Die Bemühungen der EU-Kommission um eine Richtlinie über die Vergabe von Konzessionen, insbesondere unter Einbeziehung von Dienstleistungskonzessionen, waren den kommunalen Interessenvertretern schon immer ein Dorn im Auge. Doch nun wird es ernst.
Die Kommission hatte kurz vor Weihnachten im Rahmen ihres Gesamtpakets zur Modernisierung des Vergaberechts eine Richtlinie über die Konzessionsvergabe vorgeschlagen. Mit der eigenständigen Vergaberichtlinie für Konzessionen (zu dem davor noch verfolgten Regelungskonzept hier) bezweckt die Kommission bereits, den Konzessionsgebern flexiblere Regelungen an die Hand zu geben, die den Besonderheiten bei der Vergabe von Konzessionen Rechnung tragen. Der Entwurf enthält auch eine Reihe spezifischer Ausnahmen. Doch diese gingen den Gegnern zusätzlicher Vergaberegeln längst nicht weit genug. Konkret fokussiert sich der Streit insbesondere auf die Einbeziehung der Dienstleistungskonzession (mehr dazu auch hier) in das Vergaberechtsregime, die von den Kommunen strikt abgelehnt wird. Dieser Streit erreicht nunmehr mit dem Beschluss des Bundesrats vom Freitag über die Erhebung der Subsidiaritätsrüge einen neuen Höhepunkt.
In seinem Beschluss vom 02.03.2012 beruft sich der Bundesrat auf Art. 12 lit. b EUV. Er ist der Auffassung, dass der Vorschlag nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip in Einklang steht. Nach diesem Prinzip darf die EU einen eigenen Rechtsakt nur erlassen, soweit die mit der jeweiligen Maßnahme verfolgten Ziele von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sie also wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf europäischer Ebene besser zu verwirklichen sind (Art. 5 Abs. 3 EUV).
Der Bundesrat führt zur Begründung aus, dass die von der Kommission angeführten schwerwiegenden Wettbewerbsverzerrungen oder eine Marktabschottung bislang nicht ausreichend nachgewiesen seien. Die Kommission habe auch keinen Beleg dafür vorgelegt,
„dass sich der Anteil von Dienstleistungskonzessionen an öffentlich-privaten Partnerschaften in den letzten Jahren negativ entwickelt hätte und eine solche Entwicklung kausal auf die von ihr behaupteten Mängel zurückzuführen wäre.″
Des Weiteren verweist der Bundesrat auf die bei Dienstleistungskonzessionen nach der Rechtsprechung zu beachtenden Grundsätze der Gleichbehandlung und Transparenz, die ausreichend Rechtssicherheit schafften. Der Vorschlag missachte zudem den auch nach EU-Recht geltenden Schutz der regionalen und lokalen Selbstverwaltung. Den Kommunen müsste bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen weiterhin ausreichend Gestaltungs- und Verhandlungsspielräume erhalten bleiben.
Besonders hebt der Bundesrat den Rettungsdienst hervor (näher dazu bereits hier und hier). Er weist auf den engen Zusammenhang zwischen Rettungsdienst und Katastrophenschutz hin und befürchtet, dass offene Ausschreibungen dazu führen, „dass die Schnittstelle zwischen Rettungsdienst und Katastrophenschutz ebenfalls kommerzialisiert würde″ und dies massive Qualitätsverluste mit sich brächte. Der Rettungsdienst solle daher von der Richtlinie ausgenommen werden.
Damit tritt der schon lange schwelende Streit offen zutage und wird in das Verfahren nach dem Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit überführt. Danach können nationale Parlamente wie der Bundesrat innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Erhalt des Vorschlags einer Richtlinie darlegen, weshalb der Entwurf ihres Erachtens nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar ist. Diese Stellungnahme ist von den jeweils zuständigen europäischen Institutionen, insbesondere Parlament, Rat und Kommission, zu berücksichtigen. Erreicht die begründete Stellungnahme des Bundesrats die Zustimmung von einem Drittel der Stimmen sämtlicher nationaler Parlamente der EU, muss der Richtlinienentwurf überprüft werden. Dabei hat jedes Parlament zwei Stimmen; besteht das Parlament aus zwei Kammern, hat jede Kammer eine Stimme.
Nach Abschluss der Überprüfung kann die Kommission beschließen, an dem Entwurf festzuhalten, ihn zu ändern oder ihn zurückzuziehen. Dieser Beschluss muss begründet werden. Hält sie an ihrem Richtlinienvorschlag fest, kann das Parlament vor dem EuGH klagen. Gemäß Art. 23 Abs. 1a GG steht dieses Recht auch dem Bundesrat zu.
Ob es zum Schlagabtausch vor Gericht kommen wird, bleibt abzuwarten. Jetzt muss die Kommission erst einmal bei der Begründung des Richtlinienvorschlags nachlegen. Dass sie die Länder und Kommunen hiermit zufrieden stellen wird, darf bezweifelt werden.