Der Trade Sale ist neben dem IPO der klassische Weg eines Exits bei einem Venture-Capital-Unternehmen. Der Beitrag erläutert die wichtigsten Schritte.
Neben dem Börsengang des Unternehmens, durch den erstmals Unternehmensanteile für den Handel an einer Börse zugelassen werden (Initial Public Offering, kurz: IPO), stellt die Veräußerung des Unternehmens (Trade Sale) einen weiteren Weg für die Gründer* und/oder weitere Gesellschafter eines Venture-Capital-Unternehmens dar, ihre Gesellschafterstellung aufzugeben und deren Wert zu realisieren (Exit).
Trade Sale: Verkauf von Anteilen an strategische Investoren oder Finanzinvestoren
Abhängig von der Person des Käufers werden zwei Arten des Trade Sale unterschieden:
- Der Trade Sale i.e.S. bezeichnet eine Veräußerung des Unternehmens an einen strategischen Investor, der die Vermögenswerte (Assets) des Unternehmens nutzen möchte: z.B. dessen Geschäftsmodell, die Produkte oder Betriebsmittel wie IP-Rechte. Nicht selten ist dem strategischen Investor zudem daran gelegen, die Mitarbeiter des Unternehmens und deren Knowhow zu übernehmen. In der Regel beabsichtigt ein strategischer Investor keinen späteren Weiterverkauf des Unternehmens, sondern dessen Integration in die eigene Unternehmensgruppe.
- Der Trade Sale i.w.S. (auch Secondary Sale genannt) schließt auch eine Veräußerung des Unternehmens an einen Finanzinvestor ein, der – nach erfolgreicher Weiterentwicklung und weiterem Wachstum des Unternehmens – wiederum einen Exit plant.
Der Trade Sale ermöglicht den bestehenden Gesellschaftern, ihre Beteiligungen am Unternehmen zu verkaufen oder zu reduzieren. Der Verkauf schließt nicht aus, dass die Gründer des (einstigen) Start-ups weiterhin Management-Aufgaben wahrnehmen. Beim Verkauf an einen Finanzinvestor wird dies sogar regelmäßig Voraussetzung der Transaktion sein. Neben dem Zugang zu frischem Kapital, das der Investor dem Unternehmen für weiteres Wachstum i.d.R. zur Verfügung stellt, bietet die Aufnahme weiterer Gesellschafter – insbesondere bei einem strategischen Käufer – Zugriffsmöglichkeiten auf deren Vertriebsnetz, Knowhow und Kundenstamm.
Share Deal als typische Art eines Trade Sale
Ein Trade Sale kann sowohl als sog. Share Deal (Veräußerung der Anteile an dem Unternehmen) als auch als sog. Asset Deal (Veräußerung aller oder der wesentlichen Vermögenswerte des Unternehmens) erfolgen. In der Praxis häufiger anzutreffen ist der Share Deal. In beiden Fällen wird ein Unternehmenskaufvertrag (Share bzw. Asset Purchase Agreement) abgeschlossen.
Der Ablauf des Trade Sale gliedert sich typischerweise wie folgt:
- Vorbereitung: Festlegung der Verkaufsstrategie, Mandatierung von Rechtsberatern und ggf. Beauftragung eines M&A-Beraters;
- Dokumentation: ggf. Durchführung einer sog. Vendor Due Diligence (DD), um Risiken oder Schwachstellen im Unternehmen zu identifizieren und zu beseitigen, zudem Datenraumerstellung, ggf. Entwurf eines Verkaufsmemorandums, Financial Fact Book und/oder Legal Fact Book für die Kaufinteressenten;
- Kontaktaufnahme: Auswahl und Ansprache von Kaufinteressenten, Einholung indikativer Angebote;
- DD/Verhandlungen: Durchführung der DD (typischerweise Financial, Tax, Legal, Commercial und Technical DD) durch die Kaufinteressenten;
- Verhandlungen: i.d.R. parallel zur DD bereits Verhandlungen zum Unternehmenskaufvertrag;
- Signing/Closing: Abschluss und Durchführung des Unternehmenskaufvertrages.
Bei der Durchführung eines Trade Sale stoßen Gesellschafter wie Investoren auf einige Herausforderungen
Die Durchführung des Trade Sale ist nicht immer ein Spaziergang. Es können hierbei bspw. folgende Schwierigkeiten auftreten:
- Bei Technologie-Unternehmen ist es nicht selten, dass die Eigentumssituation bzgl. IP-Rechten nicht immer lupenrein nachvollziehbar ist. Daneben können für das Unternehmen wichtige Lizenzvereinbarungen sog. Change-of-Control-Rechte, d.h. außerordentliche Kündigungsrechte im Falle eines Gesellschafterwechsels, vorsehen. Beides kann die Durchführung eines Trade Sale be- oder sogar verhindern.
- Typische Probleme können zudem auftreten, wenn das Unternehmen zur Mitarbeiterbindung ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm aufgelegt hat, in dessen Rahmen Optionsrechte oder virtuelle Beteiligungen (Virtual Shares) eingeräumt wurden. Ein Verkaufsprozess kann dann verzögert werden, (i) wenn nicht mehr nachvollziehbar sein sollte, welchen Mitarbeitern Optionsrechte angeboten worden sind, (ii) wenn die betreffenden Mitarbeiter das Unternehmen zwischenzeitlich verlassen haben sollten und unklar oder nicht geregelt ist, wie sich dieser Umstand auf ihre Optionsrechte auswirkt, und/oder (iii) wenn nicht oder nur ungenügend geregelt sein sollte, wie sich ein Trade Sale auf das Mitarbeiterbeteiligungsprogramm und die darunter geregelten Rechte auswirkt.
- Sofern das Unternehmen öffentliche Förderungen erhalten haben sollte, ist zu prüfen, ob im Zuge dessen den öffentlichen Geldgebern besondere Mitwirkungs- oder gar Zustimmungsrechte für den Fall eines Exits eingeräumt wurden. Auch ist zu klären, ob es in Folge des Trade Sale zu Rückzahlungspflichten kommt.
- Ferner kann sich die Verteilung des Exiterlöses dann als schwierig erweisen, wenn die Gesellschafter hierzu im Rahmen sog. Gesellschafter- oder Pooling-Vereinbarungen unklare oder rechtlich nicht wirksame Regelungen getroffen haben sollten.
Geschuldet sind diese Schwierigkeiten oft dem Umstand, dass die Gesellschafter in der Start-up-Phase ihres Unternehmens Kosten für eine saubere und inhaltlich klare rechtliche Gestaltung aller wichtigen Verträge und Rechtsbeziehungen scheuen. Jedoch sollte bei dem Aufbau des Unternehmens stets ein mögliches Exit-Szenario mitbedacht werden, sodass im Rahmen der von Seiten der Kaufinteressenten durchgeführten Due Diligence keine Red Flag Findings oder Deal Breaker identifiziert werden.
Zum Glück lassen sich viele im Rahmen eines Trade Sale auftauchende Schwierigkeiten lösen, jedoch können sich solche Lösungen nachteilig für die Verkäufer bei der Kaufpreisfindung sowie bzgl. des Umfangs der im Rahmen des Unternehmenskaufvertrages abzugebenden Garantien oder Freistellungen auswirken.
Entscheidung für den Trade Sale: Abwägung der Vor- und Nachteile
Bei der Ausgestaltung des Exits müssen die Vor- und Nachteile der verschiedenen Exit-Optionen gegeneinander abgewogen werden:
Größter Vorteil des Trade Sale ist, dass ein strategischer Investor oder auch ein Finanzinvestor dem Unternehmen eine höhere Bewertung zumessen kann, als im Rahmen eines IPO erreicht werden könnte. Bei Veräußerung an einen Finanzinvestor bspw. kann durch weitere finanzielle Mittel das Wachstum des Unternehmens durch sog. Add-on-Transaktionen vorangetrieben werden. Daneben ist der Ablauf eines Trade Sale unbeeinflusst von der allgemeinen Börsenstimmung und i.d.R. schneller. Insbesondere verglichen mit einem IPO fällt der mit einem Trade Sale verbundene Zeit- und Kostenaufwand geringer aus. Der Trade Sale lohnt sich damit grds. für alle Unternehmen, sofern geeignete Kaufinteressenten ausgemacht worden sind.
Als größter Nachteil kann sich erweisen, dass durch einen Trade Sale das Management – und damit meist die Gründer – die bisherige Unabhängigkeit verliert, da die Käufer bei einem Trade Sale Mehrheitsgesellschafter werden und maßgeblichen Einfluss auf das Management und den Business-Plan des Unternehmens erhalten. Auch kann die Einbindung in die Konzernstrukturen eines Strategen die bisherige Handlungsfreiheit des Unternehmens erheblich einschränken und Entwicklungs- und Wachstumsprozesse verlangsamen. Im Vergleich zu einem IPO besteht zudem das Risiko, dass der angesprochene Adressatenkreis kleiner ist, was sich nachteilig auf die abgerufene Unternehmensbewertung und somit auf die Kaufpreisangebote auswirken kann.
Dual Track: Gesellschafter können sich Trade Sale und IPO offenhalten
Zumindest in Deutschland hat nach dem Platzen der New-Economy-Blase der ehemals beliebte IPO an Attraktivität eingebüßt und der Trade Sale konnte sich in den letzten zwanzig Jahren als „Exitweg der Wahl“ etablieren. Jedoch kann – abhängig von der Börsenstimmung, den Zyklen und der Branche – der IPO im Einzelfall den attraktiveren Weg darstellen.
Verkaufswillige Gesellschafter eines attraktiven Unternehmens sollten daher sowohl die Option eines Trade Sale als auch eines IPO ausloten. Wenn sie sich dazu entschließen, beide Wege möglichst lange parallel zu verfolgen, nennt man dieses Vorgehen „Dual Track“. Bei dieser Vorgehensweise können Synergien, wie etwa bei der Erstellung des Datenraums, genutzt werden. Gleichwohl werden bei Trade Sale und IPO unterschiedliche Investorengruppen angesprochen und das Management muss daher unterschiedliche, jeweils auf Trade Sale und IPO zugeschnittene Ansprachen und Informationen vorbereiten.
Gegen das Verfolgen des Dual Track spricht zudem, dass die Trade-Sale-Dokumentation und ein Börsenprospekt zeitgleich vorbereitet werden müssen. Daneben wird das Unternehmen im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb weitergeführt. Vor diesem Hintergrund besteht das Risiko einer Überlastung oder sogar Überforderung des Managements.
Mit einem Trade Sale auf zu neuen Ufern
Wohin die Reise bei einem Trade Sale geht, hängt maßgeblich davon ab, wer der Erwerber ist. Bei Veräußerung an einen strategischen Investor können Synergiepotenziale gehoben werden, um das Wachstum des Unternehmens zu beflügeln. Gleichzeitig kann es sein, dass die bisherigen Gründer-Gesellschafter bzw. die Manager ihren bzw. seinen Einfluss auf die Unternehmensführung vollständig verlieren bzw. verliert, im Gegenzug aber aufgrund des Veräußerungserlöses und der Einbindung in die Gruppe des Strategen privat eine stärkere finanzielle Sicherheit erhalten bzw. erhält.
Bei Veräußerung an einen Finanzinvestor kann durch weitere finanzielle Mittel das Wachstum des Unternehmens vorangetrieben und zu einem späteren Zeitpunkt ein erneuter Exit angestrebt werden.
Dies ist ein Beitrag aus unserer Blogserie „Venture Capital Basics“. Wir haben die verschiedenen Arten von Venture Capital Investoren sowie das Corporate Venture Capital bereits beleuchtet. Anschließend haben wir uns mit Themen wie Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Venture Capital & Private Equity, Finanzierungsarten für Start-ups und den Finanzierungsrunden beschäftigt. Gefolgt ist ein Beitrag zu Bylaws sowie zu der Frage, wie die Zusammenarbeit von Gründern und Investoren gelingt. Zuletzt sind wir auf die Arten und Regelungsmöglichkeiten des Exits des VC-Investors sowie auf das IPO eingegangen.
*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.