11. Juni 2015
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz
Steuerrecht

Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes

Im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt ein Gesetzentwurf vor, der anders als angekündigt mehr als nur "minimalinvasiv" ist.

Am 2. Juni 2015 legte das Bundesministerium der Finanzen den lang erwarteten Referentenentwurf zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes vor. Der Entwurf basiert auf den bereits im Februar bekannt gegebenen Eckpunkten, jedoch wurden diese doch an mehreren Stellen nachgebessert. Die Anpassung des Gesetzes ist erforderlich, weil das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 17. Dezember 2014 das aktuelle Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz für verfassungswidrig erklärt hat.

Der Gesetzentwurf im Einzelnen

Nach dem Referentenentwurf soll die Grundstruktur der bisherigen Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen erhalten bleiben. So kann Betriebsvermögen auch weiterhin zu 85 Prozent bzw. 100 Prozent verschont werden, wenn eine fünf- bzw. sieben-jährige Behaltensfrist eingehalten sowie die bisher bereits geltende Mindestlohnsumme von 400 Prozent bzw. 700 Prozent erreicht wird. Außer den strengeren Behaltensregelungen ist die 100 prozentige Optionsverschonung an keine weiteren Voraussetzungen mehr gebunden.

Allerdings sollen die vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Regelungen angepasst werden:

  • Lohnsummenregelung bei Kleinstbetrieben

Betriebe mit nicht mehr als drei Beschäftigten werden von der Lohnsummenprüfung gänzlich befreit. Für Betriebe mit vier bis zehn Beschäftigten wird nur eine geringere Mindestlohnsumme von 250 Prozent bzw. 500 Prozent verlangt. Im Falle einer Betriebsaufspaltung werden zur Prüfung der Lohnsumme Besitz- und Betriebsunternehmen zusammengerechnet.

  • Neudefinition des „begünstigten Vermögens″

Die bisherigen Regelungen zum Verwaltungsvermögen sollen durch eine Abgrenzung des begünstigten von dem nicht begünstigten Vermögen ersetzt werden. Begünstigtes Vermögen ist danach das Vermögen, das seinem Hauptzweck nach jeweils überwiegend einer originären land- und forstwirtschaftlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit dient. Für Finanzmittel gilt wie bisher einsog. Finanzmitteltest, wonach diese unter Umständen (teilweise) zum begünstigten Vermögen rechnen. Übersteigende Schulden werden quotal beim begünstigten und nicht begünstigten Vermögen berücksichtigt. Zusätzlich wird pauschal (dem Grunde nach nicht begünstigtes) Betriebsvermögen in Höhe von zehn Prozent des originär begünstigten Nettovermögens fiktiv dem begünstigten Vermögen zugerechnet. Hierdurch soll berücksichtigt werden, dass Unternehmen regelmäßig einen „Finanzierungspuffer″ vorhalten.

In mehrstufigen Strukturen soll zur Vermeidung von Gestaltungsmöglichkeiten (sogenannter Kaskadeneffekt) eine konsolidierte Betrachtung des begünstigten Nettovermögens angewandt werden.

  • Einschränkung der Verschonung für „Großerwerbe″

Nach der gesetzlichen Regelung ist eine Verschonung dann nicht mehr möglich, wenn das erworbene begünstigte Vermögen eine Freigrenze von EUR 20 Millionen übersteigt. Hierbei werden Erwerbe innerhalb von zehn Jahren zusammengerechnet.

Abgestellt wird nicht auf den Gesamtunternehmenswert, sondern auf den Wert des von einem Schenker/Erblasser innerhalb von zehn Jahren übertragenen begünstigten Vermögens. Enthält der Gesellschaftsvertrag oder die Satzung Ausschüttungs- und Verfügungsbeschränkungen, wird diese Freigrenze auf EUR 40 Millionen verdoppelt. Diese Beschränkungen müssen zehn Jahre vor und dreißig Jahre nach dem Zeitpunkt der Steuerentstehung vorliegen. Hierdurch soll missbräuchlichen Gestaltungen gegengewirkt werden.

Grundsätzlich tritt bei Überschreiten der Freigrenze eine vollumfängliche Steuerpflicht für das gesamte übertragene Vermögen ein. Allerdings sieht der Gesetzesentwurf für diese Fälle ein Wahlrecht vor. Danach kann alternativ beantragt warden, dass

  • eine Verschonungsbedarfsprüfung verbunden mit einem Steuererlass oder
  • ein gestaffelter Verschonungsabschlag

vorgenommen wird.

  • Verschonungsbedarfsprüfung: Danach ist ein Steuererlass insoweit möglich, als die Hälfte des sogenannten „verfügbaren Vermögens″ nicht ausreicht, die anfallende Steuer zu bezahlen. Zum verfügbaren Vermögen rechnet bereits vorhandenes oder mitübertragenes nicht begünstigtes Vermögen – also neben nicht begünstigtem Betriebsvermögen auch das Privatvermögen, das dem Finanzamt in diesem Zusammenhang offen zu legen ist.
  • Gestaffelter Verschonungsabschlag: Alternativ zur Verschonungsbedarfsprüfung kann ein verringerter Verschonungsabschlag beantragt werden. Der Verschonungsabschlag von 85 Prozent bzw. 100 Prozent verringert sich danach für Vermögensübertragungen bis zu einem Wert des begünstigten Vermögens von EUR 110 Millionen gestaffelt auf bis zu 25 Prozent bzw. 40 Prozent. Ab einem Wert von EUR 110 Millionen begünstigten Vermögens soll ein konstanter Verschonungsabschlag von 25 Prozent (Regelverschonung) bzw. 40 Prozent (Optionsverschonung) gelten. Eine Offenlegung des gesamten Vermögens ist in diesem Fall nicht erforderlich.

Wie geht es weiter?

Anders als zunächst angekündigt, handelt es sich bei dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht mehr nur um „minimalinvasive″ Änderungen. Auch wenn das Bundesministerium der Finanzen den Kritikern entgegen gekommen ist, bleibt der Gesetzentwurf weiterhin umstritten. Das Gesetzgebungsverfahren soll bis Ende des Jahres 2015 abgeschlossen sein. Bis dahin sind noch Änderungen zu erwarten.

Aktuell ist das bisherige Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz bis zur Verkündung eines neuen Gesetzes weiterhin anzuwenden. Insbesondere für „Großerwerbe″ und auch für Unternehmen mit hohem Verwaltungsvermögen werden die Neuregelungen zu höheren Steuerbelastungen führen. Sollte für diese Familienunternehmen eine Nachfolge ohnehin anstehen, sollte dringend überlegt werden, das bisherige Recht noch zu nutzen.

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