Durch Geschäftsordnungen (Bylaws oder Rules of Procedure) wird die interne Zuständigkeitsverteilung in der Gesellschaft geregelt. Wir erklären, was es dabei zu beachten gilt.
Im Rahmen von Finanzierungsrunden werden oft auch Geschäftsordnungen (Bylaws oder Rules of Procedure) neu abgeschlossen oder an die Beteiligung angepasst. Geschäftsordnungen sind zusätzliche Gesellschaftsdokumente, die neben die Beteiligungs- und Gesellschaftervereinbarung (Investment and Shareholders‘ Agreement) und den Gesellschaftsvertrag (Satzung) treten. Sie enthalten Vorschriften, die das Verhältnis der Organe der GmbH untereinander regeln und sind für alle Gesellschaftsorgane verbindlich. Eine Geschäftsordnung kann sowohl für die Geschäftsführung (Bylaws/Rules of procedure for the management board) als auch für einen (möglicherweise) bestehenden Beirat (Bylaws/Rules of procedure for the advisory board) erlassen werden.
Abgrenzung von Kompetenzen, Regelungen zu Verfahren und Form von Beschlüssen
Die Geschäftsordnungen regeln die Kompetenzabgrenzung (Corporate Governance) zwischen Geschäftsführung, Gesellschafterversammlung und ggf. dem Beirat und enthalten detaillierte Vorgaben für das Verfahren und die Form von Beschlussfassungen der verschiedenen Organe. Obwohl der Gesellschaftsvertrag das grundsätzliche Verhältnis der GmbH-Organe zueinander festlegt, werden oft zusätzliche Regelungen benötigt, die Verfahrens- und Formfragen ausreichend detailliert behandeln. Dazu gehört beispielsweise, zu welchen Geschäften die Geschäftsführung die Zustimmung anderer Organe benötigt oder wie Beiratssitzungen einzuberufen, abzuhalten und gefasste Beschlüsse festzuhalten sind.
Verhältnis zum Gesellschaftsvertrag
Der Gesellschaftsvertrag ist gegenüber den Geschäftsordnungen immer vorrangig. Die Geschäftsordnungen ergänzen nur die im Gesellschaftsvertrag enthaltenen Regelungen und müssen daher mit diesen abgestimmt werden. Außerdem muss darauf geachtet werden, dass die Bestimmungen in den Geschäftsordnungen nicht gegen zwingende gesetzliche Vorschriften (insbesondere aus dem GmbHG) verstoßen.
Keine Registerpublizität
Die Auslagerung von Verfahrens- und Formfragen in Geschäftsordnungen hat den Vorteil, dass diese keiner Veröffentlichungspflicht unterliegen und somit interne Abläufe und Kompetenzgefüge nicht nach außen dringen. Soweit Verfahrens- und Formfragen also nicht zwingend Bestandteil des Gesellschaftsvertrags sein müssen, können sie daher in Geschäftsordnungen ausgelagert werden.
Flexibilität
Für den Erlass von Geschäftsordnungen ist grundsätzlich die Gesellschafterversammlung zuständig, der Erlass der Geschäftsordnung der Geschäftsführung wird regelmäßig auch auf den Beirat übertragen. Zur Neufassung oder Änderung von (schriftlichen) Geschäftsordnungen ist im Gegensatz zum Gesellschaftsvertrag kein notariell beurkundeter Gesellschafterbeschluss erforderlich. Da die Geschäftsordnungen in der Regel schriftlich abgeschlossen werden, bedarf auch ihre Änderung oder Neufassung nur der Schriftform, wodurch ein hohes Maß an Flexibilität gewahrt wird. Voraussetzung für eine Neufassung oder Änderung ist jedoch, dass die Gesellschafterversammlung bzw. der Beirat sich mit der dafür vorgesehenen Mehrheit darauf verständigen können.
Typische Inhalte einer Geschäftsordnung für die Geschäftsführung
Die Geschäftsordnung für die Geschäftsführung steht neben den jeweiligen Geschäftsführer-Dienstverträgen und regelt insbesondere die nachfolgenden Zuständigkeitsfragen auf Gesellschaftsebene:
– Geschäftsverteilungsplan
Hat die Gesellschaft mehr als einen Geschäftsführer, empfiehlt es sich häufig, auch eine genaue Verteilung der Zuständigkeiten der einzelnen Geschäftsführer in der Geschäftsordnung zu regeln, indem bestimmte Aufgabenbereiche nur einem Geschäftsführer zugewiesen werden (sog. Ressortverteilung). Dabei muss jedoch beachtet werden, dass trotz einer solchen Geschäftsverteilung die Geschäftsführer gemeinsam die Gesamtverantwortung für die Leitung des Unternehmens tragen und zur Zusammenarbeit verpflichtet sind.
– Zustimmungskataloge
Vorbehaltlich bindender Weisungen der Gesellschafter ist die Geschäftsführung einer GmbH grundsätzlich befugt, alle Geschäftsführungsmaßnahmen eigenverantwortlich vorzunehmen. Die Vornahme bestimmter Geschäfte kann aber in der Geschäftsordnung von der Zustimmung der Gesellschafterversammlung (oder ggf. des Beirats) abhängig gemacht werden. Dazu werden im Rahmen der Geschäftsordnung diejenigen Geschäftsführungsmaßnahmen in einem Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte bezeichnet, die der Zustimmung der Gesellschafterversammlung oder des Beirats bedürfen. Üblicherweise werden dort insbesondere Geschäfte und Geschäftsführungsmaßnahmen erfasst, die über den normalen Geschäftsbetrieb hinausgehen. Hierzu zählen beispielsweise der Verkauf und die Übertragung von Grundeigentum oder eines Betriebsteils, der Erwerb und die Veräußerung von Unternehmen sowie die Begründung von Verpflichtungen, die einen bestimmten Schwellenwert übersteigen.
Durch den Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte wird sichergestellt, dass die Gesellschafter (und damit auch die Investoren) stets in wesentliche Entscheidungen auf Gesellschaftsebene eingebunden werden und Einfluss auf die Unternehmensführung nehmen können. Für einen besonderen Schutz der Investoren können zusätzlich noch bestimmte Mehrheitserfordernisse für die notwendige Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung bzw. des Beirats aufgenommen werden.
– Informations- und Berichtspflichten (Reporting)
Außerdem werden in der Geschäftsordnung regelmäßig bestimmte Informationsrechte und Berichtspflichten vereinbart. Die Gesellschafter haben dadurch verbindliche Ansprüche gegen die Geschäftsführung auf regelmäßige Berichterstattung (Reporting) zum Status-Quo und zur Unternehmensplanung. Dadurch verfügen die Gesellschafter (und Investoren) immer über aktuelle Informationen und können so ihr Weisungsrecht und andere Einflussnahmemöglichkeiten zielgerichtet ausüben. Außerdem bekommen sie einen besseren Überblick, ob sich ihr Investment positiv entwickelt oder nicht.
Typische Inhalte einer Geschäftsordnung für den Beirat
Die Hauptaufgabe des Beirats als aufsichtsratsähnliches Gremium liegt in der Überwachung der Geschäftsführung, weshalb dieser häufig von Investorenseite gewünscht ist. Im Rahmen des Gesellschaftsvertrags wird dann geregelt, inwiefern die in § 52 Abs. 1 GmbHG genannten Regelungen aus dem Aktiengesetz auf den Beirat Anwendung finden sollen. Die Geschäftsordnung für den Beirat beinhaltet neben den einzelnen Kompetenzen des Beirats auch regelmäßig die folgenden Regelungen:
– Sitzungen und Beschlussfassung
Regelungen zum Verfahren und der Form von Beschlussfassungen des Beirats werden oft in einer eigenständigen Geschäftsordnung geregelt, um den Gesellschaftsvertrag nicht zu überfrachten. Daher finden sich in Geschäftsordnungen für den Beirat häufig Vorschriften zu den folgenden Themen: die Anzahl der Beiratsmitglieder und von wem diese entsandt werden, das Amt des Beiratsvorsitzenden und wie er gewählt wird, die Verteilung der Stimmrechte, Sitzungen des Beirats (Ort und Häufigkeit) sowie Beschlussfassung des Beirats (Art der Beschlussfassung, Beschlussfähigkeit, Mehrheitserfordernisse und Dokumentation von Beschlüssen).
– Verschwiegenheitspflicht
Klauseln zur Anordnung einer Verschwiegenheitspflicht dienen dazu, sicherzustellen, dass die Beiratsmitglieder die im Rahmen ihrer Tätigkeit erhaltenen Gesellschaftsinformationen vertraulich behandeln und nicht an außenstehende Personen weitergeben.
– Teilnahmerecht außenstehender Personen (observer)
Im Rahmen von Finanzierungsrunden ist es nicht unüblich, dass bestimmte Investoren oder Investorengruppen anstelle eines (vollwertigen) Beiratssitzes lediglich das Recht bekommen, einen Vertreter als Beobachter in den Beirat zu entsenden. Diese Personen dürfen dann zwar in Sitzungen des Beirats anwesend sein, sich aber nicht an den Abstimmungen beteiligen (non-voting observer). Es empfiehlt sich, hier die Verschwiegenheitspflicht im Rahmen der Geschäftsordnung für den Beirat auch auf diese Personen zu erstrecken.
Bylaws im Rahmen von Finanzierungsrunden
Die Neuerrichtung oder Änderung von Geschäftsordnungen ist häufig Bestandteil von Finanzierungsrunden (insbesondere von Seed-Runden und Early Stage-Runden). Der Grund dafür ist, dass sich die neuen Investoren eine geeignete Einflussnahme auf das Start-up sichern wollen, um eine gewisse Kontrolle über ihre investierten Mittel zu behalten. Dabei muss aber auch sichergestellt werden, dass die Geschäftsführung im operativen Geschäft nicht zu stark eingeschränkt wird und notwendige Handlungsspielräume verbleiben. Die Kompetenzen der Gesellschaftsorgane sollten in der/den Geschäftsordnung(en) sauber getrennt und genau mit dem Gesellschaftsvertrag der GmbH abgestimmt werden. Nur so kann ein gut funktionierendes Zusammenspiel aller Organe der Gesellschaft erreicht werden. Denn: Je klarer die Regelungen in Geschäftsordnung und Gesellschaftsvertrag gefasst sind, desto weniger Konfliktpotential ist gegeben.
Dies ist ein Beitrag aus unserer Blogserie „Venture Capital Basics“. Auch die verschiedenen Arten von Venture Capital Investoren sowie das Corporate Venture Capital haben wir bereits beleuchtet. Weitere Beiträge, wie Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Venture Capital & Private Equity, Finanzierungsarten für Start-ups und den Finanzierungsrunden sind gefolgt.