11. Juli 2016
Unternehmensnachfolge Erbschaftsteuerrecht
Unternehmensnachfolge Corporate / M&A Private Clients Steuerrecht

Erbschaftsteuer in der Unternehmensnachfolge

Unternehmensnachfolge: Das Erbschaftsteuergesetz ist noch nicht verabschiedet. Wir zeigen den Stand der Reform und die Auswirkungen auf Familienunternehmen!

Bei der unentgeltlichen Übertragung eines Unternehmens oder eines Unternehmensanteils auf die nächste Generation durch Erbschaft oder Schenkung ist die Erbschaft- oder Schenkungsteuer regelmäßig ein wichtiges Thema für die Familienunternehmer. Meist reicht das weitere Vermögen des Erben oder Beschenkten nicht aus, die anfallende Steuer zu finanzieren.

Da eine Finanzierung der Steuer aus dem Unternehmen dieses in seinem Bestand gefährden und zum Abbau von Arbeitsplätzen führen könnte, wurden für Übertragung von Betriebsvermögen schenkungs- und erbschaftsteuerliche Begünstigungen im Gesetz verankert.

Bisherige Regelungen zur Erbschaftsteuer bei Unternehmensnachfolge verfassungswidrig

Die seit der Erbschaftsteuerreform 2009 geltenden Begünstigungen für die Übertragung von Betriebsvermögen wurden im Dezember 2014 vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zwar dem Grunde nach als geeignet und erforderlich angesehen.

Jedoch wurden diese wegen ihres Übermaßes dennoch als zu großzügig und zudem missbrauchsanfällig bewertet. Deshalb wurden die bisherigen Regelungen als verfassungswidrig verworfen. Das BVerfG hat dem Gesetzgeber zugleich aufgegeben, bis zum 30. Juni 2016 eine Neuregelung zu schaffen.

Seit September 2015 liegen ein Gesetzentwurf der Bundesregierung sowie ein Gegenvorschlag der Bundesländer vor. Bereits im Februar 2016 wurde auf Basis dieser Entwürfe ein Kompromissvorschlag erarbeitet. Dennoch wurde sich die Koalition nicht einig und hat eine Entscheidung immer wieder vertagt. Kurz vor Ablauf der Frist wurde nun eine Einigung erzielt und am 24. Juni 2016 ein neues Erbschaftsteuergesetz beschlossen. Der Bundesrat hat diesem Gesetz allerdings auf seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause am 8. Juli 2016 die Zustimmung verweigert und den Vermittlungsausschuss angerufen.

Steuerliche Begünstigung der Übertragung von Betriebsvermögen nach bisherigem Recht

Die Übertragung von Betriebsvermögen durch Erbfall oder Schenkung konnte nach dem bisherigen Gesetz zu 85% oder vollständig von der Erbschaftsteuer befreit sein. Voraussetzung war insbesondere die Einhaltung einer bestimmten maximalen Quote von schädlichem, nicht begünstigtem Vermögen. Daneben mussten verschiedene Behaltensregelungen 5 bzw. 7 Jahre nach der Unternehmensübertragung beachtet werden.

Änderungen nach dem vorliegenden Gesetzentwurf

Im vorliegenden Gesetzentwurf bleibt die Grundkonzeption der Begünstigungen erhalten. Danach kann der Erbe oder Beschenkte weiterhin zwischen der Regelverschonung (85%-ige Befreiung) oder der Optionsverschonung (100%-ige Befreiung) wählen. Dieses Wahlrecht soll aber nicht mehr davon abhängen, in welchem Umfang nicht begünstigtes Vermögen vorhanden ist. Denn dem Grunde nach nicht begünstigtes Vermögen („schädliches Verwaltungsvermögen″) soll zukünftig von der Begünstigung ausgenommen und regulär besteuert werden. Bisher war dieses Vermögen von der Begünstigung mitumfasst.

Lediglich ein Teil des Verwaltungsvermögens (pauschal 10% des begünstigten Vermögens, sog. „Schmutzzuschlag“), soll weiterhin ausgenommen bleiben. Die „Beimischung″ von schädlichem Verwaltungsvermögen soll so verhindert werden. Anders als im bisherigen Recht soll dies auch Vermögen in untergeordneten Beteiligungen betreffen.

Was nicht begünstigtes Vermögen ist, ist in einem gesetzlichen Katalog abschließend geregelt. Hierunter fallen beispielsweise vermietete Grundstücke, Wertpapiervermögen und in bestimmten Konstellationen „Finanzmittel″ (wie z.B. Bankvermögen und Forderungen). Finanzmittel sind zukünftig nicht begünstigt, soweit diese nach Abzug von Schulden 15% des Unternehmenswerts übersteigen.

Für die nach Anwendung der Begünstigungen zu bezahlende Erbschaft- oder Schenkungsteuer soll eine zinslose Stundung möglich sein. Diese soll nicht an weitere Voraussetzungen gebunden sein.

Änderungen für „Großerwerbe″

Bisher waren die Begünstigungen nicht von einer bestimmten Größenschwelle abhängig. Nach dem Gesetzentwurf sollen die Begünstigungen für „Großerwerbe″ (Unternehmenserwerbe ab EUR 26 Mio. begünstigten Vermögens je Erwerber) deutlich eingeschränkt werden. Hierbei werden Erwerbe innerhalb eines Zeitraums von 10 Jahren zusammengerechnet. Eine Minderung der Erbschaft- oder Schenkungsteuer für diese Erwerbe soll nur noch im Rahmen einer Verschonungsbedarfsprüfung möglich sein. Danach muss die Hälfte des Privatvermögens und des nicht begünstigten Betriebsvermögens zur Bezahlung der Steuer verwendet werden. Nachteil dieser Variante ist die notwendige Offenlegung des Privatvermögens.

Soll das Privatvermögen privat bleiben, kann alternativ (Wahlrecht) ein sog. Verschonungsabschmelzmodell zur Anwendung kommen. Die Verschonung von 85% bzw. 100% wird hier stufenweise von EUR 26 Mio. bis zu einem begünstigten Erwerb von EUR 89,75 Mio. bzw. EUR 90 Mio. vermindert. Bei darüber hinausgehenden Unternehmenserwerben wird keine Begünstigung mehr gewährt. In diesen Fällen ist der gesamte Erwerb steuerpflichtig.

Änderungen in Beteiligungsketten

Nach dem bisherigen Recht wurde eine Beteiligung insgesamt als begünstigt angesehen, wenn deren schädliches Vermögen 50% nicht überstieg. So konnte in Beteiligungsketten eine volle Begünstigung trotz schädlichem Vermögen in unteren Beteiligungsstufen erreicht werden. Dieser sog. Kaskadeneffekt soll dadurch abgeschafft werden, dass auch das schädliche Vermögen in untergeordneten Gesellschaften auf oberster Ebene konsolidiert wird und insoweit eine Begünstigung ausscheidet.

Die Behaltensregelungen

Die Inanspruchnahme der vollen Begünstigungen ist davon abhängig, dass innerhalb einer Behaltensfrist bestimmte Behaltensregelungen sowie die Lohnsummenregelung eingehalten werden. Die Behaltensfrist beträgt bei 85%-iger Steuerbefreiung 5 Jahre und bei vollständiger Befreiung 7 Jahre.

Wird innerhalb der Behaltensfrist gegen die Behaltensregelungen verstoßen, fällt die Steuerbefreiung rückwirkend (ggf. anteilig) weg. Ein Verstoß gegen die Behaltensregelungen liegt insbesondere dann vor, wenn der Beschenkte den erhaltenen Unternehmensanteil innerhalb der Frist veräußert oder aufgibt. Zudem kann es zu einem anteiligen Wegfall der Begünstigungen kommen, soweit sog. „Überentnahmen″ getätigt werden. Gemeint sind damit Entnahmen oder Ausschüttungen, die die Gewinne um EUR 150.000 übersteigen. Auch Umstrukturierungen oder der Verkauf von Wirtschaftsgütern können im Einzelfall schädlich sein.

Die Lohnsummenregelung

Die Verschonung fällt zudem anteilig weg, soweit innerhalb der Behaltenszeit eine bestimmte Lohnsumme nicht erreicht wird. Danach darf die Lohnsumme bei Inanspruchnahme der Regelverschonung innerhalb von 5 Jahren nach dem Erwerb insgesamt 400% bzw. bei Optionsverschonung innerhalb von 7 Jahren 700% der Ausgangslohnsumme nicht unterschreiten. Bisher galt dies nur für Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten. Zukünftig soll diese Lohnsummenregelung bereits für Unternehmen mit mehr als 15 Beschäftigten zur Anwendung kommen. Aber auch Unternehmen mit mehr als 5 Beschäftigten sollen die Lohnsumme einhalten müssen. Hierbei soll es verschiedene Staffelungen geben (6 bis 10 Beschäftigte: 250% (5 Jahre) bzw. 500% (7 Jahre); 11 bis 15 Beschäftigte: 300% bzw. 565%).

Änderungen bei der Bewertung

Soll zur Ermittlung des Werts des Unternehmens kein aufwendiges und kostenintensives Unternehmenswertgutachten erstellt werden, kann der Unternehmenswert nach dem gesetzlich geregelten vereinfachten Ertragswertverfahren berechnet werden. Die modifizierten Jahresergebnisse der letzten 3 Jahre vor dem Zeitpunkt der Unternehmensübertragung werden hierbei mit einem vom Basiszins abhängigen Kapitalisierungsfaktor multipliziert. Dieser Kapitalisierungsfaktor soll durch Festlegung eines Mindestbasiszinses von derzeit rund 18 auf zukünftig 10 bis maximal 12,5 gesenkt werden. Damit werden die steuerrelevanten Unternehmenswerte zukünftig um rund ein Drittel niedriger angesetzt werden.

„Familienunternehmen″

Für familiengeführte Unternehmen kann zudem ein weiterer Abschlag von bis zu 30% gewährt werden. Dies hängt davon ab, in welchem Umfang im Gesellschaftsvertrag Abfindungsbeschränkungen vereinbart sind. Zudem muss die Entnahme oder Ausschüttung von Gewinnen gesellschaftsvertraglich eingeschränkt sein. Eine Übertragung von Anteilen darf nur auf Angehörige, Mitgesellschafter oder Stiftungen zugelassen sein. Die Restriktionen müssen 2 Jahre vor und 20 Jahre nach dem Erbfall oder der Schenkung bestehen.

Kritik des Bundesrats und Aufgabe des Vermittlungsausschusses

Der Bundesrat kritisiert insbesondere die kumulative Wirkung der verschiedenen Regelungen. Diese führen dazu, dass weiterhin eine Überprivilegierung des Betriebsvermögens gegeben sei. Im Vermittlungsausschuss sollen diese Punkte nun nachgebessert werden. Kritisiert wird insbesondere:

  • 100%-Verschonung unabhängig von einer Quote des schädlichen Verwaltungsvermögens,
  • zu unpräzise Formulierungen der Regelungen zu den Familienunternehmen und die hier vorgesehene Übertragungsmöglichkeit auf Mitgesellschafter,
  • die Kumulierung der Begünstigungen – insbesondere von Finanzmitteln (15% unschädliche Finanzmittel und zusätzlich 10% Schmutzzuschlag),
  • die Kumulierung der Begünstigungen bei Familienunternehmen (rund ein Drittel günstigere Bewertung und bis zu 30% Vorab-Abschlag),
  • die voraussetzungslose zinslose Stundung bis zu 10 Jahren, da sie zu einer Ungleichbehandlung von Privat- und Betriebsvermögen führe,
  • die Änderung des Bewertungsgesetzes, da ein marktunabhängiger Mindestbasiszins zu unzutreffenden Vermögenswerten führe.
  • Gefordert wird ein stufenloser Verlauf der Abschmelzzone bei Großerwerben. Diese sollte zudem bei einem geringeren Betrag als EUR 90 Mio. auslaufen.

Gewinner und Verlierer der Reform

Insbesondere Großerwerbe, Unternehmen mit hohem Verwaltungsvermögen (auch in unteren Beteiligungsstufen) und kleinere Unternehmen mit 6 bis 20 Mitarbeitern müssten gegenüber den bisherigen Regelungen mit Nachteilen rechnen.

Für alle weiteren Unternehmen würde die Reform nach dem vorliegenden Gesetzentwurf dagegen sogar Vorteile bringen. Dies resultiert insbesondere aus der günstigeren Bewertung und dem zusätzlich möglichen Abschlag für familiengeführte Unternehmen. Auch die geplante zinslose Stundung bringt weitere Entlastungen für die Unternehmen.

Aktuelle Rechtslage seit 1. Juli 2016

Der beschlossene Gesetzentwurf sieht vor, dass das neue Gesetz für Übertragungen ab dem 1. Juli 2016 zur Anwendung kommen soll. Damit soll die vom Bundesverfassungsgericht gesetzte Frist noch eingehalten werden. Aufgrund des Widerstands der Bundesländer ist nun ein neues Gesetz nicht rechtzeitig zustande gekommen. Dies führt zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit für die Unternehmen, da unklar ist, welche Rechtslage aktuell gültig ist.

Dr. Michael Eichberger, Richter des Bundesverfassungsgerichts, hat verlauten lassen, dass dann zumindest das bisherige Recht weitergelten solle. Dies ist aber so keineswegs gesichert. Andere Stimmen vertreten die Auffassung, dass das Erbschaftsteuergesetz mit dem Verstreichen der Frist ausgelaufen ist. Wieder andere meinen, dass nur die Begünstigungen für Betriebsvermögen entfallen und Betriebsvermögen deshalb voll besteuert werden müsse. Insbesondere ist es auch nicht ausgeschlossen, dass es zu einer Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts kommen könnte oder das Gesetz wieder beim Bundesverfassungsgericht landen könnte. Dann könnte ein Urteil des obersten Gerichts auch deutlich schlechter ausfallen.

Zudem ist offen, ob ein neues Gesetz, das erst nach der parlamentarischen Sommerpause im Herbst verabschiedet werden wird, noch rückwirkend zum 1. Juli 2016 Anwendung finden kann. Ein Vertrauensschutz auf die Anwendung der bisherigen Regelung besteht jedenfalls nicht mehr. Aufgrund dieser für die Unternehmerfamilien aktuell sehr unklaren Gesetzeslage bleibt zu hoffen, dass nun schnell eine Einigung zustande kommt. Die Aufnahme von entsprechenden Steuerklauseln in Schenkungsverträgen ist für Schenkungen nach dem 30. Juni 2016 – so denn solche Schenkungen überhaupt stattfinden – dringend zu empfehlen. Bescheide für Schenkungen oder Erbfälle nach dem 30. Juni 2016 sollten in jedem Fall offen gehalten werden.

Update am 14.7.: Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Pressemitteilung vom 14. Juli 2016 nun die Gesetzgebung angemahnt und mitgeteilt, dass es sich nach der Sommerpause Ende September erneut mit dem Erbschaftsteuergesetz befassen wird. Das Gericht könnte dann selbst eine Übergangregelung anordnen oder die bisherigen Regelungen für nicht mehr anwendbar erklären.

Unsere Beitragsreihe stellt wichtige Aspekte rund um das Thema Unternehmensnachfolge dar. Angefangen mit dem Gesellschaftsvertrag, folgt der Unternehmensverkauf an Finanzinvestoren und an strategische Investoren sowie ein Beitrag zum möglichen Nießbrauch an Gesellschaftsanteilen. Zuletzt haben wir uns mit der Möglichkeit einer Familienstiftung an sich und ihrer steuerrechtlichen Besonderheiten beschäftigt. Bei Fragen zögern Sie nicht, mit unserer Expertin Fr. StB Uhl-Ludäscher in Kontakt zu treten.

Tags: Erbschaftsteuerrecht Gesellschaftsrecht Unternehmensnachfolge