11. Januar 2019
Abwerbung Mitarbeiter Handy
Arbeitsrecht Wettbewerbsrecht (UWG)

Abwerbung von Arbeitnehmern über das private Mobiltelefon

Anrufe auf das private Mobiltelefon von Arbeitnehmern zum Zwecke der Abwerbung können wettbewerbswidrig und damit unzulässig sein.

Aufgrund des Fachkräftemangels sind Unternehmen gezwungen, kreative und auch aggressivere Wege zu entwickeln, um das notwendige Personal zu finden und für sich zu gewinnen. Dies gilt insbesondere für Personaldienstleister, deren Schwerpunkt der unternehmerischen Tätigkeit gerade die Überlassung von Mitarbeitern und deren Vermittlung an die Kunden darstellt. Die Gewinnung von Arbeitnehmern ist folglich essentiell für ein wirtschaftlich erfolgreiches Schaffen. Dabei haben sich insbesondere in der Praxis Modelle entwickelt, Mitarbeiter an deren Arbeitsplatz anzurufen, um diese abzuwerben. Der BGH hat derartige Praktiken bereits vor einigen Jahren beschränkt.

Ein solcher Anruf soll unter Beachtung der unterschiedlichen Interessen nicht unzumutbar sein, wenn er nur der ersten kurzen Kontaktaufnahme diene,

  • bei welcher sich der Anrufer bekanntmache,
  • den Zweck seines Anrufs mitteile,
  • erfrage, ob der Angerufene an einer Kontaktaufnahme als solche und zu diesem Zeitpunkt Interesse habe und
  • bei vorhandenem Interesse des angerufenen Arbeitnehmers die in Rede stehende offene Stelle knapp umschreibe, und, falls das Interesse des Mitarbeiters danach fortbestehe, eine Kontaktmöglichkeit außerhalb des Arbeitsbereichs verabrede.

Eine wenige Minuten überschreitende Gesprächsdauer sei ein Indiz dafür, dass der Anrufer bereits den ersten Kontakt in wettbewerbswidriger Weise, insbesondere zu einem unzulässigen Umwerben des Angerufenen, genutzt habe (BGH, Urteil v. 4. März 2004 – I ZR 221/01; BGH, Urteil v. 22. November 2007 – I ZR 183/04).

OLG Frankfurt: Anruf auf dem privaten Mobiltelefon nicht anders zu bewerten als Anruf auf Dienstanschluss

Das OLG Frankfurt hat nun entschieden, dass die höchstrichterlichen Grundsätze zur Wettbewerbswidrigkeit von Abwerbeversuchen am Arbeitsplatz auch gelten, wenn der Arbeitnehmer nicht über den Dienstanschluss, sondern auf seinem privaten Mobiltelefon angerufen wird. Der Anrufer müsse in diesem Fall zu Beginn des Gesprächs nachfragen, ob der Angerufene am Arbeitsplatz sei, so das OLG Frankfurt (Urteil v. 9. August 2018 – 6 U 51/18; Pressemitteilung v. 17.10.2018).

Die Parteien sind jeweils bundesweit tätige Personaldienstleistungsunternehmen; sie überlassen gewerblich Personal an Dritte. Ein Mitarbeiter der Antragsgegnerin kontaktierte einen Arbeitnehmer der Antragstellerin innerhalb von fünf Tagen insgesamt sieben Mal auf dessen privatem Mobiltelefon zur üblichen Arbeitszeit, um ihm eine Arbeitsstelle bei der Antragsgegnerin anzubieten. Nachfragen, ob der Angerufene am Arbeitsplatz sei, erfolgten nicht. Die Antragstellerin begehrte von der Antragsgegnerin, es zu unterlassen, ihre Mitarbeiter an deren Arbeitsplatz zum Zwecke der Abwerbung anzurufen, soweit das Gespräch über eine erste Kontaktaufnahme hinausgeht.

Abwerbeversuche über das private Mobiltelefon können wettbewerbswidrige Behinderung sein

Nach Auffassung des Gerichts ist die Antragstellerin durch die Abwerbeversuche wettbewerbswidrig gezielt behindert worden. Grundsätzlich sei das Abwerben von Mitarbeitern eines anderen Unternehmens zwar Bestandteil des freien Wettbewerbs und damit hinzunehmen. Unzulässig seien jedoch Abwerbemaßnahmen, wenn die Ungestörtheit der Betriebsabläufe beeinträchtigt werde.

Bei der erforderlichen Abwägung, ob Anrufe während der Arbeitszeit unlauter seien, seien die Interessen aller Beteiligten, also die der Arbeitnehmer sowie die der beteiligten Unternehmensinhaber zu berücksichtigen. Daraus folge, dass ein Anruf zumutbar sei, wenn er nur der ersten kurzen Kontaktaufnahme diene, bei welcher sich der Anrufer bekannt mache, den Zweck seines Anrufs mitteile und das Interesse an einem vertieften Kontakt abfrage. Folgekontakte am Arbeitsplatz seien hingegen wettbewerbsrechtlich unzulässig. Unter Rückgriff auf die höchstrichterliche Rechtsprechung sei zu betonen, dass ein Personalberater, der einen Mitarbeiter am Arbeitsplatz telefonisch zum Zwecke der Abwerbung anspreche, im Betrieb des Arbeitgebers eine gegen diesen gerichtete Werbung zu Gunsten eines Wettbewerbers betreibe. Dies müsse ein Arbeitgeber „nicht unbeschränkt″ dulden.

Die dargestellten höchstrichterlichen Grundsätze würden auch gelten, wenn der Anruf nicht über das dienstliche Telefon, sondern über das private Mobiltelefon des Mitarbeiters erfolge. In diesem Fall werde zwar nicht die technische Infrastruktur des Arbeitgebers beansprucht. Dieses Argument habe jedoch durch die Veränderung in der Arbeitswelt deutlich an Gewicht verloren. Der Personalberater könne bei einem Anruf auf einem Mobiltelefon – anders als bei einem betrieblichen Festnetzanschluss – zwar nicht wissen, ob der Angerufene am Arbeitsplatz sei und damit ein Eingriff in die betriebliche Sphäre des Arbeitgebers vorliege. Es sei ihm jedoch zumutbar, dies zu Beginn des Gespräches zu erfragen, um sich ggf. auf eine erste kurze Kontaktaufnahme zur Vermeidung wettbewerbswidrigen Verhaltens zu beschränken. Diese kurze Nachfrageobliegenheit belaste den Personalberater nicht über Gebühr und lasse sich zwanglos in eine höfliche Gesprächseröffnung integrieren. Gleichzeitig seien die Interessen des Arbeitgebers gewahrt, nicht über Gebühr durch gegen ihn gerichtete Maßnahmen von Wettbewerbern belästigt zu werden.

Folgeanrufe auf das private Mobiltelefon nur außerhalb der Dienstzeit zulässig

Das OLG Frankfurt erkennt zwar die Möglichkeit an, Mitarbeiter über deren Mobiltelefon an deren Arbeitsplatz zum Zwecke der Abwerbung anzurufen, begrenzt diese aber gleichzeitig. Der Orientierungssatz des Gerichts lautet wörtlich wie folgt:

Das unter dem Gesichtspunkt der unlauteren Behinderung nach der Rechtsprechung des BGH bestehende Verbot, Arbeitnehmer zum Zwecke der Abwerbung – über eine erste Kontaktaufnahme hinaus – an ihrem Arbeitsplatz anzurufen, besteht auch für Anrufe unter einer Mobilfunknummer, soweit der Anrufer sich nicht zu Beginn des Gesprächs vergewissert hat, dass der Arbeitnehmer sich nicht an seinem Arbeitsplatz oder sonst bei der Arbeit befindet.

Daraus ergibt sich, dass die abwerbende Person, die einen abzuwerbenden Mitarbeiter antelefoniert, bei einem Erstanruf – unabhängig davon, ob dies über den betrieblichen Festnetzanschluss oder das private Mobiltelefon erfolgt – nur den Erstkontakt schaffen darf und vertiefenden Gespräche über einen Arbeitgeberwechsel in der Freizeit zu führen sind.

Bei weiteren Anrufen, die über das private Mobiltelefon erfolgen, muss – da diese wettbewerbsrechtlich grundsätzlich unzulässig sind – zunächst danach gefragt werden, ob der abzuwerbende Arbeitnehmer am Arbeitsplatz ist oder nicht. Wird diese Frage bejaht, ist das Gespräch zu beenden; wird diese verneint, kann es fortgeführt werden. Im Gegensatz zu einem Anruf auf einem aufgrund der Telefonnummer erkennbar betrieblichen Anschluss kann der Abwerbende bei dem Anruf auf einer privaten oder nicht erkennbar dienstlichen Mobilnummer nicht im Vorhinein wissen, ob er den Arbeitnehmer am Arbeitsplatz erreicht und damit in die betriebliche Sphäre von dessen Arbeitgeber eingreift.

Vor dem Hintergrund der Entscheidung des OLG Frankfurt ist für die Praxis zu empfehlen, dass Personen, die im (Telefon-)Recruiting tätig sind, klar und ausdrücklich angewiesen werden, gerade bei Anrufen auf Mobiltelefonnummern zu erfragen, ob sich die abzuwerbende Person an deren Arbeitsplatz befindet. Wird diese Regel nicht eingehalten, riskiert der abwerbende Arbeitgeber eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung dieser Praxis. Dies kann geschehen, wenn der Angerufene den „Vorfall″ bei seinem Arbeitgeber meldet und diesem bestätigt, dass eine entsprechende Frage unterblieben ist.

Natürlich dürfte dabei in einer Vielzahl von Fällen der Grundsatz gelten „Wo kein Kläger, da kein Richter.″ Die Bereitschaft, entsprechende Vorfälle bei seinem Arbeitgeber anzuzeigen, kann allerdings stimuliert werden, indem dafür Prämien an die angerufenen Mitarbeiter gewährt werden.

Hält sich der abwerbende Arbeitnehmer nicht an die Weisung, danach zu fragen, ob sich der Angerufene am Arbeitsplatz aufhält, stellt dies einen arbeitsvertraglichen Pflichtverstoß dar, der abgemahnt werden kann. Im Wiederholungsfall kann das Arbeitsverhältnis gekündigt werden.

Weitere Einzelheiten dazu entnehmen Sie dabei bitte der Dezember-Ausgabe des „Infobriefs Zeitarbeit″, in dem wir jeden Monat über aktuelle Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Einsatz von Fremdpersonal informieren. Sollten Sie Interesse haben, diesen kostenfrei zu beziehen, schreiben Sie uns bitte eine kurze E-Mail (alexander.bissels@cms-hs.com oder kira.falter@cms-hs.com).

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