16. August 2019
Nachversteuerung thesaurierter Gewinne
Steuerrecht

Nachversteuerung thesaurierter Gewinne bei Übertragung auf eine Stiftung?

BFH lehnt Nachversteuerung von thesaurierten Gewinnen bei unentgeltlicher Übertragung eines Kommanditanteils auf eine Stiftung ab – Rechtslage bis Juli 2017.

Bis zur Entscheidung des BFH vom 17. Januar 2019 (III R 49/17, BFH/NV 2019 S. 861) war unklar, ob bei der unentgeltlichen Übertragung eines Mitunternehmeranteils eine Steuerbelastung aus der Nachversteuerung von Gewinnen der Mitunternehmerschaft, für die in der Vergangenheit die Thesaurierungsbegünstigung des § 34a EStG in Anspruch genommen wurde, erfolgen muss. Der BFH hat dies nun mit Hinweis auf den für den Streitfall geltenden Wortlaut des § 34a EStG abgelehnt und auch für bis zum 5. Juli 2017 verwirklichte Sachverhalte Rechtsklarheit geschaffen.

Finanzamt verlangte Nachversteuerung nach Übertragung eines Mitunternehmeranteils auf eine Stiftung

Der Kläger war Kommanditist der A-GmbH & Co. KG („A-KG″) sowie Alleingesellschafter der Komplementär GmbH. Für nicht entnommene Gewinne der A-KG nahm A die Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG in Anspruch. Im Jahr 2012 übertrug der Kläger seine Beteiligung unentgeltlich im Rahmen der Errichtung auf eine Stiftung. Das Finanzamt war der Auffassung, dass im Zuge der Übertragung die bisher thesaurierten Gewinne, für die die Tarifermäßigung gewährt wurde, einer Nachversteuerung von 25% zuzuführen seien – analog zum Fall der Einbringung des Mitunternehmeranteils in eine Kapitalgesellschaft.

Der BFH und bereits zuvor das Finanzgericht (FG Münster vom 27. Januar 2017 – 4 K 56/16 F) lehnten dies mangels gesetzlicher Regelung ab. Zudem habe die Stiftung aufgrund der Rechtsnachfolge bei unentgeltlicher Übertragung den nachversteuerungspflichtigen Betrag fortzuführen.

Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG

Nach § 34a EStG kann ein Einzelunternehmer oder der Mitunternehmer einer Personengesellschaft nicht entnommene Gewinne tarifbegünstigt mit einer Steuerbelastung von 28,5% besteuern. Für die tarifbegünstigt besteuerten Gewinne wird jährlich ein sog. nachversteuerungspflichtiger Betrag festgestellt (§ 34a Abs. 3 EStG). Für die zunächst begünstigt besteuerten Gewinne ist im Falle einer Entnahme (§ 34a Abs. 4 EStG) oder beim Eintritt eines sog. Nachsteuerereignisses (§ 34a Abs. 6 EStG) eine Nachbesteuerung von 25% vorzunehmen

Nachversteuerung der begünstigt besteuerten Beträge

Die Nachsteuerereignisse sind in § 34a Abs. 6 Satz 1 EStG abschließend aufgezählt. Nach der für den Streitfall geltenden Rechtslage gehörten hierzu u.a. die Betriebsveräußerung oder -aufgabe (Nr. 1) oder die

Einbringung eines Betriebs oder Mitunternehmeranteils in eine Kapitalgesellschaft oder eine Genossenschaft sowie in den Fällen des Formwechsels einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft. (Nr. 2)

Zudem ist eine Nachversteuerung auf Antrag möglich (Nr. 4).

BFH: Keine Nachversteuerung bei Übergang des Betriebsvermögens auf eine Stiftung

In der Literatur wurde die Frage, ob die unentgeltliche Einbringung eines Mitunternehmeranteils in eine Stiftung eine Nachversteuerung der bisher begünstigt besteuerten Gewinne auslöst, nicht einheitlich beantwortet. Eine Übertragung auf eine Stiftung war deshalb im Falle hoher nachversteuerungspflichtiger Beträge mit großer Unsicherheit behaftet und wurde aufgrund des Risikos hoher Steuerbelastungen häufig nicht durchgeführt.

Im Streitfall vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die Einbringung der Mitunternehmeranteile in eine Stiftung analog zur Einbringung in eine Kapitalgesellschaft zu behandeln sei. Da es zu einem Wechsel des Besteuerungssystems von der Einkommensteuer zur Körperschaftsteuer komme, sei eine Weiterführung des nachversteuerungspflichtigen Betrags nicht möglich und damit eine Nachversteuerung analog § 34a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 EStG vorzunehmen.

Der BFH und das Finanzgericht gingen davon aus, dass eine planwidrige Gesetzeslücke nicht bestand. Der Wortlaut der Nachversteuerungsvorschrift sei vielmehr abschließend. Da der Übergang des Betriebsvermögens auf eine Stiftung nicht genannt sei, komme eine Nachversteuerung nicht in Betracht. Die Regelung zur Einbringung in eine Kapitalgesellschaft sei nicht vergleichbar, da anders als bei der Einbringung in eine Kapitalgesellschaft bei der Einbringung in eine Stiftung keine Gegenleistung gewährt werde. Auch eine Betriebsaufgabe oder -veräußerung sei im Falle einer unentgeltlichen Übertragung eines Mitunternehmeranteils, welche unter § 6 Abs. 3 EStG falle, nicht gegeben.

Gesetzesänderung des § 34a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 EStG

Die für die Praxis zu begrüßende Entscheidung des BFH ist leider für die aktuelle und zukünftige Gestaltungsberatung nicht mehr relevant. Denn inzwischen regelt § 34a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 EStG, dass eine Nachversteuerung vorzunehmen ist

in Fällen der unentgeltlichen Übertragung eines Betriebs oder Mitunternehmeranteils nach § 6 Abs. 3 EStG, wenn die Übertragung an eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des § 1 Abs. 1 KStG erfolgt.

Damit erfasst der Wortlaut nun auch die Übertragung auf eine Stiftung. Die gesetzliche Neuregelung ist erstmals anwendbar für Übertragungen nach dem 5. Juli 2017.

Auswirkungen für die Praxis: Gesetzesänderung zur Thesaurierungsbegünstigung des § 34a EStG beachten

Zwar ist das Urteil für in der Vergangenheit umgesetzte Fälle zu begrüßen. So können anhängige Verfahren aufgrund des Urteils zugunsten der Steuerpflichtigen abgeschlossen werden.

Für zukünftige Gestaltungen ist jedoch die Gesetzesänderung zu beachten. Sollen Mitunternehmeranteile unentgeltlich auf eine Stiftung übertragen werden, ist zu prüfen, ob der übertragende Mitunternehmer in der Vergangenheit die Thesaurierungsbegünstigung des § 34a EStG für nicht entnommene Gewinne in Anspruch genommen hat. Auch wenn die Übertragung als solche unentgeltlich erfolgt und diese Übertragung aufgrund Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG grundsätzlich steuerneutral möglich ist, muss eine Steuerbelastung aufgrund der Nachversteuerung des § 34a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 EStG in die Planung der Steuerfolgen einbezogen werden.

Schenkungssteuerrelevanz der Übertragung auf die Stiftung

Neben den Ertragssteuerfolgen sind auch die Folgen bei der Schenkungsteuer zu beachten. Denn die unentgeltliche Übertragung von Vermögen auf eine Stiftung stellt eine Schenkung dar, die der Schenkungsteuer unterliegt. Im Fall der Übertragung eines Mitunternehmeranteils an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft sind regelmäßig die erbschaftsteuerlichen Begünstigungen für Betriebsvermögen anwendbar (§§ 13a, 13b ErbStG). Allerdings ist diesbezüglich seit der Erbschaftsteuerreform 2016 eine genaue Prüfung unter Berücksichtigung der Zusammensetzung des Vermögens der Gesellschaft erforderlich.

Exkurs: Keine Steuerneutralität nach § 6 Abs. 3 EStG bei Übertragung eines Teilmitunternehmeranteils

Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die Übertragung des Teils eines Mitunternehmeranteils auf eine Stiftung bereits nicht steuerneutral nach § 6 Abs. 3 EStG möglich wäre, sondern diese Übertragung zu einer Betriebsaufgabe hinsichtlich des übertragenen Teilmitunternehmeranteils führt – mit der Folge der Aufdeckung der stillen Reserven im Mitunternehmeranteil. Im Hinblick auf die Nachversteuerung des § 34a EStG ist in diesem Fall damit bereits der Nachversteuerungstatbestand des § 34a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 EStG erfüllt.

Exkurs: Übertragung eines Mitunternehmeranteils an einer gewerblich geprägten Personengesellschaft auf eine gemeinnützige Stiftung

Die unentgeltliche Übertragung eines ganzen Mitunternehmeranteils auf eine Stiftung ist grundsätzlich nach § 6 Abs. 3 EStG steuerneutral möglich. Allerdings gilt dies nur,

sofern die Besteuerung der stillen Reserven [beim Übernehmer] sichergestellt ist

(§ 6 Abs. 3 Satz 1 EStG). Nach dem Urteil des BFH vom 25. Mai 2011 (I R 60/10, BStBl. II 2011 S. 858) stellt die Beteiligung einer gemeinnützigen Körperschaft an einer gewerblich geprägten vermögensverwaltenden (also nicht gewerblich tätigen) Personengesellschaft keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb dar (entsprechend BFH vom 18. Februar 2016, V R 60/13, BStBl. II 2017 S. 251; AEAO zu § 64 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3). Damit erzielt die gemeinnützige Körperschaft aus der Beteiligung keine gewerblichen Einkünfte und damit keine steuerpflichtigen Einkünfte, so dass die Anwendung des § 6 Abs. 3 EStG (mangels Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven) ausgeschlossen ist.

Die Übertragung führt deshalb beim Übertragenden zur Aufdeckung der stillen Reserven aufgrund Aufgabe des Mitunternehmeranteils. Zwar kann die Entnahme bei der Übertragung auf eine gemeinnützige Körperschaft nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 EStG grundsätzlich zu Buchwerten erfolgen (sog. Buchwertprivileg), jedoch soll dies nach Auffassung der Finanzverwaltung dann nicht möglich sein, wenn zu dem Mitunternehmeranteil auch Verbindlichkeiten gehören, was regelmäßig der Fall sein wird. Denn die Übernahme der Verbindlichkeiten ist als Entgelt anzusehen, so dass keine unentgeltliche Übertragung von einzelnen Wirtschaftsgütern mehr gegeben ist und die in dem Mitunternehmeranteil verhafteten stillen Reserven zwingend aufzudecken sind (OFD Frankfurt vom 27. Juli 2016; FinMin Schleswig-Holstein vom 9. Juni 2016).

Dies weicht von der früheren Auffassung der Finanzverwaltung ab und ist bei der Gestaltungsberatung zu beachten.

Tags: Nachversteuerung Stiftung thesaurierter Gewinn Übertragung