Das OLG München hat zur umstrittenen Frage Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen die Auftragswerte von Planungsleistungen zusammenzurechnen sind.
Die Entscheidung des OLG München (Beschluss vom 13.03.2017 – Verg 15/16) befasst sich mit der vor Beginn eines Vergabeverfahrens durchzuführenden Schätzung des Auftragswerts. Anhand der Schätzung ist zu bestimmen, ob der einschlägige Schwellenwert erreicht oder überschritten wird. Bei Planungsleistungen außerhalb des Sektorenbereichs beträgt dieser Schwellenwert derzeit EUR 209.000,00, bei Planungsleistungen im Sektorenbereich derzeit EUR 418.000,00.
Wird der Schwellenwert erreicht oder überschritten, findet das sog. Oberschwellenvergaberecht Anwendung, verbunden mit der grundsätzlichen Pflicht zur Durchführung eines europaweiten Vergabeverfahrens. Bei Unterschreitung gilt dagegen Unterschwellenvergaberecht, wonach Planungsleistungen nicht in einem förmlichen Verfahren ausgeschrieben werden müssen.
Gleichartige Planungsleistungen sind zusammenzurechnen
Nach § 3 Abs. 7 VgV bzw. § 2 Abs. 7 SektVO sind die Auftragswerte mehrerer Lose zusammenzurechnen. Bei Planungsleistungen gilt dies allerdings nur für Lose mit gleichartigen Leistungen. Nicht gleichartige Planungsleistungen können einzeln vergeben werden.
Zur Abgrenzung gleichartiger und nicht gleichartiger Planungsleistungen wird in der Praxis teilweise auf die Leistungsbilder der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) abgestellt. Demnach sind zum Beispiel die Planungsleistungen der Objektplanung, Tragwerksplanung und Planung der technischen Gebäudeausrüstung unterschiedlichen Leistungsbildern zuzuordnen. Bei der Schätzung des Auftragswerts wird insoweit von nicht gleichartigen Planungsleistungen ausgegangen, die einzeln vergeben werden können.
OLG München: Funktionale Betrachtung maßgeblich
Das OLG München hat entschieden, dass nicht auf die Leistungsbilder der HOAI abzustellen, sondern eine funktionale Betrachtung maßgeblich ist. Zur Begründung verweist das Gericht auf die Rechtsprechung des EuGH in der Sache „Gemeinde Niedernhausen″ (vgl. Urteil vom 15.03.2012 – C-574/10).
Der EuGH hatte entschieden, dass es auf die innere Kohärenz und funktionelle Kontinuität der ausgeschriebenen Leistungen ankomme. Ein solcher Zusammenhang könne auch dann vorliegen, wenn der Gegenstand der Planungsleistungen in verschiedenen Abschnitten des Bauwerks mehrmals wechsle und zum Beispiel das Tragwerk des Gebäudes, das Dach oder die Beleuchtung betreffe. Dieser Sichtweise entspricht nach Auffassung des OLG München auch die amtliche Begründung des Verordnungsentwurfs, wonach auf die wirtschaftliche und technische Funktion abzustellen ist (vgl. BT-Drs. 18/7318, S. 210).
Das Gericht betont allerdings, dass es bei der Abgrenzung des funktionalen Zusammenhangs auf eine Einzelfallbetrachtung ankomme. Die Entscheidung darf daher nicht so verstanden werden, dass die Auftragswerte der Tragwerkplanung, Objektplanung und Planung der technischen Gebäudeausrüstung stets zusammenzurechnen sind. Entscheidend ist, ob ein wirtschaftlicher und funktioneller Zusammenhang im Einzelfall vorliegt. Verweist der Auftraggeber in der Bekanntmachung aber selbst darauf, dass die Leistungen als Einheit zu betrachten und bewerten sind, ist die Zusammenrechnung zwingend.
Erschwerte Anforderungen für separate Vergaben
Durch die Entscheidung des OLG München wird die separate Vergabe einzelner Leistungsbilder nach der HOAI erschwert. Aufgrund der Pflicht der Auftraggeber zur Addition der Auftragswerte aller in funktionalem Zusammenhang stehenden Planungsleistungen dürfte der einschlägige Schwellenwert in Zukunft häufiger erreicht oder überschritten werden als bisher. Auftraggeber werden Planungsleistungen daher zunehmend in einem europaweiten Verfahren vergeben müssen.
Dabei sollte der Schwellenwert nicht zu knapp berechnet werden. Bestehen Zweifel, ob der Schwellenwert erreicht oder unterschritten wird, sollte vorsorglich ein europaweites Vergabeverfahren unter Anwendung der §§ 97 ff. GWB in Verbindung mit der VgV bzw. SektVO durchgeführt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn das betreffende Projekt im Einzelfall durch Zuwendungen gefördert wird, da bei Nichtbeachtung des Vergaberechts eine Kürzung oder Rückforderung der zugewendeten Mittel drohen kann.