Österreich schafft mit dem Ministerialentwurf die Haltefristen bei Kryptowerten ab und behandelt Erträge als Kapitaleinkünfte – zieht Deutschland nach?
Am 9. November 2021 wurde in Österreich der Ministerialentwurf eines Gesetzespaketes zur Besteuerung von Kryptowährungen veröffentlicht. Er bezieht sich primär auf in Österreich unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Personen*, die Kryptowährungen nicht im Betriebsvermögen halten und sie nicht als Lohn für eine (nicht-)selbstständige Tätigkeit beziehen. Der Ministerialentwurf definiert Kryptowährungen – so wie auch der Entwurf eines BMF-Schreibens zu Einzelfragen zur ertragsteuerlichen Behandlung virtueller Währungen und Token von Juni 2021 (Entwurf der deutschen Finanzverwaltung) – als digitale Darstellung eines Werts, die von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert wurde oder garantiert wird und nicht zwangsläufig an eine gesetzlich festgelegte Währung angebunden ist und die nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder von Geld besitzt, aber von natürlichen oder juristischen Personen als Tauschmittel akzeptiert wird und die auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden kann.
Das Gesetz soll zum 1. März 2022 in Kraft treten, jedoch findet es bereits auf nach dem 28. Februar 2021 entgeltlich angeschaffte Kryptowährungen Anwendung. Der Kapitalertragsteuerabzug ist verpflichtend erst ab 1. Januar 2023 durchzuführen.
Einkünfte aus Kryptowährungen …
Zu den Einkünften aus Kryptowährungen – sofern sie nicht dem Betriebsvermögen zuzuordnen oder Gegenleistung für nichtselbständige Arbeit sind – gehören (i) laufende Einkünfte, d.h. bspw. Entgelte für Lending und Mining, und (ii) Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen, d.h. Gewinne aus der Veräußerung oder dem Tausch gegen andere Wirtschaftsgüter und Leistungen (einschließlich gesetzlich anerkannter Zahlungsmittel).
Während der Entwurf der deutschen Finanzverwaltung bei Staking widerlegbar von gewerblichen Einkünften (was zu einer Verhaftung aller Wertsteigerungen im Betriebsvermögen sowie ggf. zu einer zusätzlichen Gewerbesteuerbelastung führt) bzw. – im Privatvermögen – sonstigen Einkünften ausgeht, nimmt der Ministerialentwurf ausdrücklich Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen (ebenso für Airdrops und Bounties) an. Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den Anschaffungskosten (bei Einkünften aus Staking etc. sind die Anschaffungskosten stets auf null festgesetzt) unterliegt der Besteuerung.
Erfreulicherweise nimmt der Ministerialentwurf Tauschgeschäfte zwischen Kryptowährungen von der Besteuerung ausdrücklich aus. Denn gerade der Tausch von Kryptowerten mit einer geringen Marktkapitalisierung in etablierte Kryptowerte oder Stablecoins erfolgt auf den Exchanges in der Praxis sehr häufig und teilweise als notwendiger Zwischenschritt zur weiteren Investition. Was auf den ersten Blick sehr positiv erscheint, führt zu einem umfangreichen Dokumentationsaufwand für den Steuerpflichtigen hinsichtlich der zwischenzeitlichen Anschaffungskosten und zur Nachverfolgung dieser Anschaffungskosten bei fortgeführten Transaktionen innerhalb des Kryptobereiches. Denn im Kapitalertragsteuerabzugsverfahren sind – sofern dem Abzugsverpflichteten nicht bekannt – Anschaffungskosten und -zeitpunkt auf Grundlage der Angaben des Steuerpflichtigen anzusetzen, soweit diese nicht offensichtlich unrichtig sind. Die weiteren Einzelheiten sind einer Verordnung des österreichischen Bundesfinanzministeriums vorbehalten.
… unterliegen dem Kapitalertragsteuerabzugsverfahren
Die Einkünfte der beschriebenen Art aus Kryptowährungen unterliegen gemäß dem österreichischen Ministerialentwurf dem Besteuerungsregime für Einkünfte aus Kapitalvermögen. Unter Anwendung des Kapitalertragsteuerabzugs erfolgt die Besteuerung mit dem Steuersatz i.H.v. 27,5 %, wobei die Besteuerung nach dem progressiven Steuersatz (in Deutschland bekannt als „Günstigerprüfung“) möglich bleibt. Einkünfte aus Lending unterfallen dem besonderen Steuersatz jedoch nur, wenn diese bei ihrer Begebung in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht einem unbestimmten Personenkreis angeboten werden. Hierdurch sollen Steuerarbitragen im Rahmen privater Sachdarlehen verhindert werden.
Der Kapitalertragsteuerabzug erfolgt allerdings nur bei inländischen Kapitaleinkünften. Handelt es sich um laufende Einkünfte, ist der inländische Schuldner der Kryptowährungen oder sonstigen Entgelte zum Abzug verpflichtet. Andernfalls oder wenn es sich um Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen handelt, ist der die Gutschrift vornehmende inländische Dienstleister Verpflichteter. Erforderlich ist daher, dass ein inländischer Dienstleister die Kryptowährungen oder sonstigen Entgelte gutschreibt bzw. die realisierte Wertsteigerung abwickelt. Bei ausländischen Einkünften findet das Kapitalertragsteuerabzugsverfahren keine Anwendung. Dennoch soll der besondere Steuersatz erhalten bleiben.
Neues Regelungssystem ist nicht nur vorteilhaft
Das geplante System hat abseits des möglicherweise günstigen Steuersatzes jedoch auch Nachteile. So können, vergleichbar mit den deutschen Regelungen, bei Anwendung des besonderen Steuersatzes auf Kryptowährungen Werbungskosten nicht abgezogen werden. Insofern bleibt es dem Steuerpflichtigen verwehrt, seine (aufgrund des hohen Dokumentationsaufwands) notwendigen Steuerberaterkosten in Abzug zu bringen. Durch die Anwendung des Besteuerungsregimes der Kapitaleinkünfte soll zukünftig auch die Steuerfreiheit nach Ablauf der Spekulationsfrist entfallen. Gerade für Hodler von etablierten Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum dürfte die Spekulationsfrist bei langfristigen Investitionen attraktiver sein. Eine Verlustverrechnung ist innerhalb der gesamten Einkunftsart grundsätzlich in einem Veranlagungszeitraum möglich, auch mit anderen Kapitaleinkünften, auf die der besondere Steuersatz Anwendung findet. Explizit für Kryptowährungen ausgeschlossen wird lediglich die Verrechnung mit Zinserträgen aus Geldeinlagen und sonstigen Geldforderungen bei Kreditinstituten sowie mit Zuwendungen von bestimmten Stiftungen oder vergleichbaren sonstigen Vermögensmassen. Dies gilt selbst dann, wenn von der Regelbesteuerungsoption Gebrauch gemacht wird. Bei entsprechender Anwendung in Deutschland wäre ein Verlustrücktrag auf vorangegangene Veranlagungszeiträume unter dem Kapitaleinkünfteregime (derzeit) ausgeschlossen.
Auch in Deutschland könnte der Gesetzgeber aktiv werden
Der Ministerialentwurf ist progressiv und wird in der Krypto-Szene vielfach auch für Deutschland gefordert. Der Koalitionsvertrag lässt eine steuerliche Neukonzeption für Kryptowerte jedoch nicht erwarten. Im Hinblick auf Kryptowerte beschränkt sich der Koalitionsvertrag auf aufsichts- und geldwäscherechtliche Themen (Grundbuch in Blockchain umsetzen; Verhinderung des Missbrauchs von Kryptowerten für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung; gemeinsame europäische Aufsicht; Identifikation der wirtschaftlich Berechtigten durch Kryptoassetdienstleister).
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatten zwar in ihrem Wahlprogramm gefordert, die Steuerfreiheit für Veräußerungsgewinne durch den Handel mit Kryptowerten abzuschaffen. Wie dies realisiert werden sollte, blieb jedoch offen. Die Freie Demokratische Partei beabsichtigte Kryptowährungen dagegen als alternatives Zahlungsmittel neben Bargeld zu fördern. Konkrete Maßnahmen wurden jedoch auch dort nicht angekündigt.
Während Österreich beabsichtigt, das Kapitaleinkünfteregime anzuwenden, besteuert die deutsche Finanzverwaltung derzeit anhand von Regelungen, die ursprünglich selbstredend nicht für die Besteuerung von Kryptowerten vorgesehen waren. Das Besteuerungsregime der Kapitaleinkünfte mit seinen Vorzügen bei der Erhebung von Kapitalertragsteuer an der Quelle besteht in Deutschland ebenso, sodass eine Adaption der österreichischen Konzeption denkbar wäre. Mit der Anwendung des Besteuerungsregimes des Kapitalvermögens hätte Deutschland u.a. die Möglichkeit, sich der derzeit brennenden Diskussion um die Anwendung der Zehnjahresfrist für Kryptowerte, aus deren Nutzung als Einkunftsquelle zumindest in einem Kalenderjahr Einkünfte erzielt werden, zu entledigen. Systematische Bedenken insoweit bestehen jedoch auch bei vielen Steuerrechtlern.
Es ist daher aktuell eher davon auszugehen, dass es kurz- bis mittelfristig keine Gesetzesänderung in Deutschland betreffend die Besteuerung von Kryptoassets geben wird. Weiter mit Spannung erwartet wird daher die finale Fassung des BMF-Schreibens. Mit dieser ist jedoch in 2021 wohl nicht mehr zu rechnen. Die Besteuerungssituation für Einkünfte aus Kryptoassets in Deutschland bleibt daher in vielen Situationen komplex und undurchsichtig sowie ungeklärt.
* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.