12. April 2022
Steuernachforderung Steuererstattung Verzinsung
Steuerrecht

Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen

Der Zinssatz für die Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen sinkt rückwirkend zum 1. Januar 2019 von bisher 6 % auf 1,8 % p.a.

Bereits mit Beschluss vom 8. Juli 2021 hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit der Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen festgestellt, soweit ab dem 1. Januar 2014 ein Zinssatz von 0,5 % p.M. zugrunde gelegt wird (BVerfG, Beschluss v. 8. Juli 2021 – 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17). Auch wenn der Gesetzgeber im Grundsatz verpflichtet ist, die verfassungskonforme Rechtslage für den gesamten von einer Unvereinbarkeitserklärung des BVerfG umfassten Zeitraum herzustellen, war die Fortgeltung der bisherigen Verzinsungsregelungen bis zum 31. Dezember 2018 aus Sicht des BVerfG zur Sicherstellung einer verlässlichen Finanz- und Haushaltsplanung geboten. Für die Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 wurde der Gesetzgeber jedoch verpflichtet, bis zum 31. Juli 2022 eine rückwirkende Neuregelung zu treffen, die das aktuelle Niedrigzinsniveau berücksichtigt.

Dieser Pflicht folgend hat das Bundeskabinett am 30. März 2022 den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung beschlossen. Der Bundesrat und der Bundestag sollen in Kürze über den Entwurf entscheiden.

Geplante Neuregelung der Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen

Für die Veranlagungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 wird der Zinssatz für die Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen rückwirkend auf 0,15 % p.M. bzw. 1,8 % p.a. gesenkt (§ 238 Abgabenordnung [AO]). 

Sofern für eine Nachforderung oder Erstattung unterschiedliche Zinssätze maßgeblich werden, weil der zu verzinsende Vorgang vor 2019 liegt, ist der Zinslauf in sog. Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen. Für eine Steuernachforderung können somit sowohl der alte als auch der neue Zinssatz zur Anwendung kommen. In diesem Fall werden die Zinsen tageweise nach der 30/360-Zinsberechnungsmethode berechnet. 

Turnusmäßige Überprüfung der Angemessenheit des Zinssatzes

Der Entwurf sieht außerdem vor, dass die Angemessenheit des nunmehr vorgeschlagenen Zinssatzes wenigstens alle drei Jahre, spätestens aber zum 1. Januar 2026, evaluiert und ggf. angepasst wird.

Weitere Änderungen: Zukünftig zweijährige Festsetzungsfrist und gesetzliche Normierung des Billigkeitserlasses von Nachzahlungszinsen bei freiwilligen Zahlungen

Die Praxis habe gezeigt, dass die bisher geltende einjährige Festsetzungsfrist für Zinsen nicht immer ausreichend sei. Der Entwurf sieht daher zukünftig eine zweijährige Festsetzungsfrist vor.

Der bislang lediglich in den Verwaltungsvorschriften stehende Billigkeitserlass von Nachzahlungszinsen bei freiwilligen Zahlungen vor einer wirksamen Steuerfestsetzung (oft im Zusammenhang mit einer „technischen Stundung“) soll nun gesetzlich normiert werden. Um einen Missbrauch der Finanzbehörden oder Gemeinden als „Sparkassen“ zu vermeiden, wird den Finanzbehörden und Gemeinden Ermessen eingeräumt, ob sie eine freiwillige Zahlung des Steuerpflichtigen* annehmen wollen.

Mit diesen Änderungen verspricht sich der Gesetzgeber eine Rechts- und Planungssicherheit für alle Beteiligten.

Andere Verzinsungstatbestände

Für Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen gilt die Entscheidung des BVerfG ausdrücklich nicht. Gleichwohl hat sich der Gesetzgeber bereits mit einer Reformierung der gesamten Zinssätze beschäftigt, dies jedoch aufgrund der vom BVerfG gesetzten Frist zur Rechtsänderung von der Herabsetzung der Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen entkoppelt. Eine Positionierung des Gesetzgebers zu den anderen Verzinsungstatbeständen der AO bleibt daher noch abzuwarten.

Herabsetzung des Zinssatzes führt zu höherem Maß an Gleichmäßigkeit und Rechtmäßigkeit der Besteuerung

Die Attraktivität für Steuerpflichtige, Gelder bei den Finanzbehörden „zu parken“, sinkt durch die Anpassung an das aktuelle Niedrigzinsniveau erheblich, zumal erstattete Zinsen der Abgeltungsteuer unterliegen und nach Steuern nur noch rund 1,3 % betragen. 

Andererseits werden die Liquiditätsvorteile beim Steuerpflichtigen aufgrund einer zu späten Zahlung durch die angepasste Verzinsung nunmehr nicht mehr überkompensiert, sodass im Ergebnis ein höheres Maß an Gleichmäßigkeit und Rechtmäßigkeit der Besteuerung erreicht wird. Wer „bewusst“ verspätet zahlt, läuft unverändert Gefahr, mit dem Verspätungszuschlag von 1 % p.M. (12 % p.a.) belastet zu werden. Eine bewusst verspätete Abgabe von Steuererklärungen lohnt sich ebenfalls nicht, denn abgesehen von strafrechtlichen Konsequenzen kann dies zu Hinterziehungszinsen von unverändert 0,5 % p.M. führen, die zudem deutlich früher als der reduzierte Nachforderungszins nach § 233a AO (also schon innerhalb von grds. 15 Monaten nach dem Steuerentstehungszeitpunkt) angesetzt werden können. 

Die Nachforderungszinsen sind beim Betroffenen – wie bisher auch – steuerlich unverändert nicht abzugsfähig, sodass die effektive Verzinsung nach Steuern über 1,8 % (je nach persönlichem Steuersatz also bei bis zu 3,45 %) p.a. liegt. Der angepasste Zins verleitet umgekehrt die Finanzbehörden nicht dazu, Veranlagungen unnötig liegen zu lassen, um Zinseinkünfte für den Fiskus zu generieren.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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