Ein Start-up benötigt Geld, um zu wachsen. So einfach, so einleuchtend. Doch Achtung! Finanzierungsarten unterscheiden sich stark voneinander.
Wer sich an einem Unternehmen als Gesellschafter beteiligt, also „Eigenkapital“ zur Verfügung stellt, hat andere Rechte und Pflichten als ein Darlehensgeber, dessen Finanzierungsbeitrag man als „Fremdkapital“ bezeichnet. Zwischen diesen beiden Finanzierungsarten existieren auch noch Mischformen, die man im Fachjargon als „mezzanine“ Finanzierungsformen bezeichnet.
Im Wesentlichen kommt für junge Start-ups nur die Eigenkapitalfinanzierung in Betracht, vom Sonderfall des Wandeldarlehens mit Rangrücktritt und ggf. anderer mezzaniner Finanzierungsarten einmal abgesehen. Erst reifere Start-ups haben auch Zugang zur klassischen Fremdkapitalfinanzierung. Dies erschließt sich, wenn man sich die Charakteristika der verschiedenen Finanzierungsarten genau anschaut.
Eigenkapitalfinanzierung: Ins Risiko gehen für eigene Gewinn- und Stimmrechte
Wer sich als Gesellschafter an einem Unternehmen beteiligt, also beispielsweise Gesellschafter einer GmbH wird, ist damit automatisch sog. „Eigenkapitalgeber“. Für seine – meistens in Geld – geleisteten Einlagen erhält er Geschäftsanteile.
Diese Geschäftsanteile berechtigten den Gesellschafter dazu, auf die Geschäftsführung des Unternehmens Einfluss zu nehmen und Ausschüttungen in Geld zu erhalten, wenn das Unternehmen Gewinne erwirtschaftet. Typischerweise ist die Höhe des Einfluss- und Gewinnanteils an das Verhältnis der Geschäftsanteile zum gesamten Stammkapital der Gesellschaft gekoppelt:
- Hält der Gesellschafter 50% der Geschäftsanteile, hat er die Hälfte der Stimmen in der Gesellschafterversammlung und bekommt die Hälfte des ausgeschütteten Gewinns;
- Hält er 10% der Geschäftsanteile, hat er 10% der Stimmen in der Gesellschafterversammlung und bekommt 10% des ausgeschütteten Gewinns;
- etc.
Gewinn- und Stimmrechte können allerdings – insbesondere bei Start-ups – zugunsten von Investoren abweichend geregelt sein.
Neben der Gewinnbeteiligung profitiert der Gesellschafter zusätzlich von einem Erfolg des Unternehmens, weil sich der Marktwert seiner Geschäftsanteile häufig über den Wert der geleisteten Einlagen hinaus erhöht. Denn der Geschäftsanteil garantiert eine dauerhafte Beteiligung an den Gewinnen der Gesellschaft und eröffnet damit eine zeitlich unbegrenzte Renditechance (abgesehen von der Möglichkeit des Unternehmensendes durch Insolvenz oder Liquidation).
Hat sich der Erfolg eines Unternehmens also bereits in Gewinnen oder zumindest in signifikanten Umsätzen niedergeschlagen, steigern die damit verknüpften Erwartungen zukünftiger Renditen bereits jetzt den Marktwert der Geschäftsanteile. Mit dieser Erwartung hoher zukünftiger Renditen lassen sich z.B. auch die Milliardenbewertungen bestimmter Start-ups erklären, die bislang vorwiegend Verluste eingefahren haben (sog. „Einhörner″ – Englisch: „unicorns″).
Die Kehrseite der unbegrenzten Renditechance einer Eigenkapitalbeteiligung ist die Tatsache, dass die Eigenkapitalfinanzierung die Finanzierungsart mit dem höchsten Verlustrisiko ist. Denn erwirtschaftet ein Unternehmen Verluste anstelle von Gewinnen, gehen diese rechnerisch zulasten des Eigenkapitals, nicht des Fremdkapitals. Die Verbindlichkeiten des Unternehmens gegenüber Fremdkapitalgebern müssen dagegen grundsätzlich immer von Vermögenswerten des Unternehmens gedeckt sein, sonst ist das Unternehmen überschuldet und muss – im Regelfall – Insolvenz anmelden. Kurz und knapp: der Fremdkapitalgeber hat rechtlich Vorrang vor dem Eigenkapitalgeber.
Fremdkapitalfinanzierung: Bessere Absicherung des Kapitalgebers bei weniger Renditechancen
Als „Fremdkapital″ wird in Abgrenzung zum Eigenkapital im Grundsatz jede andere Finanzierungsform eines Unternehmens bezeichnet. Den Grundfall des Fremdkapitals bildet das zinstragende Darlehen, das einem Unternehmen z.B. von einer Bank gewährt wird.
Aber auch sonstige Leistungen, die ein Unternehmen von einem Nicht-Gesellschafter erhält und die es nicht umgehend bezahlt, sind grundsätzlich als Fremdkapital einzustufen. Der Lieferant, der in Vorleistung geht und dem belieferten Unternehmen für seine Forderung ein Zahlungsziel einräumt, gewährt dadurch einen Lieferantenkredit (auch „Warenkredit″) und ist damit Fremdkapitalgeber. Stundet ein Geschäftsführer seine Gehaltsforderungen gegen das Unternehmen, ist die entsprechende Verbindlichkeit des Unternehmens ebenfalls als Fremdkapital einzuordnen. Sogar ein Gesellschafter hat die Möglichkeit, seinem Unternehmen neben dem erwähnten Eigenkapital auch Fremdkapital in Form eines sog. „Gesellschafterdarlehens″ zur Verfügung zu stellen, wenngleich dieses spezielle „Gesellschafter-Fremdkapital″ unter Umständen insolvenzrechtlich nachrangig gestellt sein kann und dann eher in die Kategorie Mezzanine-Kapital fällt.
Die bereits erwähnte höhere rechtliche Absicherung des Fremdkapitals gegenüber dem Eigenkapital wird von Fremdkapitalgebern häufig noch dadurch verbessert, dass sie die Bestellung von Sicherheiten durch das Unternehmen zur Voraussetzung der Fremdkapitalfinanzierung machen. Diese Sicherheiten können z.B. Pfandrechte an Immobilien oder Patenten sein; auch der Eigentumsvorbehalt des Warenlieferanten ist eine solche Sicherheit. Kommt es zur Insolvenz des Unternehmens, kann der Fremdkapitalgeber seine Ansprüche dann aus den Sicherheiten befriedigen, selbst wenn andere Fremdkapitalgeber nur eine geringe Insolvenzquote erhalten und die Eigenkapitalgeber leer ausgehen.
Der Aspekt der Sicherheit des Fremdkapitalgebers ist schließlich auch dadurch gewahrt, dass die Gewährung von Fremdkapital an das Unternehmen im Regelfall durch einen festen, gewinnunabhängigen Zinssatz vergütet wird. Selbst der Vergütungsanspruch des Fremdkapitalgebers gegen das Unternehmen ist damit grundsätzlich vom Erfolg des Unternehmens unabhängig; nur die Insolvenz des Unternehmens kann ihn beeinträchtigen.
Die Kehrseite der besseren Absicherung des Fremdkapitalgebers ist naturgemäß die im Vergleich zum Eigenkapitalgeber beschränkte Renditechance: Anders als ein Eigenkapitalgeber hat der Fremdkapitalgeber keinen Anspruch auf einen Gewinnanteil; auch eine Steigerung des Unternehmenswertes während der Dauer der Fremdkapitalgewährung ist für ihn irrelevant. Schließlich hat der Fremdkapitalgeber im Regelfall keinen direkten Einfluss auf die Geschäftsführung des Unternehmens. Er kann sich allenfalls ein Kündigungsrecht einräumen lassen, für den Fall, dass das Unternehmen vereinbarte Geschäftsführungsmaßnahmen unterlässt oder vertragswidrige Geschäfte betreibt.
Mezzanine-Kapital-Finanzierung: Mischform von Eigen- und Fremdkapital
Mischformen der Finanzierungsarten „Eigenkapital″ und „Fremdkapital″ existieren als sog. „mezzanine″ Finanzierungsarten (aus dem Italienischen: „mezzanine″ = Zwischengeschoss). Sie sind teilweise gesetzlich geregelt, teilweise aber auch von der Vertragspraxis entsprechend den Bedürfnissen der Marktteilnehmer entwickelt worden. Die mezzaninen Finanzierungsarten kombinieren Elemente des Eigenkapitals und des Fremdkapitals. Beispiele sind etwa Genussrechte, stille Beteiligungen, partiarische Darlehen sowie Wandeldarlehen mit Rangrücktritt.
Grob zusammengefasst ist den Spielarten der Mezzanine-Kapital-Finanzierung gemeinsam, dass sie nicht das Absicherungsniveau genießen, wie es dem gewöhnlichen Fremdkapital zukommt. Das Mezzanine-Kapital ist im Regelfall einer Form der „Nachrangigkeit″ unterworfen, die dazu führt, dass der Mezzanine-Kapitalgeber im Falle der Insolvenz des Unternehmens erst nach den Fremdkapitalgebern bedient wird (falls dann noch Insolvenzmasse übrig ist). Insofern gleicht das Mezzanine-Kapital dem Eigenkapital.
Wie dem Eigenkapitalgeber steht dem Mezzanine-Kapitalgeber als Risikoausgleich im Regelfall auch eine am Unternehmenserfolg orientierte Vergütung zu, häufig neben einer erfolgsunabhängigen Festvergütung. Zudem werden dem Mezzanine-Kapitalgeber mitunter dem Grad seines erhöhten Risikos entsprechende Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung des Unternehmens gewährt.
Anders als Eigenkapital wird Mezzanine-Kapital jedoch in der Regel nur befristet vergeben. Anstelle einer Rückzahlung des Mezzanine-Kapitals bei Laufzeitende kann auch die Möglichkeit einer Umwandlung in „echtes″ Eigenkapital vereinbart sein.
Welche Finanzierungsarten kommen für Start-ups in Frage?
Die Finanzierung von Start-ups durch Eigenkapital, d.h. durch Einlagen der Gesellschafter – seien es Gründer oder Investoren –, ist der Marktstandard. Dies ist durch das erhöhte Risikoprofil eines Start-up-Investments erklärbar, das die Durchführung einer klassischen Fremdkapitalfinanzierung verhindert: Ein Fremdkapitalgeber, wie z.B. eine Bank, wird sich auf das erhöhte Risiko einer Unternehmensgründung nicht ohne Sicherheiten einlassen. Sicherheiten wird das Start-up im Regelfall aber nicht stellen können.
Erst ein reiferes Start-up, das bereits genügend Umsätze generiert und über einen ausreichenden Fundus an Vermögensgegenständen verfügt, die als Sicherheiten geeignet sind (z.B. Patente), wird eine Fremdkapitalfinanzierung erlangen können, z.B. von einer auf „Venture Debt″ spezialisierten Bank oder Fondsgesellschaft.
Neben der Eigenkapitalfinanzierung gibt es allerdings zudem eine Finanzierungsart des Mezzanine-Kapitals, die im Start-up-Bereich als Zwischenfinanzierung ebenfalls sehr häufig vorkommt: Dies ist das Wandeldarlehen mit Rangrücktritt. Hierbei gibt der Mezzanine-Kapitalgeber als Darlehensgeber seine Sicherungsinteressen in weitem Maße durch den erwähnten Rangrücktritt auf. Dies entbindet das Start-up davon, dass die entsprechende Darlehensverbindlichkeit im insolvenzrechtlichen Überschuldungstatus berücksichtigt, also durch Aktiva gedeckt sein muss. Andererseits profitiert der Wandeldarlehensgeber von einem Recht, das Darlehen im Rahmen der nächsten Finanzierungsrunde oder spätestens zum Laufzeitende vergünstigt in Eigenkapital des Start-ups zu wandeln (sog. „Discount″). Letztlich handelt es sich bei dieser Finanzierungsart aber im Wesentlichen nur um eine Anlauf- bzw. Brückenfinanzierung bis zur nächsten Eigenkapitalfinanzierung.
Im Übrigen sind andere Finanzierungsarten der Mezzanine-Kapital-Finanzierung für junge Start-ups durchaus auch als dauerhafte Finanzierungsarten denkbar, beispielsweise die Finanzierung durch eine stille Beteiligung. Marktstandard sind sie jedoch bislang nicht geworden.
Insofern lässt sich die Eigenkapitalfinanzierung durchaus als „Königsweg″ der Start-up-Finanzierung beschreiben: Denn die Eigenkapitalfinanzierung kombiniert für den Kapitalgeber ein Maximum an Risiko mit einem Maximum an Renditechance – und trifft damit passgenau mit der Bezeichnung des Geschäftsfelds als „Venture Capital″ (deutsch: „Wagniskapital″) zusammen.
Dies ist ein Beitrag aus unserer Blogserie „Venture Capital Basics“. Auch die verschiedenen Arten von Venture Capital Investoren sowie das Corporate Venture Capital haben wir bereits beleuchtet. Weitere Beiträge, wie Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Venture Capital & Private Equity, Finanzierungsarten für Start-ups und den Finanzierungsrunden sind gefolgt.