiert, dass er den Wert, den die betreffenden Informationen zur Beurteilung des finanziellen Erfolgs eines Unternehmens haben, außer Acht lasse. In dem Anpassungsvorschlag verwendet die EU-Kommission nun die Begriffe „sustainability information″ und „sustainability reporting″. Inhaltlich soll die Berichtspflicht über Nachhaltigkeitsfragen umfassender werden und neue verbindliche Standards für die Nachhaltigkeitsberichtserstattung im Wege Delegierter Rechtsakte eingeführt werden. Darüber hinaus sieht der Vorschlag eine Prüfungspflicht für Nachhaltigkeitsberichterstattungen vor.
Nachhaltigkeitspräferenzen in der Anlageberatung
Zudem hat die EU-Kommission sechs delegierte Änderungsrechtsakte, u.a. zur Aufnahme von Nachhaltigkeitsaspekten in die sogenannte Geeignetheitsprüfung bei der Anlageberatung, veröffentlicht.
Die Geeignetheitsprüfung verlangt bislang vom Anlageberater, alle Informationen über die Kenntnisse und Erfahrung des Kunden im Anlagebereich, seine finanziellen Verhältnisse und seine Anlageziele einschließlich seiner Risikobereitschaft einzuholen und auf dieser Basis geeignete Anlageprodukte zu empfehlen.
Nach der geänderten Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 zur MiFID II werden Anlageberater zukünftig verpflichtet, Informationen über die Nachhaltigkeitspräferenzen der Anleger einzuholen und nur solche Produkte zu empfehlen, die diesen entsprechen.
Ausblick auf weitere Level 2-Maßnahmen und Social Taxonomy
Der erste Delegierte Rechtsakt zur Taxonomie-Verordnung ist – auch unter Berücksichtigung der hohen Anzahl von 46.591 Stakeholder Rückmeldungen im vorausgegangen Konsultationsverfahren – ein großer Schritt bei der Umsetzung der Sustainable Finance Strategie der EU. Weitere Level 2-Maßnahmen werden jedoch rasch folgen. Am 1. Juni 2021 sollen die Konkretisierungen zu den neuen Berichtspflichten von CSR-berichtspflichtigen Unternehmen unter der Taxonomie-Verordnung erfolgen. Die offenen gelassenen Punkte Erdgas und Kernkraft sollen in den für Ende 2021 angekündigten Delegierten Rechtsakten zu den anderen Umweltzielen festgelegt werden.
Derzeit beschränkt sich die Taxonomie-Verordnung – sofern gewisse soziale Mindeststandards eingehalten werden – auf die Bestimmung der ökologischen Nachhaltigkeit einer Wirtschaftstätigkeit. Nun steht auch die Messung sozialer Nachhaltigkeit von Wirtschaftstätigkeiten vermehrt im Fokus der EU. Die „Subgroup on social taxonomy″ der Plattform on Sustainable Finance, eine Expertengruppe, die die EU-Kommission u.a. im Hinblick auf die Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Taxonomie berät, arbeitet an einer Erweiterung der Taxonomie auf soziale Aspekte. Ein erster Report mit anschließender Konsultation soll in Q2/Q3 2021 erfolgen.
In unserer Serie „Sustainable Finance″ sind wir eingegangen auf steuerliche Lenkungsmechanismen beim Erreichen von Nachhaltigkeitszielen, auf neue Pflichten in der Anlagenberatung, Offenlegungspflichten unter der Taxonomie-VO, auf „Green Bonds″ sowie das Sustainable Finance Package der EU-Kommission.