Mit vorausschauender Planung stehen Pflichtteilsrechte beim Generationswechsel nicht im Weg. Wir zeigen, welche Regelungsmöglichkeiten bestehen.
Pflichtteilsrechte gelten häufig als „anachronistischer Pferdefuß″ des Erbrechts. Nicht selten werden sie zum Hindernis bei der Unternehmensnachfolge, gerade in großen Unternehmerfamilien. Deswegen verdienen sie Aufmerksamkeit.
Wie Pflichtteilsrechte im Rahmen der Nachfolgeplanung sinnvoll berücksichtigen werden können, ist Gegenstand des folgenden Beitrags.
Pflichtteilsrechte als Belastung in der Unternehmensnachfolge
Pflichtteilsrechte haben in erster Linie der Ehegatte (oder der eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartner) und die Kinder des Erblassers. Sie können aber auch für weitere Abkömmlinge (Enkel oder Urenkel) oder sogar die Eltern des Erblassers bestehen.
Der Pflichtteil beträgt jeweils die Hälfte der gesetzlichen Erbquote und ist nicht entziehbar. Das heißt: Auch wenn der Erblasser durch testamentarische Anordnung „alles geregelt″ und zum Beispiel eines seiner Kinder zum Nachfolger bestimmt hat, bleiben die Pflichtteilsrechte des Ehegatten und der Kinder bestehen und belasten den Nachlass.
Liquiditätsbelastung durch Pflichtteilsrechte
Bei der Planung der Unternehmensnachfolge sind Pflichtteilsrechte deswegen oft ein Dorn im Auge. Einerseits ist das Vermögen in der Regel beträchtlich und die Pflichtteilsansprüche dadurch entsprechend hoch. Andererseits aber ist das Vermögen meist im Unternehmen gebunden, so dass Liquidität fehlt.
Die Pflichtteilsrechte können vom Erben und Nachfolger im Unternehmen dann mitunter nur mit großen Anstrengungen, etwa durch die Inanspruchnahme von Krediten, bedient werden. Zudem wird dem Familienunternehmen dadurch die Substanz entzogen, mit der es für die Familie arbeitet.
Zugleich greifen für Unternehmerfamilien die Kerngedanken des Pflichtteilsrechts (Existenzsicherungsfunktion und gleichmäßige Vermögensverteilung) regelmäßig nicht, weil die Ansprüche für eine bloße Existenzsicherung zu hoch sind und eine gleichmäßige Verteilung des Vermögens der Fortführung des Familienunternehmens häufig im Wege steht.
Passgenaue Gestaltung als Ausweg aus der „Pflichtteilsfalle″
Für den Generationswechsel in landwirtschaftlichen Betrieben hat das BGB diesen Konflikt gesehen und durch eine restriktive Unternehmensbewertung gelöst (§ 2312 BGB). In allen anderen Fällen sollten in der Planung der Unternehmensnachfolge Wege aus der „Pflichtteilsfalle″ durch eine vorausschauende Gestaltung erwogen werden.
Gestaltungsmöglichkeiten gibt es viele. Im Kern aber zielt jede Gestaltung auf eine Reduzierung von Pflichtteilsrechten. Dabei geht es in erster Linie nicht darum, Pflichtteilsberechtigte einseitig zu benachteiligen. Ziel der Gestaltung ist regelmäßig, auf möglichst friedlichem Wege den Fortbestand des Unternehmens zu sichern und zugleich die Mitglieder der Familie abzusichern.
Verträge zu Lebzeiten ermöglichen Planung
Eine häufige Gestaltungsmöglichkeit sind Erb- und Pflichtteilsverzichtsverträge zwischen dem Erblasser und dem Pflichtteilsberechtigten. Der Pflichtteilsberechtigte verpflichtet sich, auf seinen Pflichtteil zu verzichten, in der Regel gegen Abfindung. Dadurch werden dessen Pflichtteilsrechte vollständig beseitigt, je nach Gestaltung sogar mit Wirkung für die nachfolgende Generation des Pflichtteilsberechtigten.
Daneben besteht die Möglichkeit, durch die Übertragung von Vermögenswerten zu Lebzeiten die Erbmasse – und dadurch die Pflichtteilsrechte – zu reduzieren. Das können zum Beispiel Schenkungen an Kinder oder Enkel sein, etwa im Rahmen der Ausbildung oder des Eigenheimerwerbs. Wichtig ist dabei eine zeitlich vorausschauende Planung, um eine Einbeziehung der Schenkung in die spätere Pflichtteilsberechnung zu vermeiden.
Pflichtteilsrechte des Ehegatten lassen sich durch ehevertragliche Gestaltungen minimieren. Diese sind abhängig vom Güterstand der Ehe. Je nach Güterstand und Familiensituation ist dabei eine mögliche Erhöhung der Pflichtteilsrechte auf Seiten der Kinder im Blick zu behalten.
Gesellschaftsrechtliche Gestaltungen nutzbar machen
Eine andere Möglichkeit bietet die Übertragung von Vermögenswerten auf eine Familiengesellschaft oder eine Familienstiftung. Beide Varianten führen dazu, dass das Vermögen nicht mehr unmittelbar dem Erblasser gehört und Pflichtteilsrechte daran ausgeschlossen werden können.
Als Familiengesellschaft bietet sich häufig eine Personengesellschaft (GbR, KG, oHG) an, die der Erblasser gemeinsam mit den Pflichtteilsberechtigten gründet und in die er Vermögenswerte einbringt. Dabei kann sich der Erblasser zunutze machen, dass solche Beteiligungen bei richtiger Gestaltung nicht als Schenkungen gelten. Dadurch kann die Gestaltung mitunter auch kurzfristig noch erfolgen, ohne dass sie in der späteren Pflichtteilsberechtigung zu berücksichtigen wäre.
Bei einer Familienstiftung werden das familiäre Unternehmen und/oder das Vermögen in eine Stiftung eingebracht. Berechtigte an den Erträgen der Stiftung (sogenannte Destinatäre) sind in der Regel die Familienmitglieder. Über die Satzung der Stiftung kann die Höhe ihrer Ertragsbeteiligung genau justiert werden. Auch hierbei ist die rechtzeitige Errichtung wichtig, wenn Pflichtteilsrechte sicher minimiert werden sollen.
Internationale Pflichtteilsvermeidungsstrategien
Einen gänzlich anderen Weg bieten daneben die Unterschiede im internationalen Recht. Will man sie nutzen, muss man einigen Aufwand betreiben – und besonders sorgfältig agieren.
Zum einen kann etwa durch Rechtswahl im Testament oder durch Umzug (sogenannter Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts) die Anwendbarkeit eines ausländischen Rechtsregimes begründet werden, das keine oder nur geringere Pflichtteilsrechte kennt. Dabei ist eine sorgfältige und vorsichtige Prüfung im Vorwege unerlässlich. Denn der gesamte Erbfall (inklusive Steuern und Abwicklungsmodalitäten) richtet sich dann nach dem ausländischen Recht.
Etwas einfacher ist demgegenüber die sogenannte „Nachlassspaltung″. Sie besteht darin, dass bestimmte Vermögenswerte ins Ausland übertragen werden und dadurch nicht mehr dem deutschen Erb- und Pflichtteilsrecht unterliegen. Eine sichere Gestaltung bedarf auch hier einiger Prüfung und Vorbereitung.
Kombination mit Unternehmertestament unerlässlich
Damit der „Dorn″ der Pflichtteilsrechte vollständig entfernt wird, ist neben den aufgezeigten Maßnahmen stets ein Unternehmertestament von Nöten. Eine Planung „aus einem Guss″ verzahnt dabei die testamentarische Verfügung mit der Gestaltung zu den Pflichtteilsrechten.
Häufig kommen neben der Erbeinsetzung sogenannte Pflichtteilsstrafklauseln zum Einsatz, die die Geltendmachung von Pflichtteilsrechten mit dem Verlust der Erbenstellung oder des Vermächtnisses kombinieren.
Der „Pflichtteilsfalle″ entgehen – viele Wege führen nach Rom
Um der „Pflichtteilsfalle″ zu entgehen, stehen verschiedene Lösungswege offen. Häufig bietet sich eine Kombination von Maßnahmen an, um eine maßgeschneiderte, sichere Nachfolgeplanung auf die Beine zu stellen. Entscheidend sind stets die individuellen Umstände von Familie und Unternehmen, die es zu regeln gilt.
Bei vorausschauender Planung aber lassen sich Fortbestand des Unternehmens und die Absicherung der Familienmitglieder „unter einen Hut″ bringen. Und das sichert nicht selten den (langfristigen) Familienfrieden.
Unsere Beitragsreihe stellt wichtige Aspekte rund um das Thema Unternehmensnachfolge dar. Angefangen mit dem Gesellschaftsvertrag, folgt der Unternehmensverkauf an Finanzinvestoren und an strategische Investoren sowie ein Beitrag zum möglichen Nießbrauch an Gesellschaftsanteilen. Ein weiterer Beitrag handelt vom Erbschaftsteuerrecht und den Auswirkungen auf Familienunternehmen. Weiter haben wir uns mit der Möglichkeit einer Familienstiftung an sich und ihrer steuerrechtlichen Besonderheiten beschäftigt. Zuletzt kamen Antworten auf Fragen rund um das Unternehmertestament. Bei Fragen zögern Sie nicht, mit unserem Experten Herrn RA Dr. Jasper Stallmann in Kontakt zu treten.