24. Juni 2022
erweiterte Kürzung Gewerbeertrag
Steuerrecht

Bundesfinanzministerium veröffentlicht gleichlautende Ländererlasse zur erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags

Gleichlautende Ländererlassen regeln Anwendungsfragen zur erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 3 und 4 GewStG.

Mit dem Fondsstandortgesetz (FoStoG) hat der Gesetzgeber in 2021 u.a. verschiedene Erleichterungen im Hinblick auf die erweiterte Kürzung für Gewerbesteuerzwecke eingeführt. Insbesondere wurde der Katalog der unschädlichen Nebentätigkeiten von Grundstücksunternehmen bzw. Wohnungsunternehmen erweitert, u.a. um weitere Anreize zur Mobilitäts- und Energiewende zu setzen. Danach ist es für die erweiterte Kürzung z.B. unschädlich, wenn in Verbindung mit der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes Einnahmen 

  • durch den Betrieb von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien oder zum Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge oder ‑fahrräder (§ 9 Nr. 1 S. 3 Buchst. b Gewerbesteuergesetz) sowie 
  • für die Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen (§ 9 Nr. 1 S. 3 Buchst. c Gewerbesteuergesetz, GewStG) 

erzielt werden. 

Voraussetzung für die Anwendung des § 9 Nr. 1 S. 3 Buchst. b und c GewStG ist allerdings die Einhaltung der beiden neu eingeführten Grenzen nach § 9 Nr. 1 S. 3 Buchst. b Doppelbuchst. aa und bb GewStG bzw. § 9 Nr. 1 S. 3 Buchst. c GewStG. Hiernach dürfen die aus den kürzungsunschädlichen Tätigkeiten erzielten Einnahmen des Grundstücks- bzw. Wohnungsunternehmens in dem für den Erhebungszeitraum maßgeblichen Wirtschaftsjahr nachweislich nicht höher als 10 % bzw. 5 % der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes sein. 

Mit gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 17. Juni 2022 ist das BMF jetzt ausführlich auf Anwendungsfragen zu § 9 Nr. 1 S. 3 und 4 GewStG eingegangen.

Einige ausgewählte Aspekte hieraus werden in folgendem Kurzüberblick dargestellt:

Tätigkeitsgruppen von Grundstücks- bzw. Wohnungsunternehmen

Die Erlasse sehen als „Hilfestellung“ zur Einordnung für Fragen der Gewerbesteuerkürzung vor, im Hinblick auf die Tätigkeiten von Grundstücks- bzw. Wohnungsunternehmen prinzipiell drei Tätigkeitsgruppen zu unterscheiden (vgl. Tz. 2 ff.):

  • Gruppe 1 – kürzungsunschädlich und begünstigt: Ausschließlich aus der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes resultierende Gewerbeerträge unterliegen dem Grunde nach der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG. Gewerbeerträge aus Tätigkeiten, die Bestandteil der Wohn- oder Gewerberaumüberlassung sind (bspw. Lieferung von Wärme an Mieter/Pächter), unterliegen ebenfalls dem Grunde nach der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG.
  • Gruppe 2 – kürzungsunschädlich und nicht begünstigt (bei Nebentätigkeit): Durch die Änderung des § 9 Nr. 1 S. 3 und 4 GewStG durch das FoStoG wurde der Katalog der für die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung unschädlichen Tätigkeiten ergänzt. Auch nach dieser Gesetzesänderung unterliegen Grundstücks- bzw. Wohnungsunternehmen mit Gewerbeerträgen aus diesen kürzungsunschädlichen Tätigkeiten weiterhin der Gewerbesteuer.
  • Gruppe 3 – kürzungsschädlich: Gewerbeerträge, die aus einer kürzungsschädlichen Tätigkeit resultieren, gehören hingegen zur dritten Gruppe. Kürzungsschädlich sind grds. Einnahmen aus der Verwaltung und Nutzung angemieteten Grundbesitzes, soweit die An- und Weitervermietung fremden Grundbesitzes nicht ausnahmsweise zwingend notwendiger Teil der wirtschaftlich sinnvoll gestalteten Überlassung des eigenen Grundbesitzes ist und nur einen geringfügigen Umfang hat (BFH, Urteil v. 22. Oktober 2020 – IV R 4/19, BStBl II 2022, 87) oder die Einnahmen kürzungsunschädlich gem. § 9 Nr. 1 S. 3 Buchst. c GewStG sind (vgl. Tz. 23). Kürzungsschädlich sind darüber hinaus auch Einnahmen aus der Lieferung von Strom (§ 9 Nr. 1 S. 3 Buchst. b GewStG) sowie aus unmittelbaren Vertragsbeziehungen mit den Mietern/Pächtern des Grundstücks (§ 9 Nr. 1 S. 3 Buchst. c GewStG), sobald die Unschädlichkeitsgrenze von 10 % bzw. 5 % überschritten wird und diese Einnahmen nicht der ersten Gruppe zuzuordnen sind.

Bemessungsgrundlage – Ermittlung der prozentualen Unschädlichkeitsgrenzen von 10 % bzw. 5 % 

Als Ausgangsgröße für die Berechnung der prozentualen Grenzen sind die Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des gesamten eigenen Grundbesitzes des Grundstücks- bzw. Wohnungsunternehmens genannt (Tz. 6, auch Tz. 30). Hierzu gehören insbesondere die vereinbarten Miet- und Pachteinnahmen inklusive sämtlicher umlagefähiger Betriebskosten. 

Die Umsatzsteuer bleibt bei der Ermittlung der Einnahmen außer Ansatz (Nettobetrachtung). Bei einer temporären Mietfreistellung durch den Vermieter* (bspw. bei Vertragsbeginn oder in Krisensituationen) ist grds. von einer vereinbarten Miete von EUR 0 auszugehen (Tz. 30). 

Soll-Mieten sind für die Einnahmeermittlung maßgeblich 

Für die Ermittlung der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes sind grds. die vereinbarten fremdüblichen Mieten, d.h. die sog. Soll-Mieten, maßgeblich. Kommt es in einem Erhebungszeitraum zu Leerstandszeiten, liegen keine vereinbarten Mieten vor, sodass sich die verminderten Einnahmen unmittelbar auf die prozentualen Unschädlichkeitsgrenzen auswirken (Tz. 33).

Ob kürzungsunschädliche, aber dennoch gewerbesteuerpflichtige Einnahmen nach § 9 Nr. 1 S. 3 Buchst. b GewStG vorliegen, ist dem Finanzamt in geeigneter und nachvollziehbarer Weise nachzuweisen; die gesonderte Gewinnermittlung nach § 9 Nr. 1 S. 4 GewStG bleibt hiervon unberührt (Tz. 8).

Weitere Erläuterungen zum Nachweis enthalten die Erlasse nicht.

Veräußerungsgewinne stellen keine Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes dar

Die Einnahmen aus der Veräußerung von eigenem Grundbesitz stellen keine Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes dar. Davon unbenommen erfasst der Begriff der Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes i.S.d. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG grds. auch die Veräußerung von bisher vermietetem bzw. verpachtetem Grundbesitz (Tz. 35). Ebenso stellen Einnahmen aus der Veräußerung oder der Demontage der in § 9 Nr. 1 S. 3 Buchst. b und c GewStG genannten Anlagen bzw. die Aufgabe eines insoweit bestehenden Teilbetriebs keine Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes dar (Tz. 36, 10).

Nach Tz. 10 gelten jedoch solche Einnahmen aus der Veräußerung oder der Demontage der in § 9 Nr. 1 S. 3 Buchst. b und c GewStG genannten Anlagen bzw. die Aufgabe eines insoweit bestehenden Teilbetriebs als letzter Akt der Stromlieferung bzw. der unmittelbaren Vertragsbeziehungen zwischen Grundstücks- bzw. Wohnungsunternehmen und Mietern/Pächtern und sind bei der Prüfung der 10 %-Grenze (§ 9 Nr. 1 S. 3 Buchst. b GewStG) bzw. der 5 %-Grenze (§ 9 Nr. 1 S. 3 Buchst. c GewStG) einzubeziehen.

Einnahmen aus unmittelbaren Vertragsbeziehungen zwischen Grundstücks- bzw. Wohnungsunternehmen und ihren Mietern/Pächtern aus anderen als den in § 9 Nr. 1 S. 3 Buchst. a und b GewStG bezeichneten Tätigkeiten (insbesondere Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen)

Nach Tz. 23 werden von § 9 Nr. 1 S. 3 Buchst. c GewStG z.B. Einnahmen aus der Überlassung von Betriebsvorrichtungen an Mieter/Pächter erfasst, die keinen funktionalen Zusammenhang mit dem vermieteten Grundstück aufweisen. Hierunter fallen ferner Einnahmen aus Zahlungen von Mietern/Pächtern für Veranstaltungen (bspw. Weihnachtsmärkte), zu denen nur Mieter/Pächter zugelassen sind, sowie Einnahmen für Sonderleistungen des Grundstücks- bzw. Wohnungseigentümers für Mieter/Pächter (bspw. Betrieb eines Schwimmbads, das ausschließlich von Mietern genutzt werden darf, oder Zurverfügungstellung von mieterspezifischen Bewachungsleistungen).

Getrennte Prüfung der Unschädlichkeitsgrenzen

Zudem wird in den Erlassen klargestellt (Tz. 40), dass die prozentualen Unschädlichkeitsgrenzen getrennt voneinander zu prüfen sind. Nicht genutzte Prozentpunkte können folglich nicht auf die jeweils andere Grenze übertragen werden.

Tags: erweiterte Kürzung Gewerbeertrag Grundstücksunternehmen Soll-Miete Wohnungsunternehmen